Düsseldorf (vwd) - Eine Übernahme der Bayer AG, Leverkusen, durch den schweizerischen Roche-Konzern wird von Analysten bezweifelt. Zwar sehen einige Beobachter durchaus gemeinsame Interessen, die Zahl der Gegenargumente ist aber auch nicht klein. Die Gerüchte seien nicht neu und durch die Aussage von Bayer, mit Credit Suisse First Boston und der Deutschen Bank an einem Strategiekonzept zu arbeiten, wieder aufgekocht, heißt es. "Es ist fraglich, ob diesmal mehr dran ist", äußerte sich Sven Dopke von M.M. Warburg.
Die niedrige Marktkapitalisierung habe Bayer schon seit langem anfällig für eine Übernahme gemacht. Auch nach der Kurssteigerung der vergangenen Wochen liege die Bewertung noch immer unter dem summierten Wert der einzelnen Unternehmensteile. Roche wäre laut Dopke kein schlechter Partner. Bei Pharma und Diagnostik gebe es Anknüpfungspunkte. Zudem seien zwei europäischen Unternehmen leichter zu fusionieren als eine europäische und ein amerikanische Gesellschaft. Die Frage sei allerdings, was Roche mit den drei weiteren Arbeitsgebieten Landwirtschaft, Polymere und Chemie von Bayer anfangen wolle.
Als interessant bezeichnete er die Arbeit an dem Strategie-Konzept. "Wenn man das ernsthaft betreiben will, kommt man an anderen operativen Einheiten nicht vorbei", sagte Dopke. Noch im September hatte sich der Bayer-Aufsichtsrat jedoch gegen eine diskutierte Management-Holding-Struktur ausgesprochen. Eine interessante Überlegung wäre laut Dopke, die Chemie- und Polymer-Aktivitäten auszugliedern und die Life Sciences zum Kern der Bayer AG zu machen. Mit diesem Schritt würde sich der Kurs besser steigern lassen, argumentierte der Analyst. Diese Lösung sei interessanter als die bisherigen Spekulationen um eine Ausgliederung des Pharmabereichs.
Petra Meyer von Sal. Oppenheim sah hingegen kaum Handlungsbedarf in punkto Konzernorganisation. Mit den bestehenden unabhängigen Sparten könne Bayer prima operieren. Ihrer Meinung nach dürfte das Konzept eher Portfolioüberlegungen enthalten. "Sie werden prüfen, wo das eigene Geschäft gestärkt werden kann und wo Bereiche abgegeben werden sollen." In eine ähnliche Richtung argumentierte Michael Butscher von Merck Finck. Die Chemie könne ein Knackpunkt sein, da sie nicht so rentabel sei wie die anderen Arbeitsgebiete, sagte der Analyst. Die Vorschläge könnten noch mehr Restrukturierung, den Rausschmiss der letzten Zykliker oder mittelfristig sogar eine Trennung von der Sparte beinhalten.
Auf der anderen Seite erwartet Butscher Ideen, wie der Life-Sciences-Bereich zum Beispiel durch weitere Produktkäufe verstärkt werden könnte. Erst im Oktober hatte Bayer die Pflanzenschutz-Produktlinie Flint für 1,33 Mrd CHF von Syngenta gekauft. Anlegern rät Butscher, ihre Titel des Leverkusener Konzerns erst einmal zu halten. Wer keine Aktien habe, solle erst einmal abwarten, bis die Gerüchte abgeflaut und die Fantasie etwas raus sei. +++ Antje Kullrich
vwd/8.12.2000/aku/sei
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