Die sich selbst beschleunigende Katastrophe

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eröffnet am: 15.10.05 16:05 von: Pate100 Anzahl Beiträge: 76
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15130 Postings, 8242 Tage Pate100Die sich selbst beschleunigende Katastrophe

 

Die sich selbst beschleunigende Katastrophe

Hans Boës 14.10.2005

Kommt das Jahrhundert der Jahrhundertkatastrophen? – Teil I

Es steht nicht gut um unser Klima. Auf der einen Seite sind die Anzeichen eines drohenden Klimawandels allerorten schon zu spüren - zunehmende Wirbelstürme, Überflutungen oder Dürrekatastrophen. Auf der anderen Seite geht vor allem die amerikanische Öl-, Kohle- und Autoindustrie im Verbund mit der Bush-Regierung zum Gegenangriff über: Klimaänderung ? - kein Vertrag, kein Problem!

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Wasserdampfbild von Meteosat. Bild: ESA

Die Anzeichen, dass wir vielleicht unmittelbar vor einer Klimaverschiebung unvorstellbaren Ausmaßes stehen, sind jedoch unverkennbar. Und vor allem sollte nicht der wissenschaftliche Disput Einzelner darüber hinwegtäuschen, dass sich weit über 90% der Klimaforscher einig sind: Der Mensch beeinflusst bereits das Klima!

Erstmals ist im Jahr 2000 die direkte Beobachtung des Treibhauseffekts durch den Vergleich von Satellitendaten aus den Jahren 1970 und 1997 gelungen. Zwar sind sich Experten immer noch nicht ganz sicher, wie groß der Effekt von Wasserdampf und Wolken wirklich ist, aber auch hier gibt es in letzter Zeit zunehmend alarmierende Nachrichten:

Der Beschleuniger Nr. 1: Wasserdampf

Die Konzentration von Wasserdampf in den oberen Luftschichten der Atmosphäre ist um 75 Prozent in den letzten 45 Jahren angestiegen. Das ist das Ergebnis einer Studie, an der 68 renommierte Wissenschaftler aus sieben Ländern mitgearbeitet haben. Die Zunahme des Wasserdampfs ist zum Teil auf den Treibhauseffekt selbst zurückzuführen. Das heißt: Je heißer es auf der Erde wird, desto mehr Wasserdampf sammelt sich in der Atmosphäre, desto heißer wird es wiederum - eine positive Rückkoppelung.

Bisher dachte man immer, dass der Wasserdampf durch Wolkenbildung den Treibhauseffekt eher bremst. Die Studie hat jedoch ergeben, dass die Zunahme des Wasserdampfs von 1980 bis heute den durch die Kohlendioxiderhöhung bedingten Temperaturanstieg nochmals um etwa die Hälfte erhöht hat.

Der Beschleuniger Nr. 2: Sibirien taut auf

Hinzu kommt eine zweite Rückkoppelung: Das Auftauen der Permafrostböden in Sibirien und Alaska. Meldungen [extern] bestätigen, dass dieser Prozess bereits eingesetzt hat. Wir stehen also vor einem weiteren selbstbeschleunigenden Klimaphänomen.

Wenn sich die Permafrostböden im Norden durch die allgemeine Temperaturerhöhung in große Sumpfgebiete verwandeln, dann werden große Mengen von Methangas und Kohlendioxid freigesetzt, die bisher im Bodenfrost eingelagert worden sind. Außerdem werden in der Folge, verursacht durch die Fäulnisprozesse von Milliarden von Kleinstlebewesen im aufgeweichten Boden, ungeheure Mengen des extrem klimawirksamen Methangases produziert, das wiederum entscheidend zu einer weiteren Temperaturerhöhung beiträgt, weil Methan wie ein Katalysator auf das Klima wirkt. Zusätzlich bewirken auch noch Meeresbakterien bei einem Temperaturanstieg im Oberflächenwasser der Weltmeere eine vermehrte Kohlendioxidproduktion und damit eine zusätzlichen Verstärkung des Treibhauseffektes.

Die mit Eis bedeckte Fläche der Arktis schrumpft kontinuierlich

Beschleuniger Nr. 3: Die Arktis taut auf

Gerade ist vom US National Snow and Ice Data Center (NSIDC) in Boulder, Colorado, die [extern] Meldung herausgegeben worden, dass das Eis der Arktis in den letzten Jahren dramatisch geschrumpft ist, seit 1978 um mindestens 20%.

Falls das Eis der Arktis mit der bisherigen Rate von etwa 8% pro Jahrzehnt weiter schrumpft, wird es im Jahr 2060 einen eisbedeckten Nordpol, wie wir ihn derzeit noch kennen, nicht mehr geben. Das aber wiederum hat enorme Auswirkungen auf den oben beschriebenen Prozess des Auftauens der Permafrostböden. Denn eine weiße Nordpolkappe reflektiert die Sonneneinstrahlung und sorgt damit für eine Abkühlung der nördlichen Breitengrade. Fehlt die weiße Kappe, wird zusätzliche Wärme absorbiert und der gesamte Nordpolraum erwärmt sich weit stärker als bisher.

Hinzu kommt, dass dann nicht nur das Grönlandeis in Gefahr ist, mit der Folge eines weiteren dramatischen Meeresspiegelanstiegs, sondern auch die Meeresströmungen im Nordpolarmeer beeinflusst werden könnten, was schließlich einen Zusammenbruch des Golfstroms zur Folge haben könnte. Dazu noch ausführlicher weiter unten.

Der Beschleuniger Nr. 4: Der Methanschock

Die weitere Erwärmung der Weltmeere wiederum könnte eine vierte Rückkopplung in Gang setzen: Große Mengen Methaneis, welche bisher am Meeresboden gespeichert sind, werden freigesetzt und heizen die Erde nochmals weiter auf.

Die Folge könnte eine ähnliche Katastrophe sein, wie sie wahrscheinlich vor 55 Millionen Jahren bereits einmal zahlreiche Arten ausgerottet hat. Außerdem kämen wir dann in Temperaturbereiche, die keines der heute lebenden Säugetiere bisher jemals erlebt hat. Auch das Klima, in dem sich der Mensch entwickelt hat, war noch nie wärmer als 17 Grad. Das ist nur ein Grad mehr als heute.

Die Klima-Achterbahn

Realistischer als ein kontinuierlicher Anstieg der Temperaturen ist allerdings das Szenario eines Klima-Wandels mit dramatischen kurzfristigen Klima-Umschwüngen. In den letzten Jahren hat sich bei Klimafachleuten zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt, dass wir in den zurückliegenden zehntausend Jahren Zeugen eines ausgesprochen ruhigen und stabilen Klimas waren. Immer wieder mussten die Forscher feststellen, dass es auch sehr viel unruhigere Phasen in der Klimageschichte gegeben hat.

So sind gerade wieder durch neueste Ergebnisse von Sedimentkernbohrungen heftige Klimakapriolen im Übergang von Tertiär zu Quartär nachgewiesen worden. Aber auch die erst 125.000 Jahre zurückliegende Eem-Warmzeit gilt als konkretes Warnbeispiel aus vergangenen Klima-Epochen. Die Forscher vermuten, dass damals die Durchschnittstemperatur auf der Erde innerhalb eines Jahrzehnts um mehr als 14 Grad gesunken ist. Dieser Kälteeinbruch währte 70 Jahre. Danach wurde es abrupt wieder warm, worauf die Temperaturen erneut wieder absackten.

Das heißt, das Klima sprang innerhalb eines Jahrhunderts zwischen völlig verschiedenen Zuständen hin und her. Auch sind Beispiele dafür bekannt, dass der Meeresspiegel innerhalb eines Jahrzehnts um bis zu 7 Meter gestiegen sein muss. Das erschreckende daran ist, dass damals die globale Mitteltemperatur nur ein Grad höher war als heute. Die Ergebnisse aus der Klimageschichte legen also den Verdacht nahe, dass die von uns verursachte Erwärmung zu plötzlichen extremen Temperaturschwankungen führen könnte.

