Ich war einfach long bis Ende letzten Jahres und bin dann rausgegangen, da ich das Geld eigentlich anders investieren wollte. Dieser glückliche Umstand hat mich komplett vor Corona gewahrt. Vermutlich ein einmaligen Glück, da ich ansonsten vermutlich auch sehr hart getroffen worden wäre. Ich habe die Warnungen aus China auch nicht verstanden. Es gab insgesamt ja auch keinen Grund gegen Bullenmärkte zu wetten. Gab meines Erachtens auch keine starke Über- oder Unterbewertung im DAX, im DJ vlt schon eher am oberen Limit. Für den DAX hatte ich im Dezember 2019 3 Aktien als unterbewertet eingeschätzt, 8 als überbewertet und 21 als fair bewertet.
Nun aber zur jetztigen Situation und ich will mal einen anderen Ansatz für die Diskussion versuchen.Ich habe es in einem anderen Thread schonmal erklärt, warum die Situation gerade für mich schizophren ist. Wir standen im Januar letzten Jahres ebenfalls an dieser Marke: 10500. Nun stellen wir uns die Frage: was bewegen Aktienkurse? Für mich ist es ein Investement bei dem man mit seinem Geld zunächst mal einen Buchwert kauft. Preis und Buchwert sollten übereinstimmen, wenn für die Aktie weder Buchwertgewinne noch -verluste zu erwarten sind. In Phase in denen Buchwertgewinne zu erwarten sind, rechtfertigt diese Rendite einen Aufpreis auf den Buchwert zu zahlen. Umgekehrt sollte man weniger für die Aktie zahlen, wenn die Buchwerte sinken. Dividende ist eine Art ausgezahlte Buchwertsteigerung, die Berücksichtigt werden muss ebenso wie das Zinsnvieau. Vergleichen wir jetzt Januar 2019 mit heute. Der Kurs ist praktisch derselbe, die Buchwerte sind im letzten Jahr inklusive Dividende um 5% gestiegen, was einen korrigierten DAX von 11.000 rechtfertigt unter der Annahme, dass der DAX damals korrekt bewertet war und die Buchwertgewinnerwartung dieselbe ist (Zinsniveau ist ebenfalls identisch). Wichtig für die Rendite ist noch der Betrachtungszeitraum. Auf welche wirtschaftliche Entwicklung zielt die Börse. Es sind nicht 2, 5 oder 10 Jahresentwicklungen, sondern die Börse läuft 6-12 Monate der Realwirtschaft vor und dies ist der Spekulationszeitraum. Das heißt, wir handeln heute, die Entwicklung der Realwirtschaft bis Jahresende. Solltest du dies verneinen und sehr wohl 2 Jahre beispielsweise als Horizont ansehen, dann könnte es keine Crashs geben, weil langfristige Entwicklungen können durch kurze Schocks nicht zu starken Rückgängen führen. Je länger der Anlagehorizont, desto stabiler sollte die Preisentwicklung sein (vgl. Immobilien). Wenn man nun alles zusammenfasst: Die Buchwerte ergeben einen DAX-Stand von 8200 Punkten. Wir zahlen einen Aufpreis von 2300 Punkten, was bedeutet, dass wir eine steigene Realwirtschaft in den nächsten 6-12 Monaten erwarten im Vergleich zum aktuellen Niveau. Gleichzeitig sagt der aktuelle Kurs, dass die Buchwerte der Aktien heute 5% niedriger sind bei gleicher Erwartungshaltung wie vor 15 Monaten. Die Königsfrage ist: Sind die Geschäftserwartungen von Januar 2019 für September 2019 vergleichbar bis identisch mit den Geschäftserwartungen von April 2020 für Dezember 2019. Hier darf jeder selbst überlegen, ob er für beide Zeiträume dieselben Buchwertgewinne erwartet (=ketziger Kurs fair), ob er denkt, dass die Geschäfte dieses Jahr besser laufen als letzten Jahr (=höhere Kurse als jetzt) oder ob er schlechter laufende Geschäfte erwarten (=niedrigere Kurse).
Der andere Ansatz ist natürlich: Für uns zählt nur was in 15 Jahren ist, aber dann hat das heute noch keinen Einfluss auf die Börse. Ich hatte dir das ja auch schonmal gesagt, dass ich keine Bauchschmerzen hätte, jetzt All-In zu gehen, da die Kurse in wenigen Jahren neue Allzeithochs erreichen werden. Aber es geht auch darum, den Gewinn bis dahin zu maximieren und hier sehe ich einen Umweg zum ATH als wahrscheinlicher an. Naja und noch andere schauen gar nicht auf Werte, sondern ziehen Linien. Das ist dann der kurzfristige Anlagehorizont von Tagen bis Wochen.
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