Bioinformatik

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eröffnet am: 13.11.00 18:59 von: Expropriateu. Anzahl Beiträge: 1
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1132 Postings, 8872 Tage ExpropriateurBioinformatik

Kommen auch wieder bessere Zeiten - gucke trotzdem gleich mal, ob nen russischer Panzer auf dem Hof steht.
Eigentlich nicht der richtige Zeitpunkt für so einen Artikel (weil andere Sorgen), aber einige behalten ja doch die Ruhe.

Gruß
EXPRO


Bioinformatik wird für Pharmaforscher immer wichtiger

Software für Gen-Goldgräber ist auf dem Vormarsch

SIEGFRIED HOFMANN

Im Schlepptau der Genforschung hat sich die Bioinformatik als ein neues Teilsegment des Biotech-Sektors etabliert und findet zusehends auch Interesse am Kapitalmarkt. Vorerst jedoch bleibt es schwierig, das Marktpotenzial der weltweiten Bioinformatik-Branche zu beurteilen.

HANDELSBLATT, 13.11.2000
FRANKFURT. Als Spezialdisziplin der Gen- und Pharmaforschung blühte die Bioinformatik lange im Verborgenen. Seit drei Monaten jedoch richtet sich auch das Scheinwerferlicht der Börse verstärkt auf Unternehmen, die an der Software für die Genanalyse arbeiten.

Angeführt von der Heidelberger Lion Bioscience AG haben inzwischen eine Hand voll Bioinformatik-Spezialisten den Sprung an die Börse geschafft und ihren Zeichnern teilweise auch Kursgewinne beschert. Neben Lion gehören zu dieser Gruppe die US-Firmen Rosetta Inpharmatics, Informax und Genomica sowie die israelische Compugen. Weitere Unternehmen stehen in den Startlöchern.

Zwar wächst das Börseninteresses, doch ein Urteil über die Chancen des Sektors bleibt schwierig. Denn die Bioinformatik bildet ein ebenso schillerndes wie unübersichtliches Fachgebiet. Analystenschätzungen für die Größe des Marktes bewegen sich nach Angaben von Lion in der Bandbreite zwischen einer und neun Milliarden Dollar, wobei zum Teil aber Hardware-Umsätze mit enthalten sein dürften.

Weltweit arbeiten inzwischen mehr als 50 spezialisierte Unternehmen an Software und IT-Systemen für die Genforschung. Umfangreiche Bioinformatik-Geschäfte bauen zudem etablierte Genomforschungsunternehmen wie Incyte, Celera, Millenium oder Decode auf. Auch klassische IT-Konzerne wie IBM, Hewlett-Packard oder Sun drängen in den Markt. Und natürlich strengen sich die großen Pharmakonzerne auch selbst erheblich an, eigene Informationssysteme aufzubauen.

Beim Baseler Roche-Konzern, der in den vorigen Jahren stark auf dem Gebiet investierte, werden inzwischen sämtliche Forschungsdaten elektronisch erfasst und für alle Einheiten zugänglich gemacht. „Vor allem die Vernetzung der Daten ist es, die den Vorteil ausmacht“, sagt Forschungschef Jonathan Knowles. Er geht davon aus, dass inzwischen mehr als 10 % der Forschungs- und Entwicklungsausgaben in die Datenverarbeitung fließen, und davon wiederum mehr als die Hälfte in die Bioinformatik.

Auf Basis solcher Schätzungen kommt der amerikanische Börsenkandidat Netgenics zum Ergebnis, dass die Pharmaindustrie jährlich etwa 2,4 Mrd. $ in die Bioinformatik investiert. Weniger als ein Sechstel davon dürfte an externe Software- und Service-Unternehmen fließen. Selbst Marktführer Lion Bioscience kann für das vorige Geschäftsjahr nur einen Umsatz von knapp 10 Mill. $ ausweisen.

Die US-Investmentbank Oscar Gruss rechnet damit, dass der externe Bezug von Bioinformatik-Leistungen durch die Pharmaunternehmen in den nächsten fünf Jahren von derzeit 300 auf bis zu 2 Mrd. $ wachsen wird. Eine wichtige Rolle wird dabei die Strategie der Pharmafirmen spielen. Sie setzen noch stark darauf, zugekaufte Softwarekomponenten und Serviceleistungen in eigener Regie zu integrieren.

Als erster der großen Pharmakonzerne hat sich die deutsche Bayer AG im vergangenen Jahr dazu entschlossen, den Aufbau einer Bioinformatik-Struktur komplett nach außen, an Lion Bioscience, zu vergeben. Auch wenn sich andere Pharmaunternehmen dieser Strategie bisher nicht angeschlossen haben, gilt die mit einem Umfang von 110 Mill. $ bisher größte Kooperation auf dem Gebiet in vielen Augen als Durchbruch für eine eigenständige Bioinformatik-Industrie.

Bioinformatik-Spezialisten sind aber nicht allein auf Auslagerungs- Aktivitäten der Pharmabranche angewiesen. Auch für viele kleine Biotech-Unternehmen wird der Bereich wichtiger. „Die Stärke der Bioinformatik ist, dass durch sie bei der Forschung vorselektiert wird und so unsinnige Experimente verhindert werden können“, sagt Martin Pöhlchen, Leiter Bussiness Development bei der Medigene AG. Das Münchner Biotechunternehmen hat zwei Informatik-Kooperationen mit Compugen und der schweizer Gene Data AG vereinbart.

Ein weiteres Einsatzgebiet für die Bioinformatik deutet sich in der Lebensmittelindustrie an. Das zeigt zum Beispiel eine Kooperation, die der Schweizer Konzern Nestlé vor wenigen Tagen mit Lion besiegelte. Und mit dem Siegeszug der Genetik wird sich die Bioinformatik mittelfristig wohl auch in der Routine-Diagnostik als unverzichtbares Instrument der Datenanalyse erweisen.

Trotz guter Perspektiven regen sich in der Bioinformatik-Branche Zweifel, ob der reine Software-Verkauf ein dauerhaftes Geschäftsmodell sein kann. Eine Herausforderungen besteht darin, dass die Datenbasis in den Unternehmen für den Einsatz von Analyse-Systemen kaum geeignet ist. Bioinformatik-Unternehmen drängen daher verstärkt in Rolle des Systemintegrators. Lion engagiert sich zudem selbst in der Wirkstoffsuche. Der US-Anbieter Doubletwist wandelte sich vom Software-Unternehmen zu einem Portal-Betreiber für öffentliche Genomdatenbanken. Dass eine eigenständige Bioinformatik-Industrie auf Dauer ihren Platz finden wird, steht außer Frage. Aber die Unternehmen, warnt Roche-Forschungschef Knowles, „müssen sich genau überlegen, was sie machen“.

HANDELSBLATT, Montag, 13. November 2000


 

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