Der Golfstrom als Klima-Schalter

Eine wichtige Rolle bei diesem Auf und Ab der Klimaachterbahn spielt wahrscheinlich der Golfstrom - oder besser gesagt der so genannte Nordatlantikstrom, der vor Labrador schweres salzhaltiges Wasser in die Tiefe drückt und dabei den warmen Golfstrom mit nach Norden zieht. Fällt der Nordatlantikstrom aufgrund von komplizierten Wechselwirkungen des Süß- und Salzwassergehalts durch vermehrte Niederschläge oder große Mengen von Schmelzwasser aus, stürzt Europa trotz weltweitem Treibhauseffekt innerhalb weniger Jahre in eine neue Eiszeit. Dies wiederum verringert den Eintrag von Süßwasser in den Nordatlantik und der Nordatlantikstrom kann nach wenigen Jahrzehnten plötzlich wieder anspringen.

Es kann aber auch einige Jahrhunderte dauern, bis es in Europa schließlich wieder wärmer wird. Dass dieser Prozess in den letzten Hunderttausend Jahren mehrfach stattgefunden hat, dafür haben die Klimaforscher zahlreiche Beweise gefunden. Zuletzt ist ein derartiges Abschalten des Nordatlantikstroms vor etwa 13.000 Jahren geschehen. Auch die kleinen Eiszeiten des Mittelalters könnten etwas mit einem Schwächeln des Golfstroms zu tun haben.

Alarmierende Zeichen

Im Jahr 2000 haben erste Messungen ergeben, dass sich der Golfstrom bereits um 20% verlangsamt hat. Das ist wirklich ein alarmierendes Zeichen. Denn ist der Nordatlantikstrom erst einmal abgeschaltet, läuft er nur schwerlich wieder an. Er reagiert wie ein Schalter für das Weltklima, der grob formuliert nur zwei Zustände kennt: An oder Aus. Sollten sich diese bösen Vorahnungen bewahrheiten, stehen wir vor einer Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes. Denn an eine langsame Erwärmung, wie es heute weithin angenommen wird, könnten wir uns vielleicht noch gewöhnen. Die Vegetation könnte sich anpassen, die Landwirtschaft wäre wahrscheinlich durchaus in der Lage, neue Pflanzensorten anzupflanzen und die Menschheit damit zu versorgen.

Sollten jedoch die Schwankungen zunehmen, wäre eine geordnete Anpassung wahrscheinlich nicht mehr möglich. So hat sich der Mensch auch erst in den letzten zehntausend Jahren, in denen eine vergleichsweise ruhige und von Klimaschwankungen freie Warmzeit herrschte, zu der heutigen Kultur entwickeln können.

Aber nicht nur am Nordpol droht ein Umkippen der bisherigen Meeresströmungen - mit unabsehbaren Folgen für die gesamte Menschheit. Auch am Südpol warnen Wissenschaftler vor einem Zusammenbruch der bisherigen Strömungsverhältnisse aufgrund der Klimaerwärmung.

Die Konsequenz: Die Extreme werden extremer

Wir können in den nächsten Jahrzehnten auch schon ohne Zusammenbruch des Golfstroms davon ausgehen, dass zunächst die Extreme deutlich extremer werden. Das heißt, es wird allgemein sehr viel stärker regnen. Wenn es kalt wird, wird es sehr viel kälter werden, wenn es warm wird, wird sehr viel heißer - und insgesamt sehr viel stürmischer werden. Die Zunahme der Windgeschwindigkeiten wird zu einer deutlichen Erhöhung der Windschäden führen, so wie wir es schon beobachten können. Es wird Hagelstürme geben mit außergewöhnlich großen Hagelkörnern, Hitze- oder Kälteperioden von noch nie dagewesener Dauer und Intensität, Unwetterkatastrophen, die bis jetzt für unmöglich gehalten wurden.

Wenn wir innerhalb der nächsten 10 - 15 Jahre nicht schnell in eine regenerative Wirtschaft umsteuern, wird unser Jahrhundert wahrscheinlich als das "Jahrhundert der Jahrhundertkatastrophen" in die Geschichte eingehen. Erste Anzeichen einer derartigen Entwicklung können wir bereits heute erkennen. So machen seit Anfang der neunziger Jahre Sturmschäden in bis dahin unbekannten Größenordnungen den Rückversicherungen - also den Versicherungen der Versicherungen - zu schaffen. Generell mehren sich gegenwärtig die Unwetterkatastrophen: Überschwemmungen, Sturmfluten, Zunahme der Taifune und andererseits große Dürreperioden, sowie Hitzewellen noch nie dagewesenen Ausmaßes. Die Folge der Trockenperioden sind beispielsweise Waldbrände, die weiter zum Anstieg der Treibhausgase beitragen und - wie in Sydney - ganze Städte einkreisen können oder - wie in Südostasien - einen halben Kontinent monatelang in Rauchschwaden einhüllen.

Dann die Zunahme von Schädlingen: Beispielsweise wurde 1993 Ungarn seit 60 Jahren zum ersten Mal wieder von einer Heuschreckenplage heimgesucht. Inzwischen gehören Heuschreckenplagen zum Alltag in Ungarn. Ebenfalls ist zu vermuten, dass sich Seuchen in extremerem Klima weit besser ausbreiten können. So ist zu erwarten, dass Malaria, Tuberkulose, Lepra usw. durch Klimawandel wesentlich bessere Ausbreitungsmöglichkeiten haben. Auch werden die Menschen anfälliger für Asthma, Allergien, etc.

Dr. Berz, Chef der Katastrophen-Beobachtungsgruppe der Münchner Rückversicherungs-AG, hat festgestellt,


dass in den letzten Jahrzehnten die Zahl und auch die Schäden aus großen Naturkatastrophen doch wirklich dramatisch zugenommen haben. Gerade in den 80er und 90er Jahren, wenn man das noch mit den 60er Jahren vergleicht, stellt man fest, dass die Zahl der großen Katastrophen auf mehr als das Dreifache, die volkswirtschaftlichen Schäden - schon inflationsbereinigt - auf gut das Achtfache und die versicherten Schäden sogar auf das 16fache zugenommen haben. Das sind also wirklich ganz erhebliche Veränderungen.



 

22.10.05 14:41
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15130 Postings, 8242 Tage Pate100Das Jahrhundert der Jahrhundertkatastrophen? Teil2

Wir haben den Heizungsregler gefunden

Hans Boës 22.10.2005

Kommt das Jahrhundert der Jahrhundertkatastrophen? – Teil II

Das Verrückte ist, daß wir eigentlich etwas erreicht haben, wovon die Generationen vor uns nur träumen konnten: Das Klima dauerhaft zu beeinflussen und an unsere Bedürfnisse anzupassen.

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Wie man in der folgenden Abbildung erkennt, war das Klima der letzten tausend Jahre relativ stabil. Die Temperaturen der Nordhemisphäre sind bis auf wenige Einbrüche langsam und kontinuierlich um etwa 0,02° C pro Jahrhundert gesunken. Erst im letzten Jahrhundert steigt die Jahres-Mitteltemperatur plötzlich um etwa 1° C nach oben.

Durchschnittliche Temperatur der letzten 1000 Jahre (Mitteltemperatur Nordhemisphäre)

Der Mensch greift schon seit über 100 Jahren in das Klima ein

Wie man an der Grafik deutlich erkennen kann, sind die Jahresmitteltemperaturen in Mitteleuropa in den letzten 900 Jahren langsam aber kontinuierlich gesunken. Das liegt vor allem an den langfristigen Schwankungen der Erdumlaufbahn um die Sonne. Hätten unsere Urgroßväter Mitte des vorletzten Jahrhunderts nicht die Kohle im großen Stil abgebaut und verfeuert, wäre es sehr wahrscheinlich langsam, aber relativ kontinuierlich mit den globalen Temperaturen im Verlauf der kommenden Jahrtausende weiter nach unten gegangen. Und Kaltzeiten sind meist auch sehr unfruchtbare Zeiten, wie die Menschen im ausgehenden Mittelalter mehrfach schmerzlich erfahren mussten.

Die erste so genannte "kleine Eiszeit" stoppte um 1350 eine bis dahin blühende Entwicklung in Nordeuropa. Die Bevölkerung Deutschlands beispielsweise wuchs in der Warmzeit zwischen 1000 und 1350 um etwa das Vierfache. In der Zeit zwischen 1350 und 1450 nahm sie dagegen um ca. 25% ab. Missernten, Hungersnöte, Pest und Cholera, Judenpogrome und Bauernaufstände kennzeichnen diese Periode eines plötzlichen Kälteeinbruchs. Auch danach wurden die Menschen in Nordeuropa immer wieder von Kälteperioden heimgesucht - was dann beispielsweise zu den bekannten großen Auswanderungswellen nach Amerika geführt hat.

Insofern haben unsere Urgroßeltern unwissentlich dazu beigetragen, dass wir in den nächsten 60.000 Jahren nicht eine dramatische Verschlechterung unserer Lebensverhältnisse in Nordeuropa erfahren müssen. Warmzeiten sind immer ausgesprochene Wachstumsphasen. Hinzu kommt die CO2-Düngung. Die Natur brauchte dringend neuen Kohlenstoff. 280 ppm war eine der niedrigsten CO2-Konzentrationen, die in einer vergleichbaren Klimaphase jemals auf der Erde nachgewiesen werden konnte und Kohlenstoff ist häufig einer der Engpassfaktoren für Vegetation. Insofern hatte die bisherige Steigerung des CO2-Gehalts der Atmosphäre auch durchaus erheblich positive Effekte.

Wir müssen lernen, wie man den Klimaregler optimal nutzt

Das Problem ist nur - um im Bild mit dem Heizungsregler zu bleiben -, dass wir den Regler nun immer weiter aufdrehen. Nachdem wir aber unwissentlich dazu beigetragen haben, dass es nicht zu kalt wird, sollten wir dringend darauf achten, dass es nun nicht zu heiß wird. Die derzeitigen Prognosen lassen jedoch nichts Gutes erwarten. Vielmehr scheint es, als wären wir kurz davor, dass der Heizkörper-Thermostat sich zunehmend selbsttätig immer weiter öffnet. Ob wir dann noch in der Lage sind, den Heizungsregler wieder herunter zu drehen, ist fraglich. Zeichnet man einmal die voraussichtlichen Temperatursteigerungen in die bereits vorgestellte Klimagraphik der letzten 1000 Jahre, so wird deutlich, mit welch enormen Temperaturveränderungen in den nächsten 100 Jahren zu rechnen ist.

[subtext]Grafik vergrößern

Selbst bei drastischer Reduktion der Treibhausgase gehen die meisten Prognosen von einer mittleren Temperaturerhöhung bis zum Jahr 2100 von etwa 2,5° C aus. Reduzieren wir nur halbherzig, werden es vermutlich etwa 4,5° C oder mehr. Und sollten wir unsere Emissionen und damit unseren Lebensstil wirklich nicht in den Griff bekommen, werden China, Indien und die USA weiter munter emittieren, kann durchaus von einer Temperaturerhöhung um bis zu 8° C in diesem Jahrhundert ausgegangen werden - so wie britische Forscher, die auch mögliche positive Rückkoppelungen einkalkuliert haben (wie im [local] ersten Kapitel beschrieben). Allerdings nur unter der Maßgabe, dass es Ende des Jahrhunderts nicht plötzlich zu einem Zusammenbruch des Nordatlantikstroms kommt. Dann würde es plötzlich wieder extrem kalt, wahrscheinlich bis zu minus 6° Celsius in Mitteleuropa. Die Eiszeit ließe grüßen.

Gerade das ist aber sehr wahrscheinlich, wenn wir CO2 weiter ungebremst in die Luft blasen. Je höher die Temperatur steigt, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Nordatlantikstrom zusammenbricht. Ist diese Wahrscheinlichkeit derzeit eher noch gering, so steigt sie bei zunehmenden Temperaturen bis zum Ende des Jahrhunderts dramatisch an. Vor allem, wenn wir auch die weiteren möglichen Rückkoppelungen mit einbeziehen, wie das Abschmelzen des Nordpols und das Aufweichen der Tundra.

Was man bei all diesen Angaben der Klimaforscher jedoch nicht vergessen sollte: Es sind alles nur Prognosen. Kein Mensch kann mit Sicherheit sagen, dass es so oder so kommen wird. Vor allem nicht beim Klima. Denn das Klimasystem der Erde ist ausgesprochen kompliziert, mit zahlreichen positiven und negativen Rückkoppelungen. Es ist ein wunderbares Beispiel für ein so genanntes Chaotisches System. Im Grunde ist es so ähnlich wie die Psyche einer Frau. Niemand kann vorhersagen, wie sie sich in Zukunft verhält. Nur eines ist sicher: Wenn man lange genug stichelt, explodiert sie irgendwann.




 

22.10.05 15:01

6836 Postings, 8774 Tage Egozentriker☠ Pate

Nimm nächstes mal ne reißerischere Überschrift.
Am besten sowas wie "Wir werden alle sterben!" oder "Tödlicher Hitzekollaps!"
Ist echt schade, dass erst so wenig Leute den Thread gelesen haben.  

22.10.05 15:14

13393 Postings, 7446 Tage danjelshakesehr interessant!

egozentriker hat aber recht... das nächste mal bitte eine etwas dramatischere überschrift.

mfg ds  

22.10.05 15:26

15130 Postings, 8242 Tage Pate100OK Wir werden alle sterben!! :)

vielleicht liegts ja auch daran das es Wochenende ist und
weniger Leute bei Ariva lesen?

Und was denkt Ihr, wird die Menschheit noch im nächsten Jahrhundert existieren?
Ich meine die Chancen stehen ziemlich schlecht dafür.

Gefährliches Wachstum

Harald Neuber 20.10.2005
China will seine Wirtschaft auch weiterhin jährlich um bis zu neun Prozent ausbauen. Für die globale Umwelt drohen dadurch verheerende Folgen
Zuletzt hatte der britische Premierminister das Problem auf internationaler Ebene angesprochen. Ohne China, Indien und die USA könne der globale Klimawandel nicht aufgehalten werden, sagte Antony Blair auf dem G-8-Gipfel im schottischen Gleneagles Anfang Juli dieses Jahres. Wie oft bei solchen Gipfeltreffen blieb es bei dem Appell. Dabei ist das Problem drängender als man zunächst meinen mag. Eine neue Studie von Greenpeace International belegt nun mit eindrucksvollen Zahlen: Das Wachstum Chinas droht zu einer der größten Bedrohungen für das globale Ökosystem zu werden. Doch die Schuld dafür ist nicht allein in Beijing zu suchen.

   
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Abholzung des Regenwaldes in Papua Neuguinea. Wie Greenpeace in dem Bericht schildert, wird das Holz in China weiter verarbeitet und dann auch nach Europa exportiert. Bild: Greenpeace.

Für westliche Wirtschaftsdelegationen ist China in den vergangenen Jahren ein beliebtes Reiseziel geworden. Der (noch) amtierende deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder reiste sechs Mal in das Reich der Mitte, zuletzt im Dezember vergangenen Jahres.

