4. Der Optionsscheinpreis Die Berechnung von Optionsscheinpreisen ist eine mathematisch durchaus anspruchsvolle Aufgabe. Fischer Black und Myron Scholes entwickelten gemeinsam 1973 die Black-Scholes-Formel zur Preisberechnung von Optionsscheinen. Parallel zu Black und Scholes erarbeitete aber auch Robert Merton die gleiche Formel. 1997 erhielten Scholes und Merton dafür den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften, Myron Black war zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben. Die Black-Scholes-Formel ist über die Jahre immer weiter entwickelt worden, findet aber im wesentlichen immer noch ihre Anwendung. Ein Modifizierung war aber allein deshalb schon notwendig, da die Black-Scholes-Formel lediglich für Optionen europäischen Typs gedacht ist. Die überwiegende Mehrheit der am Markt erhältlichen Produkte ist jedoch amerikanischen Typs. Die wenigsten Anleger haben in ihrem Leben jemals mit der Black-Scholes-Formel gearbeitet und Gott sei Dank ist das auch nicht erforderlich, wenn in Optionsscheine investiert werden soll. Wichtiger für den Anleger ist es, die sich aus der Optionsscheinpreisformel ergebenden Konsequenzen für die Wertentwicklung eines Optionsscheins einschätzen zu können. Eine große Hilfe sind dabei Optionsschein-Kennzahlen. Dabei werden dynamische, teilweise auch als „Große Griechen“ bezeichnete, sowie statische Kennzahlen unterschieden. Einige dieser Kennzahlen werden im folgenden erläutert, dazu müssen jedoch vorab einige Bestandteile und Einflussfaktoren des Optionsscheinpreises geklärt werden. Innerer Wert und Zeitwert Grundsätzlich setzt sich der Wert eines Optionsscheins aus zwei Teilen zusammen. Zum einen dem „Inneren Wert“ und zum zweiten dem „Zeitwert“. Der Innere Wert entspricht dem Betrag, den der Anleger bei sofortiger Ausübung seines Optionsrechts erhalten würde. Bei einem Call ist diese die Differenz aus dem aktuellen Kurs des Basiswerts und dem Basispreis des Kaufoptionsscheins. Bei einem Put sieht es dagegen genau umgekehrt aus. Hier ist der Innere Wert stets die Differenz aus dem Basispreis und dem aktuellen Kurs des Basiswerts. Der Innere Wert eines Optionsscheins kann positiv oder gleich Null sein, aber niemals negativ. Am Laufzeitende eines Optionsscheins besteht sein Wert lediglich aus Innerem Wert, oder er ist wertlos. Beispiel (Call): Ein Kaufoptionsschein (Call) auf die Muster-AG mit einem Bezugsverhältnis von 1:1 hat einen Basispreis von 100 Euro. Der aktuelle Kurs der Muster-AG liegt bei 105 Euro. Der Innere Wert ergibt sich somit bei 5 Euro (105 Euro – 100 Euro). Beispiel (Put) Ein Verkaufsoptionsschein (Put) auf die Muster-AG mit einem Bezugsverhältnis von 1:1 hat einen Basispreis von 100 Euro. Der aktuelle Kurs der Muster-AG liegt bei 95 Euro. Der Innere Wert ergibt sich somit bei 5 Euro (100 Euro – 95 Euro). Der andere Teil des Optionsscheinpreises – der Zeitwert – hängt von verschiedenen Einflussfaktoren ab. Dabei spielt die Restlaufzeit eine wichtige Rolle. Der Zeitwert ist um so höher, je länger die verbleibende Restlaufzeit des Optionsscheins ist. Den je länger die Restlaufzeit, desto größer ist zunächst einmal die Wahrscheinlichkeit, dass ein Optionsschein am Ende seiner Laufzeit einen Inneren Wert verbrieft. Entsprechend baut sich der Zeitwert über die Restlaufzeit ab. Dieser Zeitwertabbau läuft dabei überproportional. Das heißt, je stärker sich die Restlaufzeit verkürzt, desto größer ist der Zeitwertverlust. Als Faustregel lässt sich sagen, dass ein Optionsschein innerhalb der ersten Hälfte seiner Laufzeit rund ein Drittel an Zeitwert verliert und in der zweiten Hälfte zwei Drittel. Der Zeitwert wird aber noch von weiteren Einflussfaktoren bestimmt. Dazu zählt die Schwankungsintensität des Basiswertes (Volatilität), aber auch Zinsen und Dividendenerwartungen spielen bei der Berechnung des Zeitwerts eine Rolle. Die Volatilität Den größten Einfluss auf den Zeitwert einer Option hat die Volatilität. Die Volatilität ist gleichfalls die Größe, die am schwierigsten einzuschätzen ist, wenn ein Anleger einen Optionsschein erwirbt. Grundsätzlich ist die Volatilität ein Maß für die Schwankungsintensität eines Basiswerts. Je höher die Volatilität, desto