Kultur regionalLiteraturKinoKunst 30.03.2020, 18:38 Uhr zuletzt aktualisiert vor 16 Stunden Die schönsten Clips und Führungen In Corona-Zeiten gehen Museen mit ihrer Kunst ins Netz
Von Dr. Stefan Lüddemann, Veit-Mario Thiede 0 Kunst gibt es längst auch im Netz - wie hier ein Online-Angebot des LWL Museums für Kunst und Kultur in Münster. In Corona-Zeiten öffnen die digitalen Angebote die eigentlich verschlossenen Museumstüren. Foto: Jörn Martens Kunst gibt es längst auch im Netz - wie hier ein Online-Angebot des LWL Museums für Kunst und Kultur in Münster. In Corona-Zeiten öffnen die digitalen Angebote die eigentlich verschlossenen Museumstüren.
Osnabrück. In der Corona-Zeit sind die Museen zu. Im Netz geht ihr Betrieb aber weiter. Viele Häuser erfinden sich digital gerade neu – oder profitieren von ihren schon vorhandenen digitalen Angeboten. Was bieten Kunstmuseen hierzulande im Netz? Ein Streifzug.
Direktor allein zu Haus: Wie fühlt es sich an, als Museumsdirektor ganz allein zu Haus zu sein? Johan Holten flüstert und wispert in seiner Kunsthalle Mannheim, so als hätte er immer noch Sorge, andere Besucher zu stören. Aber in Corona-Zeiten ist da niemand. Und so erklärt Holten uns seine Lieblingsbilder und schaut dabei offensichtlich in die Kamera eines Smartphones. Das hat ebenso den Charme des Handgemachten wie seine Stimme fast ein wenig verschwörerisch klingt. Er wendet sich George Grosz’ Bildnis des Dichters Max Herrmann-Neiße zu und fühlt sich durch die schwächliche Gestalt des verwachsenen Mannes an die Corona-Risikogruppen von heute erinnert. Eine gewagte Assoziation? Egal. Holten sorgt für wohlige Wohnzimmer-Atmosphäre. Er holt den Besucher ins Haus, womöglich gerade den, der bislang noch nie einen Fuß in dieses Museum gesetzt hat.
Closed but Open: Geschlossen, aber doch offen: Mit dieser paradoxen Selbstauskunft arbeiten jetzt so gut wie alle Museen. Die Kunsthalle Bremen zieht den Spruch „Closed but Open“ groß über ihre Homepage. Die Corona-Krise hat auch hier erzwungen, dass fertige Ausstellungen nicht angeschaut werden können. Das Bremer Museum wartet mit einer pfiffigen Alternative auf. Die Museumsleute präsentieren die Ausstellung „Some of My Secrets“ mit Werken des Malers Norbert Schwontkowski als Raumkonstrukt, das virtuell betreten werden kann. Per Mausklick kann der Besucher nun die einzelnen Räume ansteuern, einzelne Bilder heranzoomen, per Kameraschwenk ganze Räume betrachten. Das ist lehrreich und unterhaltsam in einem. Fein!
Kunst auf die Ohren: „Ohrenschau“: Das klingt nach zwei Sinnen, die eigentlich nicht zusammengehören. Die Hamburger Kunsthalle bringt das Hören und das Sehen allerdings zusammen. Wer hier zuhört, kann die Kunst regelrecht sehen. Das Museum erläutert jeden Tag ein neues Kunstwerk per Podcast. Rund zwei Minuten lang erfährt der Zuhörer, was es mit dem Motiv des Sirupleckers auf sich hat, das der Niederländer Jan Stehen einst malte, oder was der Bildhauer Auguste Rodin mit seiner Bronze des Pierre de Wiessant ausdrücken wollte. Ob die Beiträge dieser Führung zum Hören alle neu sind? Womöglich nicht, denn die mit verschiedenen Sprechern eingesprochenen Texte klingen nach dem guten alten Audioguide, den es im Museum ohnehin gibt. Dennoch ein schönes Format – so gediegen gemacht, wie es die Hamburger Kunsthalle selbst auch ist. Unbedingt hörenswert.
