Guten Morgen! Seit einigen Monaten habe ich jetzt die Entwicklung bei Arcandor verfolgt und - etwas zu früh - bei 0,53 € und dann noch einmal bei 0,42 € signifikant gekauft. Warum? Nach meiner Einschätzung betreiben Eick, Sal. Oppenheim und Madeleine Schickedanz ein vergleichsweise leicht durchschaubares Spiel, indem alle drei, deren jeweiliges Überleben von der Entwicklung des Kurses der Arcandor AG abhängt, Negativmeldungen entstehen lassen bzw. diesen nicht mit dem gebotenen Ernst entgegentreten. a) Wie mehrfach unwidersprochen kolportiert, soll die Arcandor AG "insolvent" sein; nach meiner Kenntnis hat der Vorstand lediglich einen Insolvenzantrag gestellt, im Übrigen nicht nach § 17 oder 18 InsO (also wegen Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit), sondern nach § 19 InsO, also lediglich wegen drohender Zahlungsunfähigkeit, also weil es möglich sein könnte, dass man in der Zukunft irgendwann einmal nicht mehr zahlen kann.
Würden tatsächlich die Verbindlichkeiten das Vermögen übersteigen. wäre dies erheblich leichter feststellbar gewesen und ein Antrag nach § 17 InsO schnell beschieden worden. Insbesondere deshalb dürfte sich die Prüfung des Antrages durch das Gericht mithilfe des vorläufigen Insolvenzverwalters - der i.d.R. gleichzeitig Gutachter für das Insolvenzgericht ist - so aufwändig gestalten. Folge: der Kurs sackt ab. b) Herr Piepenburg wird als großer Sanierer bestellt und wirft kurze Zeit später medienwirksam das Handtuch; der Kurs sackt ab. Entgegen der Erwartung jedes vernünftigen Kaufmanns tritt Sal. Oppenheim den negativen Aussagen von Herrn Piepenburg, die Bank wolle sich nicht engagieren, nicht unverzüglich zumindest mit beruhigenden, aber unverbindlichen Floskeln entgegen, sondern lässt seelenruhig mehr als 24 Stunden verstreichen, in denen der Kurs weiter sinkt. c) Da das offensichtlich noch nicht ausreichte, musste nun auch die bis dahin als medienscheu bekannte Madeleine Schickedanz "ran". Mit der Meldung, sie selbst sei "arm dran", wurden natürlich viele Kleinanleger verunsichert, die sich gedacht haben mögen: wenn es selbst der reichen Frau Schickedanz schon schlecht geht, was soll nur aus uns werden. Die Folge auch hier: ein weiteres Sinken des Kurses. Selbst wenn man davon ausginge, dass Frau Schickedanz selbst nicht medienerfahren oder lebensnah genug ist, um die Wirkung dieser Nachricht einzuschätzen, so wäre jedenfalls Ihr Ehemann dazu sicher in der Lage gewesen - oder auch nur die Haushaltshilfe. d) Bei Ansicht des Xetra-Orderbuchs zeigte sich in den letzten Wochen stets dasselbe Bild: Verkaufsorder mit 821, 43 oder auch mal 21322 Aktien und Kauforder bei Kursen um 0,38, 0,39 und 0,40 für 500.000, 1 Million oder mehr Stück. e) Dass man bewusst die Gespräche mit dem Wettbewerber Metro auf Eis legt - und auch die Angebote der mehr als finanzstarken REWE im Food-Bereich ins Leere laufen lässt - wirft ebenfalls Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Krise bei Arcandor auf. Wenn man an ein durchschnittliches Karstadthaus denkt, so haben wir ein viergeschossiges Gebäude in guter Lage, das wie folgt aufgeteilt ist: Lebensmittel, Bekleidung, Haushaltswaren etc. und Elektronik. Wenn man nun die Interessenten betrachtet, so kann die auf bedingungslose Expansion gerichtete REWE die Lebensmittebereiche übernehmen, die Bekleidungsabteilungen wären angebotsähnlich mit den Metro-Häusern und die Elektronik könnte im Wechsel von den beiden Metro-Töchtern Saturn und Media-Markt betrieben werden. Und für die Haushaltswarenetwage wird sich noch jemand finden lassen. Was wir dann haben, sind hübsche kleine Shoppingmalls in guten Lagen mit einem über Jahrzehnte gewachsenen Kundenstamm: kombiniert man das mit dem Multi-Channel-Ansatz von Roland Berger (also der Kombination mit dem Versandgeschäft bei Primondo), erscheint mir Karstadt gar nicht so unattraktiv. f) Ich habe daher den Eindruck, dass es den bisherigen Großaktionären vor allem darum geht, vor einer plötzlichen und wundersamen "Rettung" möglichst günstig ihre Anteile signifikant zu erhöhen und dann einen möglichst hohen Anteil an der auferstandenen Arcandor AG zu halten. Dem steht auch nicht entgegen, dass ohne Angabe von Gründen der Poolvertrag Schickedanz gekündigt worden ist; auch diese "Negativmeldung" verunsichert die Anleger weiter. Da der Poolvertrag nun aber gekündigt ist, gelten für die ehemaligen Poolmitglieder nur Ihre eigenen Pakete als Schwellenwerte für Pflichtmeldungen, sprich: jeder einzelne könnte nun "unauffällig" deutlich größere Anteile erwerben. g) Das Entgegen der ersten Erwartungen so nah vor einer Bundestagswahl die Regierungsparteien nicht für Sonderbeihilfen für Arcandor plädiert haben - was der alten Strategie der SPD (Holzmann, Steinkohle etc.) der SPD entspräche, die jeden Strohhalm braucht - spricht m.E. sehr dafür, dass auch die Bundesregierung dieses Spiel durchschaut hat. Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit diesem kleinen Gedankenspiel wäre ich den hier Mitdenkenden dankbar.
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