Selbstüberschätzung hört nicht nach fünf Jahren Fahrpraxis auf. Im Gegenteil: sie ist über alle Erfahrungskategorien vorhanden. Sie wird später nur nicht mehr systematisch erfasst.
Wenn Fahrerfahrung das Hauptkriterium wäre, dann dürfte es ab Alter x keine Unfälle mehr geben. Tatsächlich nimmt die Zahl der Unfälle später aber, trotz Erfahrung, wieder zu.
Schlicht und einfach, weil man mit zunehmendem Alter zwar Erfahrung hat, aber zunehmend in die Überforderung abgleitet. Weil sich Regeln ändern, das Fahrverhalten aber oftmals, rinmal gelernt, recht statisch bleibt, und aelten weiterentwickelt wird.
Und weil die Zeit, in der man den Führerschein gemacht hat, dann Jahrzehnte zurück liegt, und und man schlicht und einfach ein Stück weit ein Anachronismus ist.
Beispiel Autobahn und Geschwindigkeit: während ein heute 20-Jähriger unerfahren ist und Geschwindigkeiten über 150 km/h ihn mangels Erfahrung überfordern, dürften die 30-50-Jährigen diese Geschwindigkeiten zwar besser meistern können, sie neigen mitunter dann aber dazu sich selbst zu überschätzen, denn außer Profis kann keiner (!) im normalen Straßenverkehr ohne großes Risiko meistern.
Und ein Fahrer oberhalb 50 oder 60 Jahren hat den Führerschein vor 30-40 Jahren gemacht, und damals sind die Autos bei diesen Geschwindigkeiten bereits technisch am Limit gewesen.
Sie haben zwar Erfahrung, aber nur einen kleinen Teil mit Autos, die technisch für diese Geschwindigkeit gebaut wurden. Sie denken, sie könnten, weil sie ja so lange den Führerschein haben, aber tatsächlich schlägt ihnen das Alter bereits ein Schnippchen: das Reaktionsvermögen ist nicht mehr das eines 30-Jährigen.
Und sie rasen dann mit übermotorisierten Autos über die Autobahn, mit zu hoher Geschwindigkeit - und verlassen sich darauf, dass wenn es knallt, das teure Auto und die passiven Schutzsystem einen schon retten würden. Oder dass der Unfallgegner bitte ein kleineres Auto hat - und nicht ebenfalls einen SUV Bolliden.
Selbstüberschätzung.
Und oberhalb 60 bis 70 Jahren? Führerschein schon 40 Jahre her (Geschwindigkeiten um 120 normal) Schlechte Augen, Ohren, Reaktionsvermögen, Aufmerksamkeit, Nebenwirkungen von Medikamenten, zu hohe UND zu geringe Geschwindigkeit - man beginnt das System Autoverkehr als Überforderung wahrzunehmen, gesteht sich aber nicht ein, dass man schon an Grenzen stößt. Fehler machen immer die Anderen, und man selber ist ach so erfahren. Klar: 40 Jahre Führerschein? Man soll doch bitte die 20-Jährigen kontrollieren.
Und oberhalb 70 Jahre wird es dann problematisch: da sollte dann auf Wunsch der Autolobby jeder selber entscheiden, ob er noch sicher zu reagieren und fahren in der Lage ist. Sehr wahrscheinlich aber dürfte ein hoher Prozentsatz dazu bereits nicht mehr in der Lage, und hoffnungslos überfordert sein. Alle oben genannten Gründe trefen dann aufeinander.
Da wird dann mit 100 km/h über die Autobahn gefahren, und wenn man den LKW überholen will, zieht man auf die linke Spur, obwohl von hinten ein 'voll-kontrollierter WernerGg' mit 180 Sachen angerast kommt - und dann treffen eben zwei aufeinander, und es wird brenzlich.
Der Eine verlässt sich auf seine Intuition - und übersieht, dass der Andere ja auch drei Sekunden später oder ohne Blick in den Seitenspiegel rüberziehen könnte - und der Andere kann Geschwindigkeiten schlechter einschätzen, hat schon immer so überholt, und überhaupt, man ist doch mit 50 Jahren Fahrerfahrung bestückt?
Alternativszenario: automatische Systeme, die auf der Autobahn bei Fehlern (kein Blick in Seitenspiegel) eingreifen, die rechtzeitig bremsen, bei der Einfahrt auf die Autobahn nicht auf ihr Recht bestehen, und die diese Situation auch sicher meistern - und die Geschwindigkeitsbegrenzungen auch einhalten.
Die Zahl der Unfälle würde massiv zurückgehen.
Und sowohl die jungen, als auch die alten Autofahrer wären Nutznießer. Und natürlich auch die 'Profis' zwischendrin, weil die ja ebenfalls Fahrfehler machen. Dann eben keine tödlichen mehr, ohne Konsequenzen.
Frage: wer hat beim fahren in der letzten Woche nicht eigene Fahrfehler bemerkt, und diese einfach weggebügelt als 'ist ja nix passiert'?
Rechts vor Links, zu hohe Geschwindigkeit, zu früh*, zu spät gebremst, falsche Fahrspur gewählt?
Ich hab sie alle gehabt. Und dennoch fahre ich seit über 25 Jahren unfallfrei. Ich bilde mir darauf nur nichts ein. Weil ich diesen 'Erfolg' der Aufmerksamkeit der anderen Autofahrer verdanke.
Mit einem automatischen System würde keiner dieser Fahrfehler passiert sein.
Meine einzige Sorge betrifft die Tatsache, dass die Autolobby die Verantwortung für Systemfehler gesetzlich dem Fahrer zuweisen könnte. Um ihre Mitglieder freizuhalten. Dann würde der Autofahrer für technische (ingl. Software) Fehler haften. Und ich weiß, wie sehr solche Bugs vorkommen können.
Das ist der Grund, warum ich vorsichtig bin, was meine Akzeptanz solcher Systeme betrifft. Würde es eine gesetzlich unabhängige Instanz geben, die jeden Unfall mit Beteiligung eines autonomen Systems analysiert und die Schuldfrage klärt, hätte ich keine Bedenken. Das wird es aber wohl nie geben.
___ * Klingt zwar komisch, aber ich z.B. schaue durch die Scheiben des Vordermannes und orientiere mich mindestens am Verhalten des vor ihm fahrenden Autos. Bremst dieses, bremse ich auch. So gewinne ich Zeit.
Bremst der vorausfahrende Fahrer aber zu früh, komme ich in Probleme. Weil es einfach keinen Sinn macht, dass jemand an der Ampel sechs Meter hinter dem Vordermann zu stehen kommt.
So gefährdet zu unsicheres Fahrverhalten Andere. Und sie merken es nicht.
Andere Fahrer entwickeln Spleens wie an der roten Ampel erst blinken, wenn die Ampel auf Grün springt - warum? Weil das Blinkgeräusch nervt, oder das Blinken in der Armatur so anstrengend ist. Beides schon gehört.
Und dann steht man dahinter falsch, und kommt nicht auf die andere Spur.
Würden automatische Systeme einfa nicht machen.
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