Die Idee eines vereinten Europas ohne die früheren Kriege ist prinzipiell sicherlich zu begrüßen. Unfug war jedoch, vorauseilend eine gemeinsame Währung (Euro) einzuführen. Eine gemeinsame Währung macht nur Sinn, wenn es eine gemeinsame Wirtschaftspolitik gibt - im Grunde also erst dann, wenn Europa wie USA ein aus Brüssel zentral regierter föderativer Staatenbund ist, in dem die einzelnen Bundesstaaten (heutige EU-Nationen) ihre Souveränität völlig verloren haben. Dann erst kann man erfolgreich ein EU-Wirtschaftsministerium führen mit eigenem EU-Finanzminister, der protestfrei bis in die kleinsten Winkel des Großraums durchregieren kann. Erst dann kann eine Gemeinschaftwährung wie der Euro ohne Maastricht-Krücken stabil gehalten werden. (In USA gibt es übrigens bis heute keine Haftung des "Bundes" für die Länder. Wenn Ohio pleite geht, dann zuckt Washington nur mit den Schultern.)
Von der politischen Stimmung her ist die Zeit allerdings noch längst nicht reif dafür. In fast allen Eurozonen-Ländern denken und fühlen die Menschen noch immer vorwiegend "national". Es gibt weder eine europäische Identifikation noch eine europäische Identität. Im Gegenteil macht sich nach 15 Jahren Euro und Brüssel-Bevormundung (z. B. in der Flüchtlingspolitik) sogar europaweit eine anti-europäische Politikverdrossenheit breit, die sich inzwischen auch in den Wahlergebnissen niederschlägt. Die Österreicher steuern mit ihrer neuen Rechtsregierung aggressiv gegen Brüssel, und seit heute auch die Tschechen. Und dieser Protest ist wohlgemerkt aus freien Wahlen hervorgegangen, also demokratisch legitimiert. In Brüssel hingegen ist kaum etwas demokratisch legitimiert oder transparent, dort herrschen diffuses Postengeschacher sowie Lobbyisten- und Vetternwirtschaft.
Je mehr Merkel und Co. vom "gemeinsamen Europa" schwadronieren, desto saurer stößt es den Leuten auf, die die eingeforderte Solidarität mit den europäischen "Nachbarn" nicht haben, nicht aufbringen wollen oder sogar ablehnen. Das sind von der Stimmung her derzeit noch die weitaus meisten Menschen in Europa (siehe Anfang des 2. Absatzes).
Vor allem in den Südlich-der-Alpen-Ländern wird die EU vorwiegend als Melkkuh betrachtet. Man kann aus Brüssel bei geschicktem Vorgehen Geld herausholen und für nationale Vorhaben (z. B. unnötige Autobahnen) verballern oder am besten gleich in die eigene Tasche wirtschaften. In Portugal wurden einige Umgehungsstraßen bereits drei Mal aus Brüssel bezahlt und sind noch immer nicht gebaut.
In den gemeinsamen EU-Topf einzahlen will hingegen praktisch niemand (siehe auch das Brexit-Gefeilsche). Auch nicht die Katalanen.
Die Deutschen zahlen über Target-2 indirekt in den Gemeinschaftstopf ein, ohne vorher dazu befragt worden zu sein. Draghis Rettungsmätzchen sind ebenfalls nicht politisch legitimiert, obwohl D. bei dem absehbaren Scheitern der EZB-Politik der Hauptzahler bei der Schadensbegleichung sein wird. Im Wesentlichen zielt Draghis Politik darauf ab, die inzwischen untragbaren Staatsschulden der Südperipherie auf die "Gemeinschaft" abzuwälzen. Sein Sollinflation-Geschwätz ist nichts als pseudo-wirtschaftliche Progaganda. Denn es ist eine Erfindung der Nachkrisenzeit, dass Zentralbanken überhaupt Inflation erzeugen müssen. Eigentlich ist es ihre Hauptaufgabe, Inflation zu verhindern. Alles andere hat sie nicht zu interessieren.
Im Norden wird die europäische Idee propagandistisch hochgehalten, weil D. ökonomisch NOCH ein Nutznießer der fragilen Europa-Konstruktion ist. Der deutschen Exportwirtschaft hat die Schuldensause in den PIIGS seit 2003 viele Aufträge gebracht. Auch sind die seit Draghi herrschenden Nullzinsen, die für D. viel zu niedrig sind, der Wirtschaft wie auch Schäuble keinesfalls eine Dorn im Auge.
Doch das fragile Konstrukt lässt sich nur vor dem Kollaps bewahren, indem die EZB weiter Geld hinein pumpt. Ohne die EZB wären die PIIGS längst nicht mehr existenzfähig. So könnten z. B. Italien und Portugal überhaupt keine Staatsdefizite mehr machen, weil kein privater Investor, der noch halbwegs bei Sinnen ist, diesen pleitebedrohten Staaten noch Staatsanleihen abkaufen würde. Die Investoren würden zur Kompensation des enormen Ausfallrisikos zweistellige Renditen verlangen, die diese Länder zu zahlen außerstande wären.
Die von Brüssel und der EZB (sowie latent auch von Merkel) angestrebte Schuldenunion, die die PIIGS vor dem Kollaps retten würde, ist für D. langfristig nachteilig, weil dabei deutscher Wohlstand in die Peripherie abfließt. Das Elend der PIIGS wird dadurch nur flächendeckend auf Europa verteilt.
Die einzigen Profiteure der bisherigen Euro-Politik waren/sind die Ultrareichen, die sich an dem schuldenfinanzierten PIIGS-Aufschwung der letzten 15 Jahre eine goldene Nase verdient haben. Das sind freilich zugleich Leute, die ihre Vermögen bei einem sich abzeichnenden Eurozonen-Kollaps ohne mit der Wimper zu zucken in den US-Dollar umschichten, getreu der Devise: Nach uns die Sintflut. Es ist somit die mit Abstand unsolidarischste Minderheit der Deutschen - die gleichwohl (zum eigenen Mästen) Europa-Solidarität "von allen" einfordert.
Die restlichen 99 % , die Mittel- und die Unterschicht, werden den Spätfolgen dieser verfehlten Europa-Politik schonungslos ausgeliefert sein. Sie haben auf die EU- und EZB-Politik null Einfluss.
Immerhin zeichnet sich mit den Protestwahlen gegen Brüssel - so sehe ich die Entwicklungen in Österreich und Tschechien - nun ein Umdenken ab. Die Wähler haben keine Lust mehr, sich von korrupten Eurokraten für dumm verkaufen zu lassen. Ob der neue Oligarch (Poroschenko II.) in Tschechien allerdings eine wirkliche Alternative bzw. Garant einer wirklich besseren Zukunft ist, darf wie in der Ukraine bezweifelt werden. Er muss an seinen Taten gemessen werden. Im Prinzip droht auch in Österreich und Tschechien eine "Trump-Falle". Umgekehrt zeigen die Protestwahlen, wie tief das von Brüssel beförderte Seelen-Elend sein muss.
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