Das starke Interesse ist verständlich: Nach Regierungsangaben konnte die chinesische Wirtschaft alleine vergangenes Jahr sagenhafte 9,1 Prozent Wachstum verzeichnen, ein Rückgang ist nicht abzusehen. Ganz im Gegenteil: Bis zum Jahr 2020 soll das Bruttoinlandsprodukt (2003: 1377,6 Milliarden US-Dollar, 2004: 1650,7 Milliarden US-Dollar) um das Vierfache gesteigert werden. Soweit die guten Nachrichten. Denn wie das Ziel erreicht werden soll, den Energieverbrauch im gleichen Zeitraum nur zu verdoppeln, ist völlig unklar. Beim Kohleverbrauch ist China schon jetzt weltweit Nummer Eins, 75 Prozent des Energiebedarfs werden mit diesem Energieträger bestritten (Megatrend China: Stromausfall).
                
§
In Peking gibt es gegenwärtig 2,35 Millionen Autos. 1993 waren es erst 560.000. Bis zum Jahr 2010 werden nach dem neuesten ""Outline of Beijing Transportation Development" 3,8 Millionen sein. Für 2020 rechnet man mit 5.0 Millionen Fahrzeugen, so dass auf fast jede Familie ein Auto kommt.

Die neue Studie Parners in Crime von Greenpeace International führt diese und weitere beunruhigende Superlative auf. Angeführt wird in erster Linie die Auswirkung auf den Holzhandel: In den vergangenen Jahren ist China zum weltweit größten Importeur dieses Rohstoffes avanciert. Die Hälfte der Stämme aus bedrohten Regenwäldern wird inzwischen von der boomenden Wirtschaftsmacht aufgekauft. Diese Entwicklung hat neben dem exorbitanten Wirtschaftswachstum einen weiteren Grund. Nach der großen Flutkatastrophe 1988 mit Tausenden Todesopfern hat die Regierung den Holzschlag im eigenen Land stark eingeschränkt. Der Bedarf blieb aber unverändert hoch. Eine Folge ist nicht nur die starke Zunahme von legalen Importen, sondern ? für diese Branche nicht unüblich ? auch von illegalen Rodungen.

Der Wachstumstrend gilt derweil auch für andere Güter. Sei es Getreide, Fleisch, Erdöl, Kohle oder Stahl: China hat die USA als bislang führende Industrienation in den Schatten gestellt. Wenn der Pro-Kopf-Verbrauch von Kohle in China aber weiter auf einem so hohen Niveau wie bislang bleibt, werden die Kohlendioxid-Emissionen in zwei Jahrzehnten alle bislang erkämpfen Einsparungen in den Industrienationen aufgefressen haben.

Im Interview mit Michael McCarthy von der britischen Tageszeitung The Independent warnt US-Umweltexperte Lester Brown vor den Folgen des China-Trends. Das Wachstum im Reich der Mitte belege, dass die Weltbevölkerung schneller an die Grenzen der globalen Ressourcen stoßen werde, als man jemals geahnt habe. Wenn die chinesische Wirtschaft im bisherigen Maße weiter zulege, werde die dortige Bevölkerung im Jahr 2031 ? nach UN-Schätzungen werden es dann 1,45 Milliarden Menschen sein ? über das gleiche Einkommen verfügen, wie derzeit die Menschen in den USA:

Chinas Getreideverbrauch wird dann auf ein Drittel des derzeitigen weltweiten Konsums angewachsen sein. Wenn der Erdölverbrauch dann das aktuelle Niveau der USA erreicht, wird China 99 Millionen Barrel pro Tag benötigen. Die weltweite Fördermenge beträgt derzeit aber nur 84 Millionen Barrel, und es werden kaum mehr werden.
Lester Brown, Earth Policy Institute

Wer ist also schuld daran, die Welt an den Rand des Ruins zu führen? Die Frage ist nicht einfach zu beantworten. In einem Interview hatte Wang Mingxing, Direktor des Institutes für Atmosphärenphysik an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, die Lage mit einfachen Worten geschildert. Für sein Land, so Mingxing, stehe Entwicklung ganz oben auf der Liste. Solange sich die Wirtschaft nicht entwickelt, könne China über nichts anderes reden.

Unsere Umweltsorgen sind jetzt nicht der Klimawandel, sondern vor allem die Verschmutzung von Wasser und Luft. Ich denke, wir müssen nicht so große Anstrengungen im Kampf gegen die Erderwärmung unternehmen da gibt es viel mehr realistische Probleme, die darauf warten, dass wir sie bewältigen.
Wang Mingxing, Chinesische Akademie der Wissenschaften

Das bedeutet nicht unbedingt, dass Beijing die Gefahren der eigenen Entwicklung ignoriert. In seinem Artikel zitiert Michael McCarthy den stellvertretenden Umweltminister Pan Yue aus einem Interview. Dabei hatte Yue noch Anfang März dieses Jahres eine nüchterne Einschätzung des Wachstums gegeben. Fünf der zehn schmutzigsten Städte der Erde lägen in China, sagte der Politiker. Ein Drittel des Landes leide unter saurem Regen. Die Hälfte des Wassers der sieben größten Flüsse sei aufgrund der Verunreinigung "absolut nutzlos". Und dies führe in direkter Linie zu einem weiteren Problem: Ein Drittel der chinesischen Bevölkerung habe keinen Zugang zu Trinkwasser.

Dass in China durchaus ein Bewusstsein für die Probleme des Wachstums vorhanden ist, hatte auch der Geschäftsführer von Greenpeace International, Gerd Leipold, nach einer China-Reise bestätigt.

Das Problembewusstsein ist ziemlich hoch. Es ist auch bekannt, dass die chinesische Regierung eine ziemlich fortschrittliche Umweltpolitik macht, allein schon deshalb, weil sie die Grenzen des Wachstums schon sehen - die Grenzen, die ihnen die Natur setzt.
Gerd Leipold im November 2003

Das Dilemma aber ist, dass Beijing zugleich nicht auf den Auf- und Ausbau seiner Wirtschaft verzichten will. Geht es um die Gefahren der Expansion, verweist die Regierung auf die Schuld der Industriestaaten für Klimawandel und andere globale Umweltprobleme. Die "Erste Welt" habe schließlich auch Zeit gehabt, ihre Nationalökonomien und Gesellschaften zu entwickeln, so die Argumentation. Weshalb sollte China nun das Nachsehen haben? Tatsächlich bestätigt auch Greenpeace, dass drei Viertel der Treibhausgase in der Atmosphäre aus den Industriestaaten stammen.

An der komplizierten Sachlage ändert all dies freilich wenig. Die Lösungsansätze gehen weit über das "Problem" China hinaus. Schon 1972 hatte der Club of Rome mit seiner Studie "Grenzen des Wachstums" die katastrophalen Folgen einer ungebremsten Expansion der Weltwirtschaft aufgezeigt. Dies war sechs Jahre, bevor die chinesische Staatsführung 1978 mit der Einführung der sozialistischen Marktwirtschaft den Grundstein für die aktuelle Expansion legte.  

24.10.05 13:42

25551 Postings, 8374 Tage Depothalbiererviele ehemalige drittweltländer versuchen

das zu erreichen, was viele industrienationen jetzt schon haben.

d.h. wenn diese mit schlechtem beispiel vorangehen, wird das jede menge nachahmer finden.

auch in deutschland werden die autos immer größer und schwerer, aber die chinesen sollen alle moped fahren oder was ?

so läuft das schon mal gar nicht.  

24.10.05 13:55

31082 Postings, 8240 Tage sportsstarSicherlich wird die Menschheit noch

im nächsten Jahrhundert existieren. Die Frage ist nur ob das Leben, so wie wir es kennen, dann noch wirklich lebenswert ist.
Die Verhältnisse wie wir sie heuer kennen, werden aufgrund fortschreitender Technologisierung, Populationswachstum, weiter wachsende Armut (Verhältnis der auseinanderklaffenden Schere) nicht mehr die gleichen sein.
Die Naturkatastrophen werden sicherlich zunehmen, auch Pandemien können auftreten, doch diese Art der "natürlichen Säuberung" wird den Mensch in der Zeitspanne von 100 Jahren sicherlich nicht auslöschen. Das wird er wenn dann nur alleine hinbekommen (Stichwort: Nuklearkriege)!  

24.10.05 14:01

25551 Postings, 8374 Tage Depothalbierergenau: bald wird man überall hinfahren können,

aber wes wird sich nicht mehr lohnen, dort anzukommen.  

02.11.05 19:46
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15130 Postings, 8242 Tage Pate100Immer schneller, immer extremer

Immer schneller, immer extremer

Hans Boes 02.11.2005

Kommt das Jahrhundert der Jahrhundertkatastrophen? – Teil III

Eine der Folgen des zunehmenden Treibhauseffekts können wir jetzt schon spüren: die Zunahme der Häufigkeit und Intensität von Niederschlägen weltweit. Der Zusammenhang ist ganz einfach: Je wärmer es wird, desto mehr Wasser verdunstet und kommt an anderer Stelle wieder herunter. Gerade die Gebiete, die ohnehin schon mit viel Regen gesegnet sind, werden wahrscheinlich noch mehr davon bekommen. Andere Regionen werden dagegen unter vermehrter Trockenheit leiden. Und wenn es dann dort regnet, ist es plötzlich zuviel auf einmal.

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Das ist physikalisch auch durchaus erklärbar. Denn das Klima der Erde ist thermodynamisch betrachtet nichts anderes als eine gigantische Maschine. Je mehr Energie man nun in diese Maschine durch den Treibhauseffekt hineinsteckt, desto mehr kommt diese Maschine in Schwung, desto wilder wird das Klima. So hat die Zahl der Überschwemmungen im letzten Jahrzehnt zugenommen. Gleichzeitig breiten sich aber auch die Wüsten aus. Das Wetter wird extremer. Die Wälder der Erde schwinden rascher als bisher angenommen. Neuerdings kommen auch noch vermehrt Waldbrände aufgrund der zunehmenden Temperaturen hinzu, die weitere Treibhausgase in die Luft blasen. Auch hier wieder ein selbstverstärkender Effekt: Je heißer es wird, desto mehr brennen die Wälder, desto heißer wird es.

Viele Betroffene könnten deshalb gezwungen sein, ihre Heimat zu verlassen. In China leiden schon zwei Drittel der Städte unter Wasserknappheit, Neu Delhi wird in 15 Jahren sein Grundwasser aufgebraucht haben. Der Tschad-See in Afrika ist in den letzten 38 Jahren um 95% geschrumpft. Auch die Fläche des Aral-Sees hat sich in den vergangenen Jahrzehnten schon halbiert. Im Jahr 2025 könnten fast 50% der Weltbevölkerung unter Wassermangel leiden - zwar vorwiegend durch das rasante Städtewachstum und die weitere Intensivierung der Landwirtschaft. Aber eine Klimaerwärmung wird sicherlich dazu beitragen, diese Probleme noch zu verstärken.

Der Mensch überwuchert die Erde wie ein Schimmelpilz (Lichtemissionen der Menschheit bei Nacht. Bild: Univ. of Washington, Seattle

Lange vor den Palmen kommen die Mücken

Hinzu kommen Bedrohungen durch Insektenbefall. Lange bevor Palmen Nordeuropa besiedeln, werden Schwärme von asiatischen Stechmücken zu uns kommen. Die Mückenplagen in Wien 1996 und 1998 geben einen ersten Vorgeschmack Schon jetzt halten die Heuschrecken wieder Einzug in die südosteuropäische Kornkammer. In Rußland und der Ukraine hat man bereits mit erheblichen Ernteverlusten zu kämpfen. Aber auch andere Insekten werden in einem zunächst wärmeren Klima bessere Lebensbedingungen vorfinden. Das gilt für Reptilien, Amphibien und Bakterien gleichermaßen.

Die Zeichen sind nicht zu übersehen: In New York wurde im Jahr 2000 in einer bisher beispiellosen Aktion die ganze Stadt für die chemische Keule gegen die Mücken freigegeben, weil diese neuerdings den West-Nil-Virus übertragen können. Seitdem wiederholt sich dieses Schauspiel bereits in zahlreichen Gebieten der USA. Oder beispielsweise nimmt die Ameisenplage in China durch Klimaerwärmung noch zu. Allerdings gibt es auch angenehmere Rückwirkungen: Der Frühling im Norden beginnt früher, die Zugvögel brüten früher oder bleiben teilweise sogar den Winter über und man kann in Deutschland inzwischen das ganze Jahr über Radfahren, ohne sich im Winter regelmäßig die Finger abzufrieren.

Wenn schon Klimawandel, dann bitte langsam

Die möglichen Vorteile einer Klimaänderung werden vor allem dann von den Nachteilen überragt, wenn der Klimawandel zu schnell vor sich geht und die Natur tatsächlich Anpassungsschwierigkeiten hat. Denn wenn Ökosysteme zusammenbrechen, endet das meist mit einer Katastrophe, die weitere Katastrophen nach sich zieht. Das Klimafolgen-Risiko ist erheblich. Insbesondere die nachfolgenden Generationen werden darunter leiden.

Zwar sind die Folgen einer Klimaverschiebung bzw. einer drohenden "Klima-Achterbahn-Fahrt" für den einzelnen noch nicht sichtbar. Aber ist der Klimawandel erst einmal so richtig in Gang gekommen, dann lässt er sich höchstwahrscheinlich nicht mehr stoppen, sondern dann beschleunigt er sich selbst. Schon die verhältnismäßig kleinen Schwankungen des Klimas in den vergangenen 10.000 Jahren haben immer wieder Kulturen untergehen lassen.

Wir bilden uns zwar ein, dass wir mit unseren hochentwickelten Gesellschaften wesentlich besser gewappnet wären als Dritte-Welt-Länder. Das ist sicherlich auch richtig, solange es sich um eine stetige Klimaentwicklung handelt. Bei wirklich dramatischen Klima-Umschwüngen - wie beispielsweise beim Ausbleiben des Golfstroms zu erwarten - wäre aber genau das Gegenteil der Fall: Zum einen wären die Klimaänderungen im Norden wesentlich größer als im Süden - vor allem Europa wäre davon betroffen. Zum anderen brechen gerade hochkomplexe Gesellschaften bei dauerhaften Stresssituationen schneller zusammen als einfache. Das liegt daran, dass komplexe Gesellschaften auf eine funktionierende Infrastruktur (Strom, Wasser, Abwasser, Straßen etc.) existenziell angewiesen sind. Man schaue sich nur einmal an, wie die hoch entwickelte Nation der USA in New Orleans von den Folgen des Hurrikans Katrina vollkommen überfordert war.

War man in den neunziger Jahren noch ein einsamer Rufer in der Wüste, wenn man von einem sich selbst verstärkenden Klimawandel und der Gefahr abrupter Klimasprünge sprach, so trauen sich seit einigen Jahren auch andere Wissenschaftler an diese Materie (siehe Literaturliste). Im Jahr 2003 ist erstmals eine Studie zu den möglichen Folgen abrupter Klimaänderungen veröffentlicht worden, im Auftrag des Pentagon. Darin wird dem Klimawandel eine weit höhere Gefahr für die Sicherheit der USA bescheinigt, als es der internationale Terror ist. Die Autoren argumentieren, dass schon die erwarteten Klimaveränderungen in den nächsten Jahrzehnten zu erheblichen Problemen nicht nur für die Entwicklungsländer führen werden, sondern in deren Folge auch für die Industrieländer. Kommt der Nordatlantikstrom jedoch ins Stottern oder fällt gänzlich aus, haben wir es wahrscheinlich mit einem Rückfall in mittelalterliche Gesellschaftsformen zu tun, in denen der Krieg um Ressourcen wieder zum alltäglichen Begleiter wird.

