Neue Rechtschreibung: Bern will MoratoriumAm 31. Juli endet die 7-jährige Übergangsfrist zur neuen Rechtschreibung - teilweise. Wie in Deutschland sollen nur die «unstrittigen» Neuerungen obligatorisch werden. Der Kanton Bern allerdings will sogar ganz verschieben. «Der Regeltext für die Rechtschreibung, wie er 1996 beschlossen und 2004 leicht modifiziert worden ist, ist ab 1.8.2005 verbindliche Grundlage für den Rechtschreibunterricht an den Schulen.» So informierte die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren EDK am 29. Juni die Kantone, die ihrerseits die Lehrer dahingehend unterrichten müssen. Auf den Brief der EDK reagiert hat der Kanton Bern: In einem Schreiben mit Datum vom 15. Juli schlägt er der EDK vor, die bisherige Übergangsregelung weiterzuführen, und zwar so lange, bis die umstrittenen Bereiche vom Rat der deutschen Rechtschreibung definitiv geregelt worden sind. Die von der EDK vorgeschlagene Regelung sei «nicht praxistauglich» und schaffe weitere Verunsicherung bei Lehrerschaft und Schülern, sagte Johannes Kipfer, Vorsteher der Abteilung für Volksschule in der bernischen Erziehungsdirektion, auf Anfrage. Dem Kanton Bern sei jedoch nicht an einem Alleingang gelegen, sagte Kipfer. Nach seinem Kenntnisstand hätten auch andere Kantone ähnliche Bedenken geäussert. Keine Vorbehalte hat offenbar der Kanton Zürich: Die EDK-Empfehlungen würden mit Beginn des kommenden Schuljahres umgesetzt, sagte Martin Wendelspiess, Leiter des Zürcher Volksschulamtes, auf Anfrage. Die noch bestehenden Ausnahmen seien zu wenig gewichtig, um deshalb von den internationalen Vereinbarungen abzuweichen. Die EDK wollte am Mittwoch auf Anfrage noch nicht Stellung nehmen. Sowohl das Generalsekretariat in Bern als auch das Sekretariat von EDK-Vorsteher Hans Ulrich Stöckling in St. Gallen sagten, der Brief liege ihnen noch nicht vor. Nach dem Willen der EDK sollte ab 1. August wie in 14 deutschen Bundesländern ein Teilmoratorium gelten: Bei Zeichensetzung, Worttrennung am Zeilenende und Getrennt-/Zusammenschreibung sowie im Überschneidungsbereich zwischen Getrennt-/Zusammen- und Gross-Klein-Schreibung gelten die alten Schreibweisen nach wie vor nicht als Fehler. Definitiv geregelt sind nur die Laut-Buchstaben-Zuordnung, Bindestrich und Gross-Klein-Schreibung, sofern sie nicht das Problem Getrennt-/Zusammen-Schreibung tangiert. Im Bereich Getrennt-/Zusammenschreibung - der mithin zu den schwierigsten gehört - hat der Rat für Rechtschreibung im Juni bereits Änderungsvorschläge vorgelegt, die eine Rückkehr zur alten Schreibweise bedeuten. Die Empfehlungen des Rats müssen noch von den zuständigen politischen Stellen genehmigt werden. Der Rat empfiehlt beispielsweise, wieder wie vor 1996 «Eis laufen» und «Kopf stehen» zu schreiben, wie er auf www.rechtschreibrat.com informiert. Dabei wäre laut der nun amtlich gültigen «Neuregelung 2004» (www.ids-mannheim.de/reform, Stichwort «Service») - «Eis laufen» und «Kopf stehen» gültig. Lehrer sind also verpflichtet, «nottun» als falsch zu markieren, obwohl die Schreibweise aller Wahrscheinlichkeit nach wieder richtig sein wird, sobald die politischen Gremien die Vorschläge des Rats genehmigt haben werden. Diese nicht nur pädagogisch problematische Situation hat nicht erst der Kanton Bern erkannt: Bayern und Nordrhein-Westfalen haben ein Moratorium beschlossen, bis der Rat für deutsche Rechtschreibung alle Bereiche bereinigt hat - voraussichtlich also bis Ende 2006. Bereits im Juni hatten auch die drei Akademien der Künste in Berlin, München und Dresden Einspruch gegen die definitive Einführung erhoben. Es sei «fahrlässig, Partiallösungen mit Amtsgewalt zu fixieren», monierten sie. Noch deutlicher formulierte es der Sprachkreis Deutsch SKD in Bern: «Die neue Rechtschreibung, die ausschliesslich für die Schule entwickelt wurde, ist am Ort ihrer Bestimmung nicht handhabbar: die Reform der Rechtschreibung ist gescheitert», schreibt der St. Galler Gymnasiallehrer Stefan Stirnemann im Mitteilungsblatt des SKD.
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