stärker sind die Auf- und Abbewegungen des Basiswerts. Je höher die Volatilität, desto höher ist aber auch gleichzeitig die Prämie (Preis) eines Optionsscheins. Denn je stärker eine Aktie schwankt, desto wahrscheinlicher werden weiter entfernte Kurse und damit höhere Auszahlungen an den Optionsscheinbesitzer. Wie stark ein Basiswert in der Vergangenheit geschwankt hat, lässt sich problemlos berechnen. Für den Wert eines Optionsschein spielt aber weniger diese historische Volatilität eine Rolle, sondern viel mehr die für die Zukunft erwartete Schwankungsintensität, die sogenannte implizite Volatilität. Diese hängt in aller letzter Konsequenz von der Erwartung des jeweiligen Emittenten ab, so dass es hier leichte Unterschiede geben kann. Bei Optionsscheinen, die gleiche Laufzeiten und gleiche Basispreise haben, kann somit derjenige mit der höheren Volatilität als der teurere angesehen werden. Mathematisch ist die Volatilität, zumindest die historische, die Standardabweichung der Kursbewegungen der Vergangenheit um ihren Mittelwert. Dabei können die Zeiträume sowohl kurz-, mittel- oder langfristig sein. Die Volatilitäten einzelner Basiswert sind unterschiedlich und müssen im einzelnen betrachtet werden. So haben beispielsweise Technologiewerte in aller Regel eine höhere Volatilität als etwa Maschinenbauer. Als Orientierungsgröße für eine allgemeine Einschätzung der Volatilitätsentwicklung kann allerdings der V-Dax herangezogen werden. Der V-Dax spiegelt die implizite (erwartete) Volatilität am Geld liegender Dax-Optionen mit 45 Tagen Restlaufzeit wider. Im langfristigen Durchschnitt bewegte sich der V-Dax etwa um 25 Punkte. Ein niedriger V-Dax lässt allgemein auf ein niedriges Volatilitätsniveau bei den Einzelwerten schließen und umgekehrt. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass es hier auch Ausnahmen von diesem allgemeinen Volatilitätstrend geben kann. Dividendenerwartungen und Zinsen Ein Teil des Zeitwerts eines Optionsscheins besteht aus Finanzierungskosten. Relevant für die insgesamt weniger bedeutenden Finanzierungskosten sind das allgemeine Zinsniveau und bei Optionsscheinen auf Einzelaktien zudem die Dividendenerwartungen. Ein Emittent, der einem Anleger einen Kaufoptionsschein verkauft und damit die Verpflichtung eingeht gegebenenfalls den Basiswert liefern zu müssen, werden finanzielle Mittel entzogen, um den jeweiligen Basiswert vorzuhalten. Dafür zahlt der Käufer des Calls dem Emittenten mit dem Zeitwert, den jeweiligen Zinsverlust für diesen Betrag. Denn hätte der Emittent den Call nicht verkauft, hätte er diesen Betrag anderweitig zinsbringend anlegen können. Andererseits fließen dem Emittenten, der einem Anleger einen Call auf eine Einzelaktie verkauft hat, Dividenden aus diesem Basiswert zu, den er wie beschrieben vorhalten sollte. Diese Dividenden verbilligen die Finanzierungskosten wiederum. Je höher also das Zinsniveau, desto teurer wird ein Kaufoptionsschein und umgekehrt. Je je höher aber auch die Erwartungen für künftige Dividendenzahlungen sind, desto stärker sinken die Finanzierungskosten eines Kaufoptionsscheins. Bei einem Put sieht es genau andersherum aus. Hier muss der Emittent, der einem Anleger den Verkaufsoptionsschein verkauft hat Bargeld zurücklegen, um gegebenenfalls den jeweiligen Basiswert des Anlegers abnehmen zu können. Aus diesen liquide gehaltenen Mitteln erhält der Emittent Zinseinnahmen, wodurch die Finanzierungskosten sinken. Je höher dabei die Zinsen, desto mehr verbilligt sich dadurch der Put. Dagegen muss sich der Käufer eines Puts die Dividenden, die er aus dem Besitz des jeweiligen Basiswerts erhält, auf die Finanzierungskosten des Puts anrechnen lassen. Je höher also die künftig erwarteten Dividenden sind, desto höher wird der Finanzierungskostenanteil im Verkaufsoptionsschein. ----------- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - Charttechniker wissen nicht ob sie mit Äpfeln, Birnen oder Zitronen handeln, weil Fundamentalanalyse über ihren Horizont geht, aber der getrübte Blick auf den Depotstand zeigt die Realität. copyright by hardyman - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
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