Stuttgart 21: VfB unterirdisch
Stuttgarts Hauptbahnhof soll erst noch unter die Erde, der VfB ist bereits in der untersten Etage der Bundesliga angekommen. Nach dem schwachen 1:4 im heimischen Stadion gegen Leverkusen ist die Mannschaft, die eine Woche zuvor noch mit 7:0 gegen Borussia Mönchengladbach triumphierte, Tabellenletzter.
Die Leistung des Bundesligisten passt zum Stuttgarter Gesamtbild in diesen Tagen. Negativ-Schlagzeilen wegen des umstrittenen Bahnhof-Projekts fügen sich in diese unrunde Performance ebenso nahtlos ein wie eine Panne im Rahmenprogramm, von der uns die ‚Stuttgarter Nachrichten’ Kunde tun: „Pünktlich zum Herbstbeginn hat sich neben dem Wetter auch das gastronomische Angebot im Presseraum der Mercedes-Benz-Arena verändert. Statt garnierter Wurstbrote gab es in der Halbzeit eine wärmende Gulaschsuppe, was grundsätzlich eine sehr gut gemeinte Idee gewesen ist. Doch stellte sich dabei ein fast unlösbares Problem: zur Suppe wurden Gabeln gereicht“, berichtet Mario Schumacher. Der Parallelen zum Spiel entdeckte: „ Und so waren die Beobachter beim Verzehr ihres Pausenimbisses so hilflos wie die VfB-Spieler im Duell mit Bayer Leverkusen. Eine erschütternde, phasenweise mitleiderregende Leistung boten die Stuttgarter beim 1:4 gegen den Gast aus dem Rheinland“.
Ebenfalls kein gutes Haar am VfB lässt die ‚Bild am Sonntag’, die gleich sechs Stuttgarter Spielern die Note ‚6’ verpasst. „Fünf Niederlagen in sechs Spielen - der VfB ist Letzter! Erste Halbzeit kein Torschuss, erst nach 68 Minuten die erste Ecke - diese Leistung war das Letzte“, so das große Sonntags-Blatt. Ernüchterndes Fazit: „Sie hätten auch doppelt so hoch verlieren können.“
Gar einen „Klassenunterschied“ attestiert die ‚Frankfurter Allgemeine Zeitung’. „Bayer Leverkusen lässt dem erschreckend schwachen VfB beim 4:1 keine Chance“, so Oliver Trust. Sein Fazit: Leverkusen hatte „weniger Mühe als erwartet, was am geordneten und schnellen Kurzpassspiel der Leverkusener lag, aber auch an der weiterhin erschreckend schwachen Form der Stuttgarter, die bei nur einem Saisonsieg tiefer in die Krise schlitterten.“
Die ‚Deutsche Presse-Agentur' (dpa) hält fest: „Leverkusen schießt VfB auf letzten Platz zurück“ und wundert sich darüber, wie stoisch der gemeine Schwabe an sich dies zur Kenntnis nimmt: „Keine Pfiffe, keine Proteste, keine Aufmunterung - nach dem 1:4 (0:2) gegen Bayer Leverkusen herrschte bei den Fans des VfB Stuttgart nur noch tiefe und vor allem stille Ernüchterung. Der VfB ist nach einer spielerisch ganz schwachen Leistung auf den letzten Tabellenplatz der Fußball-Bundesliga zurückgefallen - und das nur eine Woche nach dem 7:0 gegen Mönchengladbach.“ Eigentlich nichts Neues, weiß die Agentur: „Der VfB wiederholte etwas, das ihm aus den letzten Jahren bekannt vorkommt: einen kapitalen Fehlstart in eine Saison.“
Auch wenn es in der jüngeren Vergangenheit nach ähnlichen Anlaufschwierigkeiten am Ende glimpflich für die Stuttgarter ausging, warnt das Fachmagazin ‚Kicker’ mit einem geschichtlichen Vergleich: „So etwas gab es nur einmal: 1974//75 setzte es für den VfB in den ersten sechs Spielen Partien fünf Niederlagen und einen Sieg - gekrönt mit dem Abstieg.“ Das sind „nicht gerade prickelnde Aussichten“.
Während die Stuttgarter am Tabellenende ihre Wunden lecken, zieht am entgegengesetzten Ende weiter der ungeschlagene Spitzenreiter seine Kreise. Was sicher auch deshalb so breite mediale Beachtung erfährt, weil der aktuelle Sieg beim Deutschen Meister in München eingefahren wurde. „Mega-Mainz - schon der sechste Sieg der 'Bruchweg-Boys'“, gratuliert die ‚Bild’-Zeitung. Die ‚Rheinische Post’ meint hierzu: „Mainzer Märchen geht auch in München weiter.“ Und der ‚Kicker’ schreibt auf seinen Titel „Karneval auf dem Oktoberfest“.
Wo wir beim Thema Karneval sind, darf ein Witz nicht fehlen, der derzeit in München ob der schwachen Leistungen insbesondere der Bayern und insbesondere ihres Sturms die Runde macht: „Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie. Welche wollen Sie zuerst hören?", fragt der Richter den Angeklagten. "Die schlechte", antwortet der. "Sie sind zum Tod durch Erschießen verurteilt." - "Und was soll da noch die gute Nachricht sein?" - "Mario Gomez schießt." Gefällt mir, was Christoph Biermann in seinen Online-Beitrag beim Nachrichtenmagazin ‚Der Spiegel’ da überliefert.
Zurück zur Sache. Die ‚Süddeutsche Zeitung’ (SZ) lobt für den Überraschungscoup den Übungsleiter des Tabellenführers: „Das 2:1 der Mainzer in München war auch der Sieg einer Spielidee des Trainers Thomas Tuchel. Sein Gegenpart Louis van Gaal spürt, dass ihm für sein Konzept derzeit die Mannschaft fehlt“, so Maik Rosner.
Der ‚Kicker’ hat bemerkt, dass die Rheinländer für den Holländer auf der Bayern-Bank ein wahrer Angstgegner sind: „Zweite Pleite gegