stern.de - 11.4.2007 - 10:27 URL: http://www.stern.de/wissenschaft/natur/586372.html?nv=cb
Philippe Cousteau Jr.
"Ich warf mich auf eins der Krokodile" Der "Crocodile Hunter" Steve Irwin hatte keine Angst vor gefährlichen Tieren. Seine erste Python bekam er mit sechs Jahren geschenkt, mit neun fing er das erste Krokodil
Philippe Cousteau Jr. hat Steve Irwin sterben sehen, den australischen Tierfilmer und Volkshelden. Bei gemeinsamen Dreharbeiten wurde Irwin von einem Stachelrochen tödlich getroffen. "Steve Irwin - sein letzter Film" kommt jetzt ins Fernsehen. Cousteau sprach mit stern.de über Irwins Tod, die schwierige Zeit danach und sein Leben im Schatten seines berühmten Vaters.
Sie waren bei dem Unfall dabei, bei dem Steve Irwin starb. Können Sie beschreiben, was passiert ist?Cousteau:Wir waren auf der "Croc One", Steves Forschungs-Schiff, vor der nord-australischen Küste. Wir warteten auf Tiger-Haie, um sie zu filmen. Ich war dabei, ein paar Forschungen anzustellen, Steve schnorchelte einige hundert Meter vom Boot entfernt. Er schwamm dicht über einem riesigen Stachelrochen. Das Tier erschrak sich, schwamm zur Seite. Der lange Schwanz mit dem Stachel am Ende schnellte herum, wie eine Peitsche, stach Steve in die Brust, mitten ins Herz. Stachelrochen können ihren Schwanz nicht kontrollieren, es passierte unbeabsichtigt. Sein letzter Film War Irwin sofort tot?Nein. Steve schwamm an die Oberfläche, bevor er das Bewusstsein verlor, die anderen brachten ihn auf das Boot. Wir versuchten ihn wiederzubeleben, doch als die Rettungssanitäter eintrafen, konnten sie nur noch seinen Tod feststellen.
Immer wieder wurde kritisiert, Steve Irwin gehe im Umgang mit gefährlichen Tieren zu große Risiken ein. Manchmal sah es aus, als fühle er sich unverwundbar. Was sagen Sie dazu?Ich war hoch beeindruckt von Steves Fähigkeit, mit Tieren umzugehen und sie zu verstehen. Er ging sicher Risiken ein, aber er tat dies, weil er wollte, dass wir die Tiere verstehen und ihren und unseren Platz in der Welt erkennen. Steve war voll und ganz dem Naturschutz verpflichtet: Er förderte Wissenschaft und Forschung, er kaufte Land, um es naturbelassen zu lassen, er unterstützte den australischen Zoo, und im Film gibt er Wissenschaftlern die Möglichkeit, die Krokodile weiter zu erforschen. Letzten Endes gab er für den Naturschutz sein Leben. Sie sprechen mit großer Bewunderung von Steve Irwin. Wie würden Sie Ihr Verhältnis beschreiben?Steve war ein unheimlich aufgeschlossener, enthusiastischer und lustiger Typ. Wir haben uns gleich gut verstanden. Ich erinnere mich noch lebhaft an eine unserer ersten Begegnungen: Wir fuhren zu den Krokodilen in Nord-Australien. Steves Team trieb die Krokodile aus dem Gehege und schrie: "Stürz dich drauf!" Ohne zu überlegen, warf ich mich auf eins der Tiere. Steve sah rüber und lächelte. Es war einer der ersten verbindenden Momente zwischen uns.
Sind Sie nach Irwins Unfall jetzt vorsichtiger oder ängstlicher im Umgang mit gefährlichen Tieren?Nein. All die vielen Male, die Steve mit gefährlichen Tieren zusammen war, ist niemals etwas Ernstes passiert. Es war einer der Unfälle, die du nicht vorhersehen kannst - die Chancen stehen eins zu einer Million, dass ein Stachelrochen genau zwischen zwei Rippen hindurch und direkt ins Herz sticht. Ich habe in Tauchmagazinen Fotos gesehen, auf denen Leute neben Stachelrochen schwimmen. Steve hat nichts Außergewöhnliches gemacht. "Steve Irwin - Sein letzter Film" im TV Am 20. Mai ist die 90-minütige Dokumentation über die gefährlichsten Lebewesen des Meeres auf Premiere zu sehen (17.35 Uhr, Animal Planet). Steve Irwin fehlt in den letzten Szenen, da er während der Dreharbeiten ums Leben kam. Wir tun, was wir können, um die Gefahren zu reduzieren, aber unser Job ist gefährlich und wir tragen die Verantwortung für das, was wir tun. Mein Vater starb 1979 auf einer Expedition bei einem Flugzeugabsturz. Auch ein Unfall, den niemand hätte vorhersehen können. Er hatte so viele verrückte Abenteuer erlebt, und ausgerechnet dieser Unfall brachte ihn um. Aber du kannst auch über die Straße gehen und von einem Auto angefahren werden.
