Es ist mMn unsinnig, die Bankenkrise in USA /2008/2009) und die Staatschuldenkrise in der Eurozone (2010 - 2012) in einen Topf zu werfen und womöglich einen Kausalzusammenhang zwischen beiden Events zu konstruieren, wie es der SZ-Autor Ulrich Schäfer unten versucht - und daraus auch noch widersinnige Vorwürfe spinnt.
Einen abschließenden Kommentar zum Schäfer-Artikel poste ich am Ende.
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https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/...nichts-losbrechen-1.4129721
Zehn Jahre Lehman-Kollaps
Nicht der Staat war schuld am Crash im Jahr 2008 - es war die Gier der Banker. Solange die Weltgemeinschaft undurchsichtige Geschäfte der Finanzindustrie duldet, droht die nächste Krise.
Vor ein paar Wochen konnte man es wieder in den Boulevard-Medien lesen, in dicken, fetten Lettern. Geld-Alarm! Die deutschen Sparer würden durch die niedrigen Zinsen enteignet, und "Dauer-Schuldige" seien die Europäische Zentralbank (EZB) und deren Chef Mario Draghi. Auch Banker, Versicherungschefs und Ökonomen luden die Schuld für die "Geld-Misere" (Bild) bei der EZB ab - und nicht bei jenen Akteuren, die vor einem Jahrzehnt die Welt in eine epochale Finanzkrise stürzten: bei gierigen Spekulanten, trickreichen Investmentbankern und skrupellosen Händlern.
Der Versuch, Mario Draghi und der EZB die Schuld für den jetzigen Zustand unserer Wirtschaft in die Schuhe zu schieben, ist Teil eines größeren Narrativs, welches immer mehr Anhänger findet; es versucht, den Blick auf die wahren Ursachen der größten Finanz- und Wirtschaftskrise seit den 1930er-Jahren zu verschleiern. Dieses Narrativ läuft darauf hinaus, dass vor allem der Staat die Weltwirtschaft ins Wanken gebracht habe - und nicht eine entfesselte Finanzindustrie.
Diese Erzählung wird befördert von Konservativen, die staatlichem Handeln kritisch gegenüberstehen; von Bankern, die von ihren Versäumnissen ablenken wollen; und von Populisten, die bei ihrer Kritik an der Euro-Rettungspolitik übergehen, dass die Probleme nicht erst mit dem Ausbruch der europäischen Staatsschuldenkrise 2010 begannen - sondern schon 2007, als die ersten Banken kippten. Die Krise kulminierte dann vor exakt zehn Jahren, am 15. September 2008, im Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers...
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Abschließender Kommentar A.L.:
Es gibt nicht den von Autor Schäfer konstruierten Antagonismus (Gegensatz) Banker vs. Staat, sondern Banker und Zentralbanker zogen und ziehen stets am gleichen Strang und arbeiten mMn sogar Hand in Hand.
Autor Schäfer wird nicht leugnen können, dass die Griechenpleite 2010 NICHT mit [Aufkäufen von] US-Subprime-Anleihen in Zusammenhang steht. Die tatsächliche Ursache der Griechenkrise war, dass Griechenland sich von 2002 bis 2010 klammheimlich überstark verschuldet hatte (weit über die per Maastricht erlaubte 3 % Grenze hinaus), dies aber in den Staatsbilanzen nicht korrekt angab. 2010 waren die Schieflagen so stark angewachsen, dass sich der Schwindel nicht mehr geheimhalten ließ. Bereits 2010 war Griechenland faktisch pleite, wie 2010 auch der damalige Deuba-Chef Ackermann feststellte. Alle von der EZB und sonstigen Institutionen seit 2010 unternommen Rettungsmaßnahmen waren nichts anderes als Konkursverschleppungen. Trotz zig Schuldenerlassen ist die Staatsverschuldung in Griechenland immer noch untragbar hoch.
Keinesfalls ging Griechenland pleite, weil es US-Subprime-Anleihen gekauft hatte und damit Opfer des weltweiten Beschiss der US-Banker wurde. Selbst ganz ohne Goldman, Lehman und Co. wäre Griechenland wegen der EIGENEN Betrügereien (Falschangaben zur Staatsverschuldung) pleite gegangen.