Dabei sind doch derart heftige Klimaänderungen durchaus der Normalfall in den letzten Jahrhunderttausenden. Nochmals zur Erinnerung: Wir leben in den letzten 10.000 Jahren in einer ausgesprochen ruhigen und stabilen Klimaepoche und niemand weiß so richtig, warum das so ist. Immer wieder kam es in der Klimageschichte zu dramatischen Umbrüchen innerhalb weniger Jahrzehnte. Das Klima ist offensichtlich ein empfindliches System, daß auf leichte Anstöße oft überreagiert. Wir sollten das Klima nicht zu sehr reizen, bevor es noch zu einem gefräßigen Monster wird.

Von der Natur lernen

Das Problem ist der hohe Pro-Kopf-Verbrauch der Industrieländer. Allen voran die USA-Bürger die etwa 30 Mal mehr Ressourcen verbrauchen als ein Inder. Aber auch ein Deutscher verbraucht etwa 6 Mal mehr. Das nächste Problem ist, dass dieser Lebensstil immer noch weiter exportiert wird. Dank Hollywood träumt die ganze Menschheit vom eigenen Haus mit Garten und dem Auto in der Garage. Bis jetzt genießt erst etwa ein Fünftel der Menschheit den Reichtum und den damit verbundenen Lebensstil, den wir als gegeben annehmen. Was aber, wenn jetzt die anderen vier Fünftel auch genauso leben wollen wie wir?

Besonders erfreulich ist da eine Nachricht aus China. Das bevölkerungsreichste Land der Erde hat seinen Energieverbrauch seit Mitte der 90er Jahre um 17% reduziert, obwohl das Bruttosozialprodukt in derselben Zeit um 36% gestiegen ist. Wenn wir uns auf diesem Planeten mit unserer Kultur dauerhaft einnisten wollen, müssen wir endlich begreifen, dass wir nicht von der Natur unabhängig existieren können.

Wir müssen von der Natur lernen. So hat die Photosynthese der hochentwickelten Pflanzen einen Wirkungsgrad von 98%. Warum hat die Photovoltaik immer noch einen Wirkungsgrad von 15%? Warum setzen die meisten Glühbirnen immer noch gerade 5% des Stroms in Licht um? Warum fahren wir immer noch mit Autos im Stadtverkehr, die im Durchschnitt letztlich nur 1% der eingesetzten Energie in die Fortbewegung der Nutzlast stecken? Wir brauchen einen Forschungs- und Entwicklungsschub für effiziente Technologien und Produkte, für eine "Re-Evolution" unserer Wirtschaft und Gesellschaft.

Lösungsansätze in Europa beginnen!

Die Treibhausgase könnten mit vorhandenen Technologien in den nächsten 20 Jahre erheblich verringert werden. Die Hälfte der Reduktion könnte durch Einsparungen und effizientere Technologien erzielt werden - also letztlich kostenneutral, da die Aufwendungen durch Einsparungen wett gemacht werden. Rechnet man noch die erheblichen Kosten, die durch einen verstärkten Klimawandel entstehen können, ist jeder in Klimaschutz investierte Euro ein mehrfacher Gewinn. In Holland entsteht beispielsweise gerade ein Industriegebiet, welches keine CO2-Emissionen verursacht. Geht sowas denn nur in Holland?

Aber auch im Verkehrsbereich wären kurzfristig Einsparungen von 20% möglich. Jeder kann sich selbst im Internet über sparsame Autos und über eine sparsamere Fahrweise informieren oder einfach den Bus oder das Fahrrad benutzen. Die Bahn könnte ihre CO2-Bilanz noch deutlich verbessern, indem sie ihren Strom nur aus regenerativen Quellen bezieht und die Dieselloks beispielsweise mit Rapsöl fahren läßt. Und vor allem muss dringend die Luftfahrt in den CO2-Emissions-Handel integriert werden.

Fast 4 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland arbeiten bereits im Bereich Umweltschutz. Das sind mehr Beschäftigte als im Maschinenbau, im Fahrzeugbau oder im Ernährungsgewerbe. Wenn in den nächsten 5 Jahren alle erneuerungsbedürftigen Heizkessel auf eine zusätzliche Solar-Anlage umgestellt werden würden, könnten nochmals 110.000 neue Jobs entstehen. Weitere Beispiele lassen sich finden. Aber auch Überlegungen, das Treibhausgas CO2 einzufangen und in die Tiefsee einzulagern oder das Algenwachstum in den Weltmeeren zu fördern, um CO2 aus der Atmosphäre abzubauen, sollten mit allem Nachdruck verfolgt werden.

Insbesondere Europa ist aufgerufen, aktiv an einer Lösung des Treibhausproblems zu arbeiten. Denn langfristig wäre Europa von drastischen Klima-Umbrüchen besonders betroffen. Ein Zusammenbruch des Golfstroms würde das Auslöschen der europäischen Kultur bedeuten. Jedenfalls wie wir sie heute kennen. Hochrechnungen zeigen, dass dann kurzfristig anstelle von 300 Millionen hier nur noch 30 Millionen Menschen ernährt werden könnten.

Der Mensch, das hoch entwickelte Wesen?

Im Grunde benehmen wir uns wie ein Autofahrer, der bei Nebel fährt und plötzlich feststellt, daß das Fahrzeug gar keine Bremse hat. Anstatt jetzt aber den Fuß vom Gaspedal zu nehmen, beschleunigen wir weiter jedes Jahr mit etwa 5%. Und nun bemerken wir, daß es langsam auch noch Bergab geht. Würden Sie dann munter weiter den Fuß auf dem Gaspedal lassen?

Vielleicht sind wir ja doch nicht so hoch entwickelt, wie wir immer denken. Denn wir verhalten uns letztendlich nur wie ein Schimmelpilz, der einen Laib Brot überwuchert. Genau wie der Schimmelpilz sind wir ein Schmarotzersystem, das von der Energie lebt, die in der Erde gespeichert ist. Wenn die Energievorräte aufgebraucht sind, ist Schluss mit der Entwicklung. Anders als der Schimmelpilz können wir aber erkennen, dass diese Entwicklung ein Ende hat. Und nicht nur gehen unsere Vorräte demnächst zu Ende, auch die Aufnahmekapazität der Umwelt für die daraus folgenden Emissionen ist begrenzt. Es ist also im doppelten Sinne unsinnig, wenn wir weiterhin auf fossile Brennstoffe setzten.

Wird es uns gelingen, die Macht der Ölkonzerne zu brechen, bevor sie uns mit in ihren Untergang reißen? Wir wären nicht die erste Kultur in der Menschheitsgeschichte, die an den selbstinduzierten Klimaveränderungen eingeht.

 

03.01.06 22:09
3

15130 Postings, 8242 Tage Pate100Tauwetter

Tauwetter
von Jonathan Leavitt
The Independent / ZNet 28.11.2005


Grönlands Gletscher haben begonnen, sich immer schneller auf das Meer hin zu bewegen. Wissenschaftler vermuten, dass die riesigen Gletscher Grönlands kurz vor dem unabwendbaren Abschmelzen stehen. ?The Independent? am Sonntag berichtete.

Ein wissenschaftlicher Bericht, der in ein paar Tagen veröffentlicht wird, beschreibt, wie Gletscher, die über Jahrhunderte stabil waren, anfangen zu tauen. Das hängt damit zusammen, dass die Temperaturen der Arktis aufgrund der globalen Erwärmung steigen. Riesige Mengen der Oberfläche des Gletschers sind schon letzten Sommer geschmolzen.

Die zwei alarmierendsten Entwicklungen des heutigen Klimawandels lassen vermuten, dass die Eismassen der Pole schneller schmelzen, als Wissenschaftler bisher gedacht haben. Das hat enorme Auswirkungen auf die Zivilisation und den Planeten. Wenn alles Eis der Pole geschmolzen wäre, würde das die Weltmeere um 20 Fuß steigen lassen; das bedeutet massive Überschwemmungen vieler küstennaher Städte, wie z.B. London. Ganz besonders für tief gelegene Länder wie Bangladesh bedeutet der Anstieg der Meere deshalb eine große Gefahr.

