Heute ein Artikel auf welt-online plus. Da hinter der Bezahlschranke (Verlinkung also sinnlos), kopiere ich den hier komplett rein - Bilder und Grafiken innerhalb des Textes gehen dabei leider verloren - sorry.
Meine Anmerkung dazu: das ganze Finanzsystem kommt mir jeden Tag mehr vor wie ein Ertrinkender, der vollkommen unkontrolliert um sich schlägt, um noch irgendwie zu überleben. Früher oder später ...
Und noch eine Anmerkung zum US-Präsidenten und seine permanente verbale Einmischung in die Notenbankpolitik: Wenn ich Jerome Powell wäre würde ich ihm
1) öffentlich vehement widersprechen und ihn auffordern derartige Einmischungen zu unterlassen (Prinzip der Unabhängigkeit der Notenbanken - aber: wollen die Notenbanker das überhaupt noch??)
2) würde ich die Leitzinsen in US dort belassen wo sie jetzt sind - und eine verbale Ankündigung möglicher Zinserhöhungen!! in den Raum stellen. Aus Trotz gegenüber Mr. President- UND: Wenn andauernde Zinssenkungen schon seit Jahren wenig bis nichts bringen (ausser einer preislichen Aufblähung sämtlicher Vermögenswerte) - vielleicht bringt dann eine Ankündigung einer Zinserhöhung etwas. Nämlich Konsum oder Investition auf / mit Kredit JETZT und nicht damit zu warten. Ich halte letzteren Gedanken gar nicht für so abwegig...
Und hier der Artikel
Das Ende der Finanzwelt, wie wir sie kennen Stand: 12:27 Uhr | Lesedauer: 6 Minuten Von Anja Ettel, Holger Zschäpitz In wenigen Wochen wird mit Christine Lagarde erstmals eine Nicht-Ökonomin an der Spitze der Notenbank stehen In wenigen Wochen wird mit Christine Lagarde erstmals eine Nicht-Ökonomin an der Spitze der Notenbank stehen In wenigen Wochen wird mit Christine Lagarde erstmals eine Nicht-Ökonomin an der Spitze der Notenbank stehen Quelle: Infografik WELT Diese Woche trifft sich die globale Elite der Währungshüter. Das beherrschende Thema ist die Frage, wie sehr Nicht-Ökonomen an der Spitze der Notenbanken deren Unabhängigkeit bedrohen. Die Antwort darauf ist wegweisend für Sparer. 457 Notenbank-Konferenzen klingen nicht gerade nach Veranstaltungen mit hohem Spannungsfaktor. Das bevorstehende Treffen der globalen Währungselite im amerikanischen Jackson Hole in dieser Woche hat allerdings schon so manche historische geldpolitische Wende vorweggenommen. In diesem Jahr ist die Wahrscheinlichkeit für bahnbrechende Erkenntnisse sogar besonders groß, weil die Finanzwelt sich an einem entscheidenden Punkt befindet.
Die globale Konjunktur steht auf der Kippe, und das bisherige Instrumentarium der Notenbanker ist weitgehend ausgeschöpft. Neue Ideen sind daher gefragt. Gerade Sparer sollten auf der Hut sein. Zwar klingt die Agenda des Treffens, bei dem es um die „Herausforderung für die Geldpolitik“ gehen soll, recht harmlos. Doch dahinter könnte sich neues Ungemach verbergen.
Wie viel Brisanz in dem Thema steckt, zeigt allein ein Diskussionspapier von Blackrock, das der größte Anlageverwalter der Welt für die Konferenz in Jackson Hole vorgelegt hat. Darin rufen die vier Autoren – darunter drei ehemalige hochrangige Notenbanker – nichts anderes als ein Ende der Unabhängigkeit von Notenbanken, wie die Welt sie bisher kannte, aus.
Quelle: Infografik WELT Nachdem die Möglichkeiten der unkonventionellen Geldpolitik weitgehend ausgeschöpft sind und niedrige Zinsen auch nicht mehr helfen, um Wirtschaft und Preise nennenswert in Schwung zu bringen, soll demnach eine neue Form der Politik her: Und zwar indem die Währungshüter ohne Umweg private und öffentliche Investitionen mit der Notenpresse finanzieren.