Die EZB hat in Europa im Wesentlichen verzockte Staaten unterstützt und erst später auch verzockte Banker, vor allem in Italien (Aufkauf von Banken-Anleihen). Die Gründe, warum sich die Eurozonen-Staaten verzockt hatten, waren von Staat zu Staat unterschiedlich. In keinem Fall lagen die Ursachen in der US-Bankenkrise 2008! In Irland und Spanien platzte eine gigantische, durch Niedrigzinsen (= Folge der Euroeinführung in diesen Ländern!) aufgepumpte Immobilien-Blase. Es gab jeweils klassische Ponzi-Systeme bei den Immo-Preisen, die schlussendlich zusammenbrachen, so dass die faulen Schulden an den Banken und schließlich am Staat hängen blieben. Auch das hat mit Goldman und Lehman NICHTS zu tun und wäre auch ohne US-Einwirkung geschehen.
Ungeachtet dessen gab es in USA von 2002 bis 2006 ebenfalls eine gigantische Immobilienblase, deren Platzen 2008 die US-Bankenkrise auslöste. Aber das war im wesentlichen ein US-interner Vorgang, der sich nur deshalb auch auf Europa auswirkte, weil viele europäische Banken wertlose US-Subprimeanleihen von Goldman und Co. aufgekauft hatten. Die daraufhin in Europa erforderlichen Bankenrettungen infolge der US-Subprime-Schäden - besonders stark waren Deutschland und seine Landesbanken betroffen - hatten NICHTS mit den Immokrisen in Spanien oder Irland zu tun! Autor Schäfer tut aber so, als gäbe es diesen Zusammenhang.
Die Griechen starben 2010 am eigenen staatlichem Betrug (s.o.). Italien steht zurzeit auf der Kippe und leidet wirtschaflich ebenfalls stark unter der Einführung des Euro, der nach anfänglicher Scheinblüte durch Niedrigzinzen (verglichen mit Lire-Zeiten) nun für die Italiener ein dicker Klotz am Bein ist, weil sie den Euro nicht mehr, wie zuvor die Lire, abwerten können. Damit tritt die unzureichender Effizienz der mittelständig-antiquierten italienischen Wirtschaft immer deutlicher zutage. In Vor-Euro-Zeiten konnten die resultierende Export-Einbußen noch durch Lire-Abwertungen wett gemacht werden, heute nicht mehr. Auch das hat NICHTS mit Goldman und Lehman zu tun.
Wohl aber stecken mMn die EZB, die Fed und der BoJ unter einer Decke. Das Trio wollte partout - und vor allem im Interesse der weltweiten Investmentbänker - durch Nullzinsen und QE eine Vermögenswert-Inflationierung ("Anlagenotstand") lostreten, die ja auch prima gelang - siehe Börse und nun auch in D. überbordende Immobilienpreise. Der Kuhhandel fiel schon dadurch auf, dass Draghi mit Euro-QE fast exakt in dem Moment loslegte, als die Fed mit ihrem QE bereits "durch" war und den Inflationierungsstab so nach Europa weiterreichte. Die staatlichen Schieflagen in der Eurozone liefert dabei nur vordergründig die Argumente für Euro-QE. Draghis wahres Ziel war die (auch von anderen Goldmännern erwünschte) Vermögenspreis-Inflationierung.
Diese Inflationierung füllt der 1-%-Elite und sonstigen Spekulanten die Taschen, während die Massen (man blicke nur auf die Mieten-Blase infolge der Immobilienblase!) verarmen. Die Schere zwischen Arm und Reich wurde seit 2008 in USA wie in Europa deutlich größer.
Um es abschließend noch einmal zu betonen: Der von Schäfer postulierte Antagonismus "Banker vs. Zentralbänker" BESTEHT NICHT. Zu diesem Konstrukt kommt Schäfer nur, weil er die Folgen der Eurokrise nicht im Euro selbst suchen will, denn der Euro und dessen Einführung sind bei bibelfrommen Europa-Gläubigen wie ihm sakrosankt.
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