Was halten Sie von der Entscheidung, das Filmmaterial mit den letzten Momenten Steve Irwins nicht zu zeigen?Das ist Sache der Familie, und jeder sollte das respektieren. Es ist richtig, "Ocean's Deadliest" zu zeigen. Aber niemand braucht die letzten Minuten von Steves Leben zu sehen, das sind nicht die Bilder, wie wir ihn erinnern wollen. Wir wollen ihn lebendig erinnern, als lebhaft, engagiert und seiner Arbeit verschrieben. War es eine schwere Entscheidung, den Film ohne Irwin fertig zu drehen?Ja. John Stainton, Steves Produzent und langjähriger Freund, rief die Crew und mich etwa zwei Tage nach dem Unfall an und fragte, ob wir weiterdrehen wollten. Wir alle hatten das Gefühl, es Steve schuldig zu sein. Steve war so begeistert von dem Film, und wir auch. Wir wollten den Film ihm zu Ehren beenden, um die letzten Wochen seiner Arbeit und seines Lebens nicht in der Schublade verschwinden zu lassen. Ohne die letzten Szenen hätten wir aber nicht genug Filmmaterial gehabt. Also filmten wir weiter.
Was ist die Botschaft des Films?Dass die tödlichsten Tiere des Meeres eine wichtige Rolle für das Ökosystem spielen. Und dass der Mensch das gefährlichste aller Lebewesen ist. Wir haben ernste Umweltprobleme, die auch für uns sehr gefährlich sind. Wir leben nicht isoliert von der Natur, sondern sind Teil von ihr. Wir alle brauchen saubere Luft und sauberes Wasser. Aber wie ich am Ende des Films sage: Wir können alle etwas für den Naturschutz tun. Es ist eine ernste, aber auch hoffnungsvolle Botschaft. Sie gehören zur berühmten Cousteau-Familie. Haben Sie je darüber nachgedacht, einen anderen Beruf als Meeresforscher zu ergreifen?Ich bin groß geworden mit Abenteuerlust und einer Faszination für Tiere - wenn ich nicht das machen würde, was ich mache, wüsste ich nicht, was ich stattdessen tun sollte. Ich kann mir keinen anderen Beruf vorstellen. Ich arbeite mit einigen der weltbesten Wissenschaftler zusammen, aber ich bin ein Geschichtenerzähler, genau wie mein Vater und Großvater. Wir sind Hobby-Forscher, Filmemacher, Schriftsteller.
Wann fingen Sie an zu reisen und die Welt zu erforschen?Meine Schwester und ich sind auf Expeditionen und Reisen mit Familie und Freunden aufgewachsen. Crew-Mitglieder meines Vaters, der kurz vor meiner Geburt starb, nahmen mich mit auf Tauchtouren, als ich noch sehr klein war. Als ich zum ersten Mal tauchen ging, war ich sechs oder sieben. Mit 16 war ich auf meiner ersten großen Expedition in Papua-Neuguinea.
Ist der Ruhm Ihres Vaters und Großvaters für Sie manchmal eine Last?Es ist wie mit allem im Leben: Es hängt davon ab, wie Du die Dinge betrachtest. Meine Schwester Alexandra, die mit mir zusammen arbeitet, und ich haben es immer als Privileg gesehen, als Geschenk: Durch unseren Namen sind wir noch besser in der Lage, Menschen und der Natur zu helfen. Wir haben uns dem Naturschutz absolut verschrieben. Nutze jeden Tag, um etwas in der Welt zum Positiven zu verändern - das ist unser Lebensmotto. Interview: Anne Webler
Artikel vom 11. April 2007
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