Eine unmittelbare Auswirkung dieses Vorgangs ist, dass enorme Mengen frischen Tauwassers in die Ozeane fließen. Die veränderten Bedingungen im Meer könnten den Golfstrom stark umlenken oder sogar verschwinden lassen, was dazu führen würde, dass besonders im Norden von Europa die Temperaturen stark abfallen.

Jetzt, da die Regierungen neue Verhandlungen aufnehmen, wie man der globalen Erwärmung begegnen sollte, kommt die Enthüllung, dass nicht nur Gletscher, sondern auch treibendes Eis in der Arktis letzten Sommer in Rekordhöhe geschmolzen ist.

Diese Woche starten in Montreal formelle Gespräche, in denen darüber beraten werden soll, ob, nach dem Ablauf des Kyoto-Protokolls in 7 Jahren, international ein neuer Umgang mit den Emissionen, die den Klimawandel herbeiführen, anzustreben ist. Tony Blair nannte gestern im ?The Independent? die Treffen ?kritisch?, da ?sich eine globale Lösung entwickeln muss?. Leider ist wenig Erfolg abzusehen, hauptsächlich wegen der andauernden Weigerungshaltung von Präsident George Bush.

Der neue Beweis aus Grönland, veröffentlicht in der Zeitschrift ?Geophysical Research Letters?, beschreibt ein plötzliches Abrutschen des gigantischen Helheim Gletschers, ein Fluss aus Eis, der von der Mitte der grönländischen Eisschicht durch einen engen Spalt in einer Bergkette bis an die Ostküste reicht.

Professor Slawek Tulaczyk, Mitarbeiter des ?Department of Earth Sciences? an der ?University of California, Santa Cruz? sagte dem IoS (Wissenschaftliche Presse), dass sich der Gletscher letzten Sommer um 100 Fuß dem Meer zu bewegt habe. In den letzten vier Jahren hat sich der vordere Teil des Gletschers, der seit Anfang der Beobachtungen immer am selben Platz geblieben ist, um 4 ½ Meilen zurückbewegt. Die Effekte, welche den Gletscher verdünnt und zurückbewegt haben, haben sich ? ?in der Tat sehr schnell? auch auf das Inland ausgebreitet, sagt Professor Tulaczyk.

Da das Zentrum Grönlands nur 150 Meilen entfernt ist, befürchten die Wissenschaftler, dass das Inland bald auch von dem Tauwetter betroffen sein wird.

Von der anderen Seite Grönlands wird auch Erschreckendes berichtet: Der gigantische Jakobshavn Gletscher, mit 4 Meilen Breite und 1 000 Fuß Dicke der größte Gletscher auf Landmasse weltweit, bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von 113 Fuß jährlich dem Meer zu. Die normale Jahresgeschwindigkeit beträgt nur 1 Fuß.

Studien haben herausgefunden, dass Wasser auf der Oberfläche des Gletschers durch Löcher unter den Gletscher sickert und dort eine Schicht zwischen Steinboden und Eis bildet, die den Gletscher nach oben drückt und ihn, fast wie auf einem Fließband, auf das Meer zuschiebt. Es wird vermutet, dass alleine dieser Gletscher für 3 % des jährlichen Anstieges des Meerwassers verantwortlich ist.

?Wir könnten sehr nahe der Schwelle sein, an der die grönländische Eisschicht unumkehrbar schmilzt,? sagt Tavi Murray, Professor für Gletscherkunde an der Wales Universität. Er fügt hinzu: ? Die Beobachtungen, die wir machen, deuten in diese Richtung.?

Bis jetzt glaubten Wissenschaftler, dass noch 1000 Jahre vergehen werden, bis die Eisschicht komplett geschmolzen ist. Ian Howat, ein Mitarbeiter Professor Tulaczyk?s sagt, dass die neuen Untersuchungen diese Zeit ?leicht? um ?die Hälfte? verkürzen könnten.

Es gibt allerdings noch eine viel aktuellere Bedrohung, da das tauende Eis droht, den Golfstrom, verantwortlich für Englands mildes Klima, zu kippen. Diese Strömung, die England im Winter genau soviel Wärme gibt, wie es von der Sonne bekommt, transportiert einen tiefen Strom kaltes, salziges Wasser von Grönland aus in Richtung Süden. Als Ausgleich wird warmes Wasser aus dem Süden Richtung Nordeuropa getrieben.

Nachforschungen des ?Woods Hole Oceanographic Institute? in Massachusetts zeigten, dass noch bevor die Gletscher begannen, schneller zu tauen, das Wasser im Nordatlantik frischer wurde, was als die ?größte und dramatischste Veränderung der Ozeane, die im Zeitalter der modernen Instrumente gemessen wurde?, beschrieben wird.

Vor diesen Entdeckungen, hatten die Wissenschaftler frühere Behauptungen zurückgenommen, es spräche viel dafür, dass der Golfstrom uns noch in diesem Jahrhundert im Stich lässt. Das letzte Mal, als vor 12,700 Jahren der Golfstrom kippte, war Großbritannien für 1300 Jahre mit Eis überzogen.  

03.01.06 22:31

2310 Postings, 6998 Tage Energiewir sind uns hier Gott sei Dank einig

aber allgemein herrscht eher Gleichgültigkeit bzw.
wird sogar gerade von intelligenten Menschen die gegenteilige Meinung vertreten.
bin  Bussard 3  in diesem Thread.

http://www.dhv.de/vbulletin/showthread.php?t=12834&highlight=Klima  

03.01.06 22:45

15130 Postings, 8242 Tage Pate100@energie

"Die einzige Sache die auf der Welt gerecht verteilt ist,
ist die Intelligenz:

Jeder glaubt er hätte am meisten davon"
das ist auch einer meiner Lieblingssprüche...:)

Es muss wohl erst zu einer riesigen Katastrophe kommen, wie z.B der
Zusammenbruch des Golfstroms, ehe wir alle gemeinsam was dagegen unternehmen.
Leider wird es dann zu spät sein! Und unsere Kinder mussen dann für unsere
"Sünden" leiden...  

03.01.06 22:54

2310 Postings, 6998 Tage Energieman beachte die Paradoxie

hier in einem "Wirtschaftsforum" findet so ein Thema noch eher
Zustimmung
als in einem Natursportforum.
 

03.01.06 23:03

25551 Postings, 8374 Tage Depothalbiereran energie dhv ? hast du schonmal an einem

"hängegleiter" gehangen, oder wie kommst du auf diese seite?

übrigens für gute thermik ist eine globale erwärmung wohl sehr zuträglich.

vielleicht ist sie deshalb einigen sportsfreunden willkommen.  

03.01.06 23:13

2310 Postings, 6998 Tage EnergieDepo :genau das Gegenteil:

für Thermik ist eine labile Temperaturschichtung notwendig.

deswegen im Frühjahr oder in den Alpen :   gute Thermik
in der Wüste oder am Meer              :   schlechte Thermik.(Aufwind)

http://ariva.de/board/241237?pnr=2298242#jump2298242

MfG energie  

03.01.06 23:19

25551 Postings, 8374 Tage Depothalbiererkommt drauf an.

daß es im frühjahr am besten abgeht, weil sich die hänge durch sonne stark erwärmen und die warme luft in der umgebenden kaltluft schnell aufsteigt, weiß ich.

aber wenn es bald keine winter mehr gibt, gibt es dieses noch 3-4 monate länger.

:)  

03.01.06 23:22

2310 Postings, 6998 Tage Energiewo soll die Kaltluft dann herkommen? o. T.

03.01.06 23:30

25551 Postings, 8374 Tage Depothalbiererkommt es nicht hauptsächlich auf die temperatur-

unterschiede an?

d.h. nachts im frühjahr kühl, morgens erwärmt die sonne die (schneefreien) hänge, wodurch sich die luft stark erwärmt und schnell aufsteigt.

zumindest stand das so im büchli.  