Eine „beispiellose Kooperation“ nennen die Autoren ihren Vorschlag und fordern ein „going direct“, also ein direktes Eingreifen am Ort des Geschehens. Konkret schreiben sie: „‚Going direct‘ bedeutet, dass die Zentralbanken Wege finden, um das Zentralbankgeld öffentlichen und privaten Adressen zu überweisen.“
Das klingt wie eine Neuauflage des bereits bekannten Helikoptergeldes, bei dem die Notenbanken Geld quasi auf alle Haushalte herabregnen lassen. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied: Nicht jedem Bürger wird der Geldsegen von oben zuteilwerden, vielmehr sollen Notenbanken und Regierungen bei der großen Geldumverteilung gemeinsame Sache machen.
Die Grenzen zwischen Geld- und Fiskalpolitik, die in den vergangenen Jahren seit der Finanzkrise schon deutlich durchlässiger geworden sind, würden damit weiter verschwimmen.
Regierungen mischen sich vermehrt ein Bemerkenswert ist nicht nur der Vorschlag an sich, sondern auch, wer ihn verfasst hat. Neben der deutschen Blackrock-Chefökonomin Elga Bartsch sind das Stanley Fischer, einst Vizepräsident der US-Notenbank, der frühere Schweizer Notenbankchef Philipp Hildebrand sowie der ehemalige Vize der Bank of Canada, Jean Boivin. Damit schrecken offenkundig nicht einmal ehemalige Notenbanker davor zurück, die Unabhängigkeit der Währungsinstitutionen aufzuweichen, um die Welt vor dem Absturz in die Rezession zu bewahren.
Zwar wollen auch die Autoren der Studie die Unabhängigkeit der Zentralbanken nicht komplett preisgeben. Sie schlagen vor, eine Art Expertengremium einzurichten, das darüber wacht, wohin das Geld fließt.
Die in den vergangenen Jahren vollzogene Politisierung der Notenbanken würde sich in diesem Szenario allerdings noch beschleunigen. Wie sehr die einst eiserne Bastion bröckelt, lässt sich bei allen großen Notenbanken beobachten. Die Politisierung der Entscheidungsgremien nimmt zu. An den Schaltstellen finden sich immer häufiger Nicht-Ökonomen.
LESEN SIE AUCH EINKOMMENSANALYSE Sind Sie schon reich oder gehören Sie noch zur Mittelschicht? LESEN SIE AUCH Wer sein Geld einfach liegen lässt, kann zusehen, wie es immer weniger wird RENDITEN UNTER NULL So schützen Sie Ihr Geld vor Minuszinsen Gleichzeitig werden Regierungen übergriffiger und mischen sich verbal in das geldpolitische Geschehen ein. In den USA zeigt Präsident Donald Trump wenig Respekt vor dem Amt. Es vergeht kaum eine Woche, in der er den amtierenden Fed-Chef Jerome Powell nicht attackiert. Erst am Montag forderte er die Währungshüter auf, die Zinsen um mindestens einen Prozentpunkt zu senken.
Powell ist anders als seine beiden Vorgänger Ben Bernanke und Janet Yellen kein Ökonom. In Europa hat die Europäische Zentralbank (EZB) ebenfalls einen Wandel vollzogen. In wenigen Wochen wird mit Christine Lagarde erstmals eine Nicht-Ökonomin an der Spitze der Notenbank stehen. Lagarde war vor ihrer Karriere als Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) Finanzministerin in Frankreich. Im innersten Entscheidungszirkel der EZB, im sechsköpfigen Direktorium, werden dann künftig zwei und damit so viele Ex-Minister wie noch nie sitzen. EZB-Vize Luis de Guindos war ebenfalls Finanzminister. Gleichzeitig ist die Zahl der ausgebildeten Ökonomen ab November dann so niedrig wie nie. Gerade einmal jeder Zweite im Direktorium ist dann Wirtschaftswissenschaftler. Ende des Jahres endet die Amtszeit des Franzosen Benoît Coeuré. Je nachdem, wer ihm auf den Posten folgt, könnte die Zahl der Nicht-Ökonomen dann womöglich sogar noch steigen.
