"Aus Gefälligkeit"
ARD-Tochter plant Privatfernsehen - mit einem bekannten Sozialdemokraten aus NRW von Gernot Facius
Die Idee klingt bestechend einfach: Die Hausfrau steht in ihrer modernen Küche, schaut in die "Röhre", die ein Monitor ist, und läßt sich via digitalen Fernsehkanal von einem professionellen Feinschmecker über gutes und gesundes Essen informieren - Verbrauchertips inklusive. Ein werbefinanzierter Koch- und Wellness-Sender mit dem prosaischen Namen Loft TV soll es bringen - vorausgesetzt die Medienaufsichtsbehörden verderben den Planern nicht den Brei.
Einer, der schon jetzt leichtes Bauchgrimmen verspürt, "obwohl alles seine Ordnung hat", ist Reinhard Grätz (65). Der Wuppertaler hält 500 Aktien der Firma Odeon Film, die dieses innovative Projekt anschieben will. Grätz, Intimus von Altbundespräsident Johannes Rau und bis vor fünf Jahren für die SPD im Düsseldorfer Landtag, ist kein x-beliebiger Geschäftsmann aus dem Bergischen Land, sondern ein Gremien-Multi: Seit fast 20 Jahren ist er Vorsitzender des mächtigen WDR-Rundfunkrates, seit fast zehn Jahren Aufsichtsratschef der ARD-eigenen Fernsehproduktionstochter Bavaria, die gerade wegen des Skandals um Schleichwerbung ("Marienhof") ins Gerede kam.
Und da beginnt die Sache pikant zu werden, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung. Denn die Odeon Film AG ist eine Tochter der Bavaria; die Bavaria hat auch den Odeon-Börsengang gemanagt. Droht hier, in der Person des früheren SPD-Politikers, eine unzulässige Vermischung öffentlich-rechtlicher und privatwirtschaftlicher Tätigkeiten? "Das sehe ich überhaupt nicht", sagt Reinhard Grätz. "Mit meiner WDR-Tätigkeit hat das überhaupt nichts zu tun." Er bestätigt aber konkrete Planungen für das "interessante digitale Spartenprogramm", das sich "ohne Streuverluste gezielt an sein Publikum" richten soll. "Alle rechtlichen Fragen sind gründlich geprüft worden, sonst wären wir nicht schon an die KEK (Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich) und die bayerische Landeszentrale für Neue Medien herangetreten." Der Zulassungsantrag für Loft TV wurde am 6. April eingereicht. Entscheidungen werden Ende Juli erwartet.
Und sein Engagement als Aufsichtsrat und Odeon-Aktionär seit 1999? "Höchst ehrenwert", meint Grätz. "Ganz unabhängig von WDR und Bavaria." Man habe damals jemanden mit profunden Kenntnissen der bundesweiten Medienszene gesucht, "und ich kenne mich da nun mal aus". Da er es "spannend" finde, an der "Entwicklung im Medienbereich" mitzuwirken, habe er sich an dem Unternehmen beteiligt und "aus Gefälligkeit" Aktien übernommen - für 15 000 Euro, "zu einem hohen Ausgabekurs". Nicht mitzumachen wäre "von der Optik her" schlecht gewesen. "Ich hätte zwar die Möglichkeit gehabt, das Mehrfache zu kaufen, aber ich wollte das nicht. Persönlich interessiert mich das Aktiengeschäft nicht", beteuert der ehemalige SPD-Politiker. Heute seien seine Papiere nach einem vorübergehenden tiefen Absturz wieder an die 7000 Euro wert. Den Verlust habe er als "Kollateralschaden" seines medienpolitischen Engagements hingenommen: "Vielleicht kann sich meine Tochter von dem Geld eines Tages einen Gebrauchtwagen kaufen."
Daß seine persönliche Aktiengeschichte auch in Kreisen der Öffentlich-Rechtlichen kopfschüttelnd registriert wird, zumal Bavaria-Chef Thilo Kleine seine 5400 Aktien inzwischen verkauft hat, kann Grätz offenbar verschmerzen. "Bedauerlich" findet er es allerdings, daß das Projekt Loft TV in die "politische Diskussion um Schleichwerbung" geraten ist - für die öffentlich-rechtliche Seite eine "ziemlich verkorkste" Situation. "Und es gibt Kräfte, die unser Projekt möchten und welche, die es nicht haben wollen", orakelt der Medienpolitiker von der Wupper. Zu den Sympathisanten des geplanten digitalen Hausfrauen-Fernsehens wird vor allem die bayerische Landesregierung gezählt. Sie betreibt gern aktive Medien-Standortpolitik. Die aus einer Gruppe von Filmproduzenten hervorgegangene Odeon Film AG hat bisher an außerbayerischen Standorten produziert. Und das könnte sich im Falle einer Zulassung des neuen Spartenprogramms ändern. Die große offene Frage ist momentan: Wird die Landeszentrale für Neue Medien dem Grätz-Projekt ihre Zustimmung geben? Deren Präsident, Wolf-Dieter Ring, hat offenbar Vorbehalte.
Artikel erschienen am Fr, 24. Juni 2005 in "Die Welt"
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