03.01.06 23:36
2

3491 Postings, 7003 Tage johannahMeine liebe Eiszeit! Ihr, Pessimisten, zieht doch

um in die Tropen, dort wird es bestimmt nicht kalt werden. Was für ein unsinniges Katastrophenszenario wird hier doch beschworen.

MfG/Johannah  

03.01.06 23:46

2310 Postings, 6998 Tage Energieließ doch einfach bitte richtig o. T.

03.01.06 23:47

2310 Postings, 6998 Tage Energies o. T.

03.01.06 23:53
1

3491 Postings, 7003 Tage johannahWelches Posting soll ich bitte richtig

lesen?

Angesprochen habe ich die Pessimisten, die Schwarzmaler, sonst keinen.

MfG/Johannah  

04.01.06 22:14

2310 Postings, 6998 Tage EnergieP1 natürlich o. T.

07.01.06 16:10

15130 Postings, 8242 Tage Pate100Erwärmung ließ Meereskreislauf kollabieren

ERDGESCHICHTE

Erwärmung ließ Meereskreislauf kollabieren

Von Markus Becker

Die globale Erwärmung könnte das Weltklima abrupt kippen lassen. Untersuchungen des Meeresbodens haben ergeben, dass steigende Temperaturen vor Millionen Jahren schon einmal die Strömungen der Ozeane durcheinander gebracht haben. Grund für die Hitzewelle: Treibhausgase.

Es ist eines der bekanntesten Szenarien der Klimaforschung: Die globale Erwärmung lässt das Eis an den Polen schmelzen und sorgt für stärkere Niederschläge. Immer mehr Süßwasser gelangt in die Ozeane und bringt so den Golfstrom ins Stottern: Er basiert darauf, dass schweres, salziges Wasser im Norden in die Tiefe sinkt und nach Süden abfließt, während wärmeres Wasser aus dem Süden nach Europa und Nordamerika kommt und dort für milde Temperaturen sorgt. Versiegt der Golfstrom, bibbern Europäer und Nordamerikaner unter einer Kältewelle.

Dieser Effekt, im Hollywoodfilm "The Day After Tomorrow" drastisch ins Bild gesetzt, ist für die Erde nichts Neues: Vor 55 Millionen Jahren kam es schon einmal zu einem starken Anstieg des Kohlendioxidgehalts der Atmosphäre, wahrscheinlich aufgrund von vulkanischer Aktivität. Die Erwärmung setzte vermutlich am Meeresboden gefrorenes Methan frei, was die Temperatur noch schneller klettern ließ. Das Resultat: Die Ozeane erwärmten sich im Schnitt um 6 bis 8 Grad.

Die Folgen waren katastrophal für die Wasserzirkulation in den Ozeanen, wie eine Studie von US-Forschern jetzt bestätigt: Der Transport von warmem Wasser aus südlichen in nördliche Regionen sei abrupt zum Erliegen gekommen, schreiben Flavia Nunes und Richard Norris von der kalifornischen Scripps Institution of Oceanography im Fachblatt "Nature". Innerhalb von nur 5000 Jahren habe sich die Strömung umgekehrt. Anschließend habe es volle 100.000 Jahre gedauert, ehe das ozeanische Fließband zum ursprünglichen Zustand zurückgekehrt sei.

Zusammenhang zwischen Temperatur und Strömung

Schon zuvor waren mehrere Studien zu dem Ergebnis gekommen, dass die Meereszirkulation vor rund 55 Millionen Jahren einen drastischen Wandel durchlaufen hat. Fraglich blieb jedoch, wie genau sich die Strömungen verändert haben. Nunes und Norris haben die versteinerten Schalen winziger Organismen, sogenannter Foraminiferen, aus der Tiefsee geholt und chemisch untersucht.

Die Wissenschaftler analysierten insbesondere das Verhältnis des Isotops Kohlenstoff-12 zu Kohlenstoff-13. Organisches Material von toten Lebewesen, das aus den oberen Wasserschichten herabsinkt, enthält tendenziell mehr Kohlenstoff-12 als Kohlenstoff-13. Wenn Wasser durch einen tiefen Teil des Meeres fließt, reichert es sich daher stärker mit Kohlenstoff-12 an. Der chemische Vergleich von Foraminiferen unterschiedlicher Fundorte lässt daher Rückschlüsse darüber zu, wo Tiefseeströmungen existiert haben.

Wasserpumpe: Wie der Golfstrom funktioniert
GroßbildansichtDER SPIEGELWasserpumpe: Wie der Golfstrom funktioniert
Als die Wissenschaftler nun die Zusammensetzung der Schalen von 14 Orten im Atlantik und Pazifik verglichen, stellte sich heraus, dass es in der Zeit der globalen Erwärmung vor 55 Millionen Jahren zu einer abrupten Umkehrung der Tiefseeströmungen gekommen war. Ein Zusammenhang sei kaum von der Hand zu weisen.

Klimaforscher reagieren zunehmend alarmiert auf die immer zahlreicheren Hinweise, dass schon bald eine Neuauflage dieses Geschehens drohen könnte. Erst im November wurde eine Studie veröffentlicht, der zufolge sich der Golfstrom bereits stark abgeschwächt hat. Und die klimatischen Verhältnisse in der Zeit vor 55 Millionen Jahren ähnelten den heutigen: Auch damals kam es zu einem allmählichen Anstieg der globalen Temperaturen durch mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre.

Allerdings gibt es auch einen wichtigen Unterschied zur heutigen Zeit, den Nunes und Norris in ihrem "Nature"-Artikel nicht erwähnen: Die Konfiguration der Kontinente sah vor 55 Millionen Jahren deutlich anders aus als heute. Zwischen Nord- und Südamerika klaffte noch eine riesige Lücke, und das heutige Mittelmeer war nach Osten weit zum Indischen Ozean geöffnet. "Die Tiefsee-Strömungen sahen damals ganz anders aus als heute", sagt Frank Lamy vom Geoforschungszentrum Potsdam im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE.

Erde sah vor 55 Millionen Jahren anders aus

So sei entlang des Äquators viel mehr Wasser geflossen, während der sogenannte Antarktische Zirkumpolarstrom noch gar nicht existiert habe. Er verbindet auf der Südhalbkugel den Atlantischen, Indischen und Pazifischen Ozean miteinander und ist für das heutige globale Wasser-Förderband von entscheidender Bedeutung.

Auch die Tiefwasserbildung im Norden hat es vor 55 Millionen Jahren noch nicht gegeben, betont Lamy. Wo heute kaltes, salzhaltiges Wasser in die Tiefe sinkt und den Golfstrom antreibt, umschwappte damals nur eine Flachsee die noch existente Landverbindung zwischen dem heutigen Britannien, Island und Grönland. "Deshalb ist es fraglich, inwiefern die Meeresströmungen in der Zeit vor 55 Millionen Jahren auf die heutigen Verhältnisse übertragbar sind", bemerkt der Geologe.

Dennoch gebe es an dem generellen Zusammenhang zwischen globaler Erwärmung und der drastischen Veränderung der Tiefseeströmungen "keinen Zweifel". Lamys US-Kollege Norris räumt zwar ein, dass niemand wisse, wo genau die Schwelle für ein erneutes Umkippen der Strömungen liege. Als "beängstigend" bezeichnet er aber, dass die ozeanische Wärmepumpe beim letzten Mal rund 100.000 Jahre brauchte, um wieder normal zu funktionieren. "Wenn sich die Strömung wieder drehen sollte, könnte es sein, dass wir eine lange, lange Zeit mit dieser Veränderung leben müssen."


 

27.01.06 22:57

112127 Postings, 7537 Tage denkideeÜber diesen Thread kann

jetzt abgestimmt werden.
Die TOP 3 nehmen an der Endausscheidung teil

http://www.ariva.de/board/244566
 

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