Der Vorstand ist natürlich nicht Schuld an Covid und die Auswirkungen hieraus auf den Bijou-Konzern.
Allerdings hatte auf der Hauptversammlung insbesondere Roland Werner auf mich einen sehr negativen Eindruck gemacht. Zudem ist zu hören, dass er auch außerhalb seiner Tätigkeit bei Bijou keinen kompetenten Eindruck macht. Insofern teile ich die Kritik hier. Hier muss man aufpassen, dass Bijou nicht den Weg zahlreicher Familienunternehmen der zweiten Generation geht (siehe bspw. Gerry Weber).
Der Bijou Brigitte-Konzern hat auch sehr wohl Schulden: Sie manifestieren sich in den Leasingverbindlichkeiten für die langfristige Anmietung der Einzelhandelsgeschäfte. Zum HJ waren dies insgesamt üppige 118 Mio. Euro! Die Verträge haben bei Bijou in der Regel eine Laufzeit von zehn Jahren und sind in angespannten wirtschaftlichen Situationen von Einzelhändlern immer DAS entscheidende Kriterium, welches dem jeweiligen in Schieflage befindlichen Konzern dann das Genick bricht und in die Insolvenz führt. So gesehen bspw. bei Praktiker, Gerry Weber, Schlecker uvm.
Nun ist gerade dieser Sachverhalt aber bei Bijou ganz interessant: Bijou stagnierte umsatzseitig schon vor Corona über einige Jahre allerdings auch ohne dramatisch einzubrechen. Irgendwann ist dann vermutlich auch Roland Werner aus seinem Sohnemann-Tiefschlaf aufgewacht und hat festgestellt, dass die Kosten runter müssen. Während beim Rohertrag wenig geht und angesichts der angespannten Lage im Personalbeschaffungsbereich (die allgemeine jahrzehntelange Ausbeutung im Niedriglohnsektor kippt bekanntermaßen langsam und läßt andere Gesellschaftsschichten erkennen, wie wichtig diese Dienste sind), bleibt als maximal skalierbarer Hebel der Bereich der Marketing- und der Mietaufwendungen und im Letzterem hat Bijou in der Tat deutliche Fortschritte erzielt:
Die Mietaufwandsquote (im Verhältnis zum stagnierenden und dann ab 2020 stark schrumpfenden Umsatz) konnte in den letzten Jahren stabil gehalten werden. Das ist eine enorme Leistung. Dabei ist der Rückgang zum Umsatz zwar "nur" proportional, in Relation zur Filialanzahl jedoch überproportional. D.h. neben Filialschließungen konnten auch schrittweise bessere Konditionen erzielt werden, und zwar von rund 60 TEUR/Filliale (2016, 2017, 2018) auf nur noch 52 TEUR/Filiale. Schon PreCovid in 2019 waren es nur noch 54 TEUR. Im ersten HJ hat dieser Trend sich nochmals verstärkt. Sicherlich auch Covid-19-bedingt. Dieser Rückgang wird nach Covid-19 natürlich nicht anhalten, ggf. werden sich die Mieten je Filiale wieder erhöhen, da wahrscheinlich Mietnachlässe eine gewisse Rolle spielen aber der rückläufige Miettrend war schon vorher vorhanden und angesichts der zunehmend notleidenden Innenstädten mit stagnierenden oder sogar rückläufigen Mieten, dürften die höheren alten Werte der Vergangenheit angehören.
Wenn jetzt das Volk in die Filialen strömt (nach meinen Beobachtungen in München und Hamburg sind die Bijou-Filialen seit Juni gut besucht), bedeutet das einen ganz ordentlichen zusätzlichen Ertragshebel und eine deutliche Reduzierung der Mietqoute zum Umsatz.
Außerdem gibt es einen zweiten Nebeneffekt: Zählt man, wie ich, den langfristigen Teil der Mietschulden zu den zinstragenden Finanzverbindlichkeiten, entschuldet sich Bijou seit 2018 kontinuierlich: Damals betrugen die langfristigen Verbindlichkeiten zum 31.12.18 noch 127 Mio. Euro und zwar schon unter Berücksichtigung der Umstellung auf den neuen IFRS 16. Heute liegt dieser Betrag bei gleicher Rechnungslegung bei nur noch 82 Mio. Euro zum 30.6.21, wobei sich der Diskontierungssatz von 2018 bis 2021 verringert haben dürfte (habe ich jetzt nicht überprüft) und somit eigentlich einen erhöhenden Effekt haben müsste. Das Ausmaß des Erfolgs ist also zu einem gewissen Teil gar nicht sichtbar.
Die Frage ist jetzt natürlich, wie sich das maximale Umsatzpotential von Bijou entwickelt hat, nachdem man nun seit 31.12.2016 rund 13% der Filialen geschlossen hat. Das ist sicherlich etwas gesunken. Aber bei der Bewertung ist das ja erstmal zweitrangig. Wichtig wäre, dass die bestehenden Filialen jetzt einigermaßen laufen und das schient der Fall zu sein.
In meiner Einschätzung nach einer schwarzen Null im Nettoergebnis nach Steuern fühle ich mich nach den HJ-Zahlen bekräftigt. Man muss den Verlauf des Jahres 2022 abwarten aber das ist ja noch lange hin. Würde Bijou dann rund 288 Mio. Umsatz und rund 22 bis 23 EBIT hinlegen können, könnte das EV/EBIT inkl. langfristiger Leasingschulden bei rund fünf herauskommen.
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