Quelle: Infografik WELT Auch im EZB-Rat, der die geldpolitischen Entscheidungen fällt, wird es künftig eine vergleichsweise hohe Dichte an Ex-Ministern geben. Neben Lagarde und De Guindos haben auch der Finne Olli Rehn, der Slowake Peter Kazimír und der Grieche Yannis Stournaras in ihrem früheren Berufsleben als Minister gewirkt.
Die schwindende Unabhängigkeit der Notenbanken ist das große Thema an den Finanzmärkten. Schließlich hat das auch Folgen für die Anlage- und Sparentscheidungen privater und institutioneller Investoren. Denn mit der Unabhängigkeit schwindet auch die Planbarkeit und Verlässlichkeit geldpolitischer Entscheidungen, weil die Notenbanken in einem solchen Umfeld zum Spielball politischer Interessen werden könnten. Wahlzyklen oder Arbeitsmarktzahlen könnten dann wichtiger werden als die Geldwertstabilität. Damit gäbe es mehr Volatilität und weniger Verlässlichkeit.
LESEN SIE AUCH Gold COINS and gold bars KRISENSCHUTZ „Ein Misstrauensvotum gegen die Notenbanken“ Bisher gibt es einen Vertrauensbonus an den Märkten. Sollte er schwinden, wären Turbulenzen wie in den Siebzigerjahren die Folge. Damals schwankten beispielsweise die Zinsen an den Anleihemärkten zwischen zehn und 16 Prozent. Niemand konnte damals langfristig Hypothekenkonditionen planen oder aber Aktienrenditen abschätzen.
Die Investmentbank Goldman Sachs hat dem brisanten Thema nun eine 26-seitige Analyse gewidmet. Darin kommen die Experten zu dem Schluss, dass die Unabhängigkeit der Notenbanken ein hohes Gut ist, das nicht leichtfertig preisgegeben werden sollte. „Wissenschaftliche Studien haben gezeigt: Wenn kurzfristig orientierte Politiker bei der Notenbank das Sagen haben, dann würde die Öffentlichkeit zu Recht eine lockere Geldpolitik mit höheren Löhnen und Preisen antizipieren, ohne dass das reale Wachstum wirklich steigen würde“, sagt David Choi, Ökonom bei Goldman Sachs. Dass überhaupt darüber debattiert wird, die Grenzen zwischen Geld- und Fiskalpolitik aufzuweichen, führt er darauf zurück, dass es seit der Finanzkrise keine Inflation in den großen Ökonomien mehr gegeben hat. „In der vergangenen Dekade war der Zusammenhang zwischen Unabhängigkeit und Inflation nicht mehr so eindeutig nachvollziehbar“, sagt Choi.
Quelle: Infografik WELT Goldman Sachs lässt in der Studie auch prominente Experten zu Wort kommen, etwa Paul Tucker, früherer Vizechef der Bank of England, oder Donald Kohn, ehemaliger Vize der Fed. Beide kommen zu einem eindeutigen Schluss: Die Politisierung der Notenbanken ist eine Gefahr. „Das Mandat der Notenbanken sollte darauf beschränkt bleiben, die Preisstabilität zu wahren. Je mehr Aufgaben die Institutionen bekommen, desto größer sind die Begehrlichkeiten oder sogar die Notwendigkeit, die Notenbanken durch die Hintertür zu repolitisieren“, sagt Tucker.
Der frühere US-Notenbanker Kohn hat ein weiteres Argument für Politikferne parat: „Es ist wichtig, die Geschicke der Geldpolitik in die Hände von Experten zu legen, die langfristige wirtschaftliche Ziele verfolgen können und nicht in kurzfristigen Wahlperioden denken müssen.“ In Jackson Hole werden die Notenbanker damit ab Donnerstag genug zu diskutieren haben.
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