Kultvideo aus Herne: Bestens aufgestellt in Corona-Zeiten präsentiert sich der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in Münster, zu dem auch das Archäologiemuseum in Herne gehört. Dort musste die Sonderausstellung „Pest!“ geschlossen werden. Doch nun heißt es „Pest auf Sendung“. Kurator Stefan Leenen stellt in seiner dreiteiligen digitalen Führung die medizinischen und kulturhistorischen Aspekte der Pest vor. Das Zeug zum Kult-Video hat der sympathische Auftritt der Kunsthistorikerin, die uns das 1578 gemalte Ölbild „Die Pest in der St.-Jakobs-Pfarre in Leiden“ erklärt. Sie steht vor dem wegen zu greller Ausleuchtung spiegelnden Großformat wie vor einer Wetterkarte, weist nach links und rechts, deutet nach oben und unten, um die dortigen Szenen zu kommentieren. Hervorragend auch das Angebot im LWL Museum für Kunst und Kultur in Münster. Etwas für Genießer ist das Digitorial zur gerade beendeten Ausstellung mit Werken William Turners. Das interaktive Format führt zu Bildern, bietet Erläuterungen – eine spannende Reise durch das Werk eines faszinierenden Malers.
Kunstgeschichte lernen: Wer Kunst im Netz sucht, wird immer wieder schnell beim Frankfurter Städel Museum fündig. Das Haus am Mainufer gehört zu den besten Adressen unter den deutschen Kunstmuseen und markiert bei der Digitalisierung der Angebote höchste Standards. Unter den vielen Angeboten des Städel sticht eines besonders hervor: Die Kunstgeschichte der Moderne zum selberlernen, ausführlich und völlig kostenlos. Dieses Angebot basiert auf herausragenden Werken aus der superben Sammlung des Frankfurter Hauses. Mit Sebastian Blomberg führt ein bekannter Theater- und Fernsehschauspieler unterhaltsam durch den Kurs, der in mehrere Module unterteilt ist. Hier lernt man profund und kurzweilig zugleich. Für lange Corona-Wochen daheim ist dieses Angebot nur zu empfehlen.
Kunstclip zur Quarantäne: Dramatisches kommt ausgerechnet aus Hannover, der vielleicht sachlichsten Landeshauptstadt Deutschlands. Das Sprengel-Museum versorgt die Besucher, die jetzt draußen bleiben müssen, mit dem Quarantäne-Clip. Ja, so heißt das Format, bei dem jeweils ein Kurator dem Zuschauer ein Kunstwerk der Sammlung erklärt. Stefan Gronert zum Beispiel wendet sich einer Serie blauer Bilder von Timm Ulrichs zu und hat, passend zum Motiv, gleich selbst einen blauen Pullover angezogen. Da er erkennbar mit dem eigenen Smartphone filmt, ruckelt und wackelt das Bild immer wieder. Das macht aber nichts. Der Quarantäne-Clip wirkt gerade deshalb authentisch, weil man dem Format anmerkt, wie sehr seine Macher improvisiert haben. Nur in einem Punkt improvisieren sie nicht: Die Kuratoren sprechen so, wie sie immer sprechen – als Fachleute, die am liebsten Fachvokabular benutzen.
Seelsorge per Kunst: So originell wie einnehmend ist die Idee von Ingolstadts Museum für Konkrete Kunst, eine telefonische Kunstseelsorge einzurichten. Immer montags können Anrufer von zehn bis zwölf Uhr mit Expertinnen des Museums über ein Kunstwerk der Sammlung plaudern. Um welches es jeweils geht, kann man vorher auf der Homepage des Museums erfahren. Dort stellt jeden Freitag eine der Mitarbeiterinnen in Bild und Text ein Werk vor, das ihr besonders am Herzen liegt. Direktorin Simone Schimpf erklärt; „Die Werke die wir vorstellen, geben Impulse für die eigene Lebenssituation.“
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