Wenn es der Beate Uhse AG auch nichts mehr nützen kann, ist es vielleicht doch lehrreich, sich diese Geschichte einmal anzusehen.
Im Geschäftsbericht über 1998 heißt es
Das Internet- und Telefongeschft bietet dem Beate Uhse Konzern ein gewaltiges Wachstumspotential. Erotik und Sex sind die aktuell am stärksten wachsenden Segmente im Netz. "Sex" ist außerdem der am hufigsten eingegebene Begriff in Internet-Suchmaschinen. An Beate Uhse führt hier kaum ein Weg vorbei. Denn neben der Internet-Adresse www.beate-uhse.de hat sich das Unternehmen auch die Domain www.sex.de gesichert. Die strkere Durchdringung des Internets und die Deregulierung der Telekommunikationsmärkte haben europaweite Wachstumsimpulse für das Unternehmen ausgelst. Beate Uhse ist schon heute einer der wenigen Anbieter im Internet, die ihr Angebot in allen Bereichen rentabel vermarkten.
Das sollte sich als eine Summe krasser Fehleinschätzung erweisen. Zwei Jahre später war man schon etwas zurückhaltender und sprach immer noch von Zukunftsperspektiven, aber auch - mal wieder - von Strukturveränderungen.. Die einzelnen Unternehmensbereiche des Beate Uhse Konzerns gliedern sich in die Segmente Trading mit Einzel-, Groß- und Versandhandel sowie in das neu geschaffene Segment Entertainment mit den Bereichen New Media (Internet, Telefonie etc.) und TV.
Insbesondere der rasant wachsende Markt der Neuen Medien eröffnet dem Erotik-Konzern aussichtsreiche Perspektiven. Der Beate Uhse Konzern verschafft sich als einziger Anbieter in all diesen Geschäftsbereichen Marktvorteile und ordnete im Berichtszeitraum seine strategischen Geschäftsfelder neu. Damit werden optimale Strukturen für die Wachstumsmärkte der Zukunft und die internationale Expansion geschaffen.
Doch 2001 machte man Verluste im Wachstumsmarkt..2002 bildete man sich ein, eine Art Turnaround geschafft zu haben. Im GB hieß es: Einen eindrucksvollen Turnaround schaffte der Bereich Entertainment. Dank eines wiedererstarkten Internet-Geschäfts wurde ein Vorsteuerergebnis von 1,4 Mio. Euro erzielt, nachdem 2001 noch ein Verlust von 4,9 mio. Euro ausgewiesen werden musste. Aber es kam anders. 2004 wurden signifikante Marktanteile verloren.
Die Beate Uhse Entertainment-Sparte entwickelte sich 2004 nicht entsprechend unseren Vorstellungen. Vielfältige Faktoren, darunter u.a. neue gesetzliche Grundlagen in Deutschland, haben die Basis des Online-Geschäftes verändert. In der Folge kam es im Markt generell zu wesentlichen Einschnitten im Umsatz durch den Vertrauensverlust der Verbraucher gegenüber Dialer-Inkasso-Methoden. Zudem erhöhte sich die Preissensibilität der Verbraucher durch die kostenfreien Preisansagen auf Mehrwertdienstrufnummern. Als weiterer umsatzbeeinflussender Punkt sind die Verschärfungen der Jugendschutzbestimmungen zu nennen. Sie haben zum Teil dazu beigetragen, dass Marktanteile an ausländische Onlineanbieter verloren gingen, da diese anderen Bestimmungen unterliegen. Insgesamt verzeichnete der Online-Markt 2004 eine Verschiebung der Kunden-Kaufentscheidungen von spontanen Käufen hin zu bewussten Käufen. Diese Entwicklung traf nicht nur die Beate Uhse new media mit wesentlichen Umsatzeinschnitten. Der Online-Markt in Deutschland hatte 2004 ein Umsatzminus von 70 Prozent zu verkraften. Beate Uhse hat sich 2004 auf diese neuen Anforderungen mit diversen technischen Neuerungen eingestellt. Es wurden u.a. Dialer-Technologien entwickelt und das Kundenerlebnis von Online-Produkten gezielt auf die neuen Kaufentscheidungsprozesse der Kunden abgestellt. Es ist unser Ziel, die Entertainment-Aktivitäten in der Zukunft innerhalb des Konzerns noch stärker zu bündeln. Im Fokus unserer Arbeit im Entertainment stehen zukünftig die folgenden Geschäftsfelder: - das Stammgeschäft im Internet, - die neuen Breitbandtechnologien und - der Sektor Video-on-Demand. Wir sehen in diesen Bereichen interessante Möglichkeiten, Beate Uhse weiterhin eigenständig oder auch in Kooperationen im Markt zu positionieren.
Das klingt alles schon sehr defensiv. und nach Ausreden, und mehr noch, es klang in den .Ohren der Kunden nicht gut. Inkasso und Dialer waren damals Hassworte. Dass die altehrwürdige Beate immer noch versuchte, dass schon tote Pferd Dialer-Abzocke zu reiten, spricht für den eklatanten Realitätsverlust des damaligen Managements. Es kam ein anderes Management, das dem vorhergehenden an Unfähigkeit in Nichts nachstand. Man sah Die Chancen und Risiken der Digitalisierung, war aber völlig unfähig, die Chancen zu nutzen und die Risiken abzufedern. Im traurigen Geschäftsbericht für 2010 heißt es dann auch: Der Jahresfehlbetrag lag 2010 bei 46,41 Mio. Euro (Vorjahr: 13,00 Mio. Euro).
Die Erotikbranche wird sich nach unserer Einschätzung 2011 weiter konsolidieren. Neben den klassischen Sex-Shops, die ihr Augenmerk auf hetero- und homosexuelle Männer als Kunden gerichtet haben, werden sich zunehmend spezielle Anbieter für Frauen und Paare etablieren. Die Präsenz von Erotikprodukten für Frauen und Paare in Handel und Medien wird deutlich stärker werden. Fachgeschäfte wie die Beate Uhse Citylage-Shops, Drogeriemärkte, Shop-in-Shop-Konzepte in Warenhäusern und Webshops werden die Hauptanbieter für diese hochwertigen Erotikprodukte sein. Durch die hohe Verfügbarkeit vieler Produkte und die Möglichkeiten des schnellen Preisvergleichs im Internet bleiben die Kunden weiterhin preissensibel..Filme und erotischer Content werden im Wesentlichen über das Internet, TV und mobile Endgeräte konsumiert, so dass Umsätze aus DVD-Verkäufen und Videokabinen im Groß- und Einzelhandel erneut rückläufig sein werden.
Man hat zur Kenntnis genommen, dass es kostenlose Erotik-Angebote im Internet gibt und dass die Konkurrenz bei Dessous und Toys nicht schläft und die Konkurrenz auch über den Preis läuft, Aber es fehlt an einem Erfolg versprechenden eigenen Konzept - und das ist bis zur Insolvenz so geblieben. Die Mehrheitsgesellschafter bzw. die von ihnen bestimmten Aufsichtsräte haben seit dem Börsengang nicht vermocht, einen kapablen Vorstand zu instalieren, der in der Lage gewesen wäre, auch nur halbwegs passable Antworten auf die doch offensichtlichen Herausforderungen zu geben.
Jetzt werden sie dafür mit dem Verlust des eingesetzten Kapitals bestraft.
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