....die sich m.E. leider nicht kurzfristig (auf)lösen werden:
1) Diskrepanz zwischen der hohen Bekanntheit der Aktie und der niedrigen Bekanntheit der Produkte und Dienstleistungen von Wirecard in der breiten Bevölkerung
Eigentlich eine klassische Herausforderung eines B2B Geschäftsmodells, d.h. ein (Klein)Aktionär hat im täglichen Leben keine bzw. kaum Berührungspunkte mit den Produkten und Dienstleistungen des Unternehmens. Deshalb kann er sich im Hinblick auf Funktionalität, Qualität, Wettbewerbsvorteile etc. kein eigenes Bild machen. Somit ist er zumeist auf externe Meinungen und Beurteilungen angewiesen (Presse, Analysten etc.). Ganz im Gegensatz z.B. zu Apple, Tesla, Google und Facebook. Hier kann der Aktionär bei Bedarf die Produkte und Dienstleistungen selber erleben und sich sein eigenes Bild machen.
2) WireCard hat ein Sales/Vertriebs-Fokus und kein Marketing-Fokus
Die Herausforderung 1) des klassischen B2B Geschäftsmodells, kann man durch eine geschickte Brand-Strategie teilweise kompensieren. D.h. man positioniert die Marke entsprechend und lädt die Marke mit positiven Begriffen auf. z.B. "vertrauensvoll", "verlässlich", "innovativ", "flexibel", "skalierbar" etc. Dies wurde bei WireCard bisher nicht gemacht. Der primäre Fokus war und ist der Verrieb/Sales. Das ist zwar gut für die Umsatzzahlen, die fehlende Brand-Strategie öffnet jedoch Tür und Tor für gezielte Negativ-Kampagnen. Z.b.man bringt die Marke und damit auch die Aktie mit den Begriffen "korrupt", "dubiös", "nicht vertrauenswürdig" etc. in Verbindung. Auf meine Nachfrage bei der IR Abteilung(Fr. Stöckl) wurde mir zwar mitgeteilt, dass man sich der Problematik bewusst ist, trotzdem gibt es im Vorstand keinen klaren Verantwortlichen für Marketing. D.h. Jeder bzw. Keiner fühlt sich für Marketing verantwortlich. Halte ich persönlich für suboptimal. Speziell wenn man auch noch eine gewisse Historie in der Glücksspiel- und Pornoindustrie aufarbeiten muss. Darauf wird auch wiederholt von der „Gegenseite“ hingewiesen.
3) Gewisse Intransparenz des Geschäftsmodells
Das Geschäftsmodell, Produkte und Dienstleistungen sind nicht für jeden Aktionär transparent. Dies gilt natürlich gleichermaßen z.B. auch für die Münchener Rück (Rückversicherer) bzw. auch für jede große Bank (ich meine hier nicht das Endkunden-Geschäft). Die haben aber zumeist nicht gleichzeitig die Herausforderungen 1) und 2) zu bewältigen.
4) Wachstum durch M&A Aktivitäten bringt Herausforderungen in der Integration von Unternehmen, insbesondere bei den Finanz-Prozessen
Dies ist ein generelles Problem und kein spezielles von WireCard. Wächst man nichtorganisch durch Zukäufe (wie auch WireCard) hat man mit jedem Zukauf ein komplexes Integrationsproblem zu lösen. Nach meiner Erfahrung wird der Fokus stets auf den wesentlichen Treiber des Deals gelegt, d.h. zusätzliches Business bzw. Sales zu generieren. Die Vereinheitlichung der Buchhaltungssysteme, Konten-Pläne etc. sind hierbei nachrangig. Damit muss der CFO und der Wirtschaftsprüfer immer abwägen, was ist wesentlich und was ist gleichzeitig verhältnismässig. D.h. mit beliebig hohen Aufwand wird man immer etwas finden was eventuell falsch verbucht wurde. Diese Summen sind jedoch zumeist nicht wesentlichen bzw. für den Abschluss nicht relevant. Dieser (Angriffs)Punkt wird jedoch m.E. auch weiterhin für externe Negativ-Kampagnen benutzt werden.
Demgegenüber sehe ich ein großes Potential für zukünftige, innovative Produkte und Dienstleistungen, Partnerschaften, Wachstum etc. deshalb bin ich - und bleibe trotz der obigen Punkte - signifikant investiert und zuversichtlich, erwarte jedoch nicht, dass durch einen positiven KPMG Bericht alles aus der Welt ist. Ich erwarte auch wegen Punkt 4) dass der KPMG Bericht einige nicht wesentliche Korrekturen hervorbringen wird.
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