26.04.2002 http://www.intrinet.net
"Einige der schwärzesten Stunden"
Über lancierte Gerüchte der Konkurrenz und das Dementi einer Übernahme - Günter Thiel im TV -Interview
GREVENMACHER. Durchatmen für Thiel Logistik nach einem harten Wochenstart: Der Aktienkurs hatte 40 Prozent verloren, nachdem bekannt worden war, dass sich US-Fonds von ihren Thiel-Anteilen trennen wollten. Im TV -Gespräch bezieht Vorstandschef Günter Thiel Stellung zu Übernahme-Gerüchten, einem Ausstieg aus dem Nemax und dem Vorwurf, Probleme mit übernommenen Unternehmen wie Birkart zu haben.
Am Montag war große Aufregung bei Thiel. Was ist das für ein Gefühl, wenn das eigene Unternehmen innerhalb weniger Stunden 40 Prozent seines Börsenwertes verliert? Thiel: Das war ein Abschlachten im wahrsten Sinne des Wortes. Ich muss ehrlich sagen, das war ein beschissenes Gefühl die schwärzesten Stunden in unserer jungen Firmengeschichte. Die Gründe dafür sind für uns nicht nachvollziehbar. Zwischenzeitlich wissen wir aber, dass vor allem aus dem anglo-amerikanischen Bereich ein Verkauf und eine Verabschiedung aus dem Neuen Markt stattfinden. Das hat natürlich dramatische Auswirkungen. Elf Millionen Thiel-Aktien wurden am Montag gehandelt, im ganzen Dax dagegen nur 80 Millionen Aktien. Das zeigt die Volumina, die bewegt wurden.
Sind Sie noch glücklich, dass Sie am Neuen Markt notiert sind, oder wäre ein anderes Börsensegment der solidere Boden?
Thiel: Im Moment muss ich rückwärts betrachtet sagen: Der Neue Markt war ein voller Erfolg auch für Thiel, der uns Image gebracht hat. Doch derzeit muss man viele Fragezeichen machen. Das ist auch eine persönliche Sache. Ich sage, es ist besser Neider als Gönner zu haben. Doch der Sell Out (Anm. d. Red.: panikartige Verkäufe an der Börse mit Kursstürzen) aufgrund der übelsten und abstrusesten Gerüchte kam von institutionellen Anlegern, den Profis. Bei denen kann ich nicht akzeptieren, wie die auf solche Gerüchte reagieren. Dennoch hat der Neue Markt seine Bedeutung. Er ist ganz wichtig für die Wirtschaft in Deutschland. Ob er eine Überlebenschance hat, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Wir befassen uns natürlich damit, in wenigen Jahren in einem anderen Segment zu sein. Das kann kein deutscher Dax-Wert sein, weil wir ein luxemburgisches Unternehmen sind, aber es gibt Alternativen, ein Listing in Luxemburg mit Präsenz im Nasdaq oder Eurostoxx.
Es gab zwar einen Sell out. Doch andererseits werden Sie von der Mehrzahl der Analysten gelobt und auf "Halten" oder "Kaufen" gestuft. Wie erklärt man diese Diskrepanz dem kleinen Anleger?
Thiel: Das ist schwer zu erklären, weil die Analysten umfassender informiert sind als der Kleinanleger. Der Kleinanleger wäre zu verpflichten, sich zwei oder drei Reports von Analysten durchzulesen. Wenn alle nur "kaufen" sagen würden, müsste man darüber nachdenken. Man hat ja nicht nur Freunde. Andererseits haben gerade Analysten Thiel in den letzten Tagen hochgestuft. Es gibt in den nächsten Tagen eine weitere Hochstufung einer großen deutschen Bank, die für uns richtungweisend ist. Bei Thiel hat sich fundamental nichts Negatives getan.
Sie haben sich innerhalb weniger Jahre zu einem bedeutenden Teilnehmer am Neuen Markt entwickelt. Können Sie sich vorstellen, dass solche Gerüchte um die Thiel-Tochter Birkart Globistics zielgesteuert werden?
Thiel: Ich möchte mich an der Schlammschlacht am liebsten nicht beteiligen. Doch Sie treffen wahrscheinlich den Nagel auf den Kopf. Denn wir stehen natürlich bei großen Outsourcing-Projekten, wo jedes über 100 Millionen Euro Umsatz im Jahr macht, im Wettbewerb. Und die Wettbewerber stärken ihre Position deutlich, wenn Thiel ein negatives Image hat.
Vor einiger Zeit haben Sie heftig dementiert, dass Thiel Logistik Interesse an D-Logistics hätte. Haben Sie weiter kein Interesse?
Thiel : Absolut kein Interesse. Wir haben nicht mal eine Sekunde darüber nachgedacht. D-Logistics hat aggressiv aquiriert, was den Preis anbelangt und die Unternehmen bislang nicht integrieren können. Da haben wir eine andere Integrationspolitik. Wir würden in ein Desaster steuern, wenn wir jetzt versuchen würden, den Unternehmen, die bislang nach rechts marschiert sind, die Marschrichtung ändern würden.
Wenn man D-Logistics und Thiel Logistik vergleicht und die Geschichte von Montag gezielt gestreut wurde: Will jemand Thiel übernehmen?
Thiel: Das wird natürlich ganz schwer der Fall sein. Das Unternehmen ist nur die Hälfte wert ohne das Management, und im gesamten Management sind eingefleischte Thiel-Fans. Wir sind auf einem so guten profitablen und erfolgreichen Weg, dass wir uns nicht vorstellen können, uns zum jetzigen Zeitpunkt in einer anderen Unternehmung wohl zu fühlen. Ich glaube fest an den Erfolg der Thiel Logistik.
Analysten schätzen den Wert der Thiel-Aktie bei 28 Euro ein, derzeit steht sie zwischen zehn und elf Euro. Wo sehen Sie in diesem Jahr einen fairen Wert?
Thiel: Wir haben engen Kontakt zu 32 Analysten. Wir orientieren uns auch daran, wie die uns sehen. Und die Mehrzahl sieht uns derzeit bei 25,20 Euro. Da würden wir uns sicher wohl fühlen. Ob die Verfassung des Kapitalmarkts das allerdings kurzfristig hergibt, da hab' ich meine Zweifel.
Ein Blick in die Zukunft: Es ist der 1. Januar 2003. Wo steht Thiel Logistik, wenn alle Wünsche in Erfüllung gehen?
Thiel: Wir stehen da als Nummer eins oder Nummer zwei an Profitabilität im Neuen Markt, was ja schon für 2001 galt. Wir haben eine Erholung des Neuen Marktes. Er hat sich bereinigt. Wir werden unseren Teil dazu beitragen, durch offene Kommunikation und eine qualitativ gute Arbeit. Wir sind davon überzeugt, dann kann die Thiel-Aktie neue Höhepunkte sehen. Was sich in den letzten 14 Tagen abgespielt hat, hat sehr wenig bis gar nichts mit dem Unternehmen Thiel zu tun. Das Gespräch führten unsere Redakteure Heribert Waschbüsch und Sabine Schwadorf.
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