Zinserhöhungsandeutung: EZB setzt Anleihen unter Druck
Die europäischen Rentenmärkte befinden sich schon seit Wochen in der Defensive: Die Kurse fallen und die Renditen laufen nach oben. Am Donnerstag müssen sie einen neuen Rückschlag hinnehmen. Die Europäische Zentralbank hat zwar den Leitzins unverändert bei vier Prozent belassen.
Ungeachtet aller Anzeichen, die auf eine konjunkturelle Abkühlung der europäischen Konjunktur hindeuten mögen, neigt die europäische Zentralbank jedoch nach den jüngsten Äußerungen bei ihrer nächsten Sitzung möglicherweise zu einer Zinserhöhungen. Der Rentenmarkt reagiert auf diese Einschätzung mit deutlichen Kursverlusten: Der Bund-Future liegt am Nachmittag mit einem Minus von 75 Stellen bei 111,44 Prozent. Die Rendite der synthetischen, zehnjährigen Bundesanleihe ist mit 4,555 Prozent auf den höchsten Stand seit Juli des vergangenen Jahres gestiegen.
Drei-Monats-Euribor auf dem höchsten Stand seit November 2000.
Der Drei-Monats-Euribor-Future liegt mit einer Verzinsung von 5,15 Prozent auf dem höchsten Stand seit dem November des Jahres 2000. Auch die europäischen Börsen schwächeln, nach zwischenzeitlichen Kursgewinnen. Der Euro zeigt sich mit 1,5542 Dollar etwas fester als noch am Vormittag. Dort war er im frühen Handel des Tages auf bis zu 1,5366 Dollar gefallen gewesen, nachdem der amerikanische Notenbankpräsident Ben Bernanke der amerikanischen Währungen in den vergangenen Stunden zumindest verbal etwas den Rücken gestärkt hatte.
EZB erwartet rasanten Inflationsanstieg
Aussichten für Unternehmensanleihen trüben sich ein
Die Zentralbank möchte auf diese Weise die Inflationserwartungen eindämmen und vor allem Zweitrundeneffekte vermeiden, die sich in Form hoher Lohnforderungen zeigen. Hohe Lohnabschlüsse bedeuten für Unternehmen steigende Kosten und können sie unweigerlich zu Preiserhöhungen zwingen, die wiederum die Grundlage weiterer Lohnforderungen sein könnten. Auf diese Weise kann sich alleine schon aufgrund der Erwartungshaltung der Marktteilnehmer eine sich gegenseitig immer weitere verstärkende Lohn-Preisspirale entwickeln.
Die Wahrscheinlichkeit dafür ist größer als in den vergangenen Jahren, da das Preisumfeld in den vergangenen Monaten vor allem in jenen Bereichen deutlich in Bewegung geraten ist, in welchen es die Konsumenten am deutlichsten spüren: Bei Energie und Nahrungsmitteln. Hier spüren die Konsumenten beinahe täglich beim Einkauf den Schwund ihrer Kaufkraft. So dürfte es kaum verwundern, dass sie gerne mehr in der Lohntüte hätten.Bisher wurden
Zinssenkungs-Erwartungen immer wieder widerlegt
Höhere Löhne sind grundsätzlich unproblematisch in jenen Teilen der Wirtschaft, die stark wachsen und die ihre Arbeitsproduktivität steigern können. Anders sieht es jedoch in Dienstleistungsbereichen aus, in welchen es solche Produktivitätssteigerungen nicht gibt und in denen es kaum Wettbewerb gibt. Zum Beispiel im Öffentlichen Dienst. Hohe Lohanschlüsse führen hier unmittelbar zu steigenden Gebühren, höheren Steuern oder höheren Schulden der Öffentlichen Hand. Das alles muss von der allgemeinen Wirtschaft mitgetragen werden und bremst sie indirekt aus.
Die Haltung der Europäischen Zentralbank frustiert nicht wenige Anlagestrategen, die aufgrund der konjunkturellen Schwäche in den Vereinigten Staaten und ihrer bremsenden Wirkung auch auf Europa schon länger mit einer abflauenden Inflationsentwicklung in Europa und in der Konsequenz mit sinkenden Zinsen rechnen. Im April fielen die Einzelhandelsumsätze in Deutschland mit Minus 1,7 Prozent und die Auftragseingänge der Industrie mit minus 1,8 Prozent - jeweils im Vergleich mit dem Vormonat - enttäuschend aus. Die EZB geht für das Jahr 2008 von einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 1,5 bis 2,1 Prozent und für das Jahr 2009 von einem bis zwei Prozent aus. Die Inflationsrate soll aber länger hoch bleiben als ursprünglich angenommen. Die EZB erwartet für das laufende Jahr eine Teuerung zwischen 3,2 Prozent und 3,6 Prozent, für das kommende Jahr zwischen 1,8 Prozent und 3 Prozent.
Bisher wurden Zinssenkungs-Erwartungen immer wieder widerlegt. Daran scheint sich bis auf weiteres nichts zu ändern. Auf dieser Basis dürften weitere Kursverluste am Rentenmarkt kaum überraschen, weil noch zu viele Anleger auf zu vielen Positionen mit relativ langen Laufzeiten sitzen dürften.
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