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Do, 25.September 2008 Amitelo: Wer trägt Schuld am Chaos?
Es war zu befürchten, dass die Anleger der Fall Amitelo noch länger begleiten wird. Wir berichteten: Das Unternehmen hat ohne Genehmigung der Aktionäre nach dem Börsenschluss am Freitag, 15. August einen Resplitt der Aktie im Verhältnis 100:1 in Windeseile durchgezogen. Eine Kapitalmaßnahme, die am Markt für reichlich Verwirrung sorgte und eine fast unglaubliche Kursachterbahn verursacht hat. Am 29. August schließlich wurde die Aktie vom Handel ausgesetzt. Das war aber nicht der Höhepunkt der Vorgänge, die wir schon vor Wochen als „unglaublich“ eingestuft haben und die aufgrund neuer Entwicklungen bei einer ganzen Reihe von Anlegern für reichlich Verärgerung sorgen und wohl noch für einige Rechtsstreitigkeiten verantwortlich sein werden.
Hintergrund der Ärgernisse ist die Rückbuchung sämtlicher Trades, die Anleger zwischen dem 18. August und der Aussetzung der Aktie am 29. August getätigt haben. Anleger, die in der Zeit Verluste eingefahren haben, freuen sich, denn die Verluste werden zurück gebucht – allerdings ist dies aufgrund der Kursentwicklung der Aktie nach dem Resplitt alles andere als der Löwenanteil der Börsianer. Doch an der Börse ist des einen Freud bekanntlich des anderen Leid. Und so ist auf vielen Foren, so auch bei World Of Investment (http://worldofinvestment.com/forum/A0F5YA/VO1/65-71264/), der Teufel los. Anleger beklagen sich massiv über die Rückabwicklung und den Verlust der damit einhergegangenen Gewinne.
Bei vielen Börsianern kommen noch weitere Probleme hinzu. Durch die Rückbuchung von Amitelo-Aktienverkäufen sind Konten mehr oder weniger tief ins Minus gerutscht, da die Verkäufer bereits über die Gelder verfügt haben, zum Beispiel für neue Aktienkäufe. Neben dem Verlust der Gewinne kommen in diesen Fällen noch weitere Aufwendungen auf den Anleger zu: Durch die Stornierung von Buchungen, die rund einen Monat zurück liegen, fallen gegebenenfalls saftige Überziehungszinsen an. Bei anderen wiederum verweigern die Banken die Auszahlung von Geldern, die aus Amitelo-Transaktionen stammen.
Kein Wunder, dass die Volksseele kocht, zumal das Chaos weiter groß ist. Viele Fehlinformationen werden weitergegeben – auch von Bankenseite. So berief man sich bei einer großen Direktbank zur Begründung der Rückbuchung unter anderem auf eine Weisung der BAFin. Die Behörde widerspricht dem: Eine solche Verfügung habe es seitens der BAFin nicht gegeben, wie eine Sprecherin der Behörde gegenüber World Of Investment betont. Zudem fehlt den meisten Anlegern völlig das Verständnis für die Rückbuchungen. An der Börse sei ein regulärer Handel erfolgt, zudem seien Aktien den Depots gutgeschrieben oder belastet worden und entsprechende Gegenbuchungen auf den Geldkonten erfolgt. Die Geschäfte seien abgeschlossen, die Angelegenheit damit erledigt, so die Ansicht vieler Anleger.
Ein Standpunkt, dem auch mancher Rechtsexperte beipflichtet. So bezweifelt Rechtsanwalt Bernd Jochem von der Kanzlei Rotter Rechtsanwälte, dass dieser Zugriff der Banken auf Depots und Konten der Anleger rechtmäßig sei. Dies sei aus seiner Sicht unzulässig, so Jochem, der betroffenen Anlegern empfiehlt, den Banken eben diesen Zugriff auf ihre Konten und Depots zu untersagen. Anleger sollten sämtliche Belege aufbewahren, die sich auf Buchungen rund um den Fall Amitelo beziehen, und rechtlichen Rat einholen.
Die Banken begründen ihre Rückbuchungen der Geschäfte mit einem Rundschreiben der Eurex Clearing, dem zentralen Clearingdienstleister der Frankfurter Wertpapierbörse sowie des XETRA-Systems. „Geschäfte, die ab dem 18. August 2008 abgeschlossen worden sind, können aufgrund von Unmöglichkeit nicht erfüllt werden.“, heißt es darin. Weiter steht dort: „Noch nicht erfüllte Geschäfte müssen daher nicht erfüllt werden.“ Auf Nachfrage bei der Deutschen Börse, zu deren Konzern Eurex Clearing indirekt zu rechnen ist, wird das Vorgehen der Banken bestätigt. Es seien nicht existente Aktien gehandelt worden, eine Erfüllung der Geschäfte daher unmöglich, sodass sämtliche Trades rückabgewickelt werden müssen.
Neben der Kritik am Vorgehen der Banken stoßen auch andere Punkte vielen Anlegern sauer auf. Wenig Verständnis wird unter anderem der Tatsache entgegen gebracht, dass die Börse trotz der schnell auftauchenden Ungereimtheiten rund um den Splitt den Handel erst elf Tage nach dem Splitttag aussetzte. Auf die nun vorgelegte Begründung für die Rückbuchung der Trades, dass dieser ohne Einverständnis der Amitelo-Aktionäre vorgenommen wurde, hätte die Börse aus Sicht vieler Börsianer wesentlich früher kommen können: Zum Zeitpunkt des Splitts hatte Amitelo erst zur außerordentlichen Generalversammlung in Zürich eingeladen. Diese sollte am 5. September, also deutlich nach Durchführung des Splitts stattfinden. Dort sollte der Splitt von den Anteilseigner abgesegnet werden – für jedermann auf der Homepage der Gesellschaft klar ersichtlich. Entsprechende Berichte über diese Ungereimtheiten tauchten auch schnell in der Presse auf. Warum die Aktie so spät ausgesetzt wurde, bleibt unklar.
Von Amitelo ist derweil seit der Veröffentlichung des Protokolls der außerordentlichen Generalversammlung vom 5. September nichts zu hören. Das soll aber nicht so bleiben. Vorstandschef Jan Malkus kündigt im Gespräch mit unserer Redaktion an, dass man in Kürze ein Statement zu den Ereignissen veröffentlichen wolle. Gleiches gilt für den noch ausstehenden Geschäftsbericht des Jahres 2007. Auch hier soll es bald neue Nachrichten geben. Der Splitt ist derweil nicht endgültig ad acta gelegt: Amitelo will zu einem späteren Zeitpunkt einen entsprechenden Beschluss der Aktionäre einholen und die Kapitalmaßnahme dann durchführen. Mit der Neuordnung des Eigenkapitals will Malkus raus aus dem Pennystockimage, die Seriosität verbessern. Noch ist allerdings unklar, wann dies passieren soll. Uns gegenüber betont Malkus erneut, dass die Verantwortung für die Ereignisse der vergangenen Wochen nicht bei Amitelo liege.
Derweil dauern die Ermittlungen der BAFin in Sachen Marktmanipulation weiter an, so eine Sprecherin der Behörde. Wann die Aktie wieder gehandelt werden kann, ist derzeit noch offen. WOI wird den Fall weiter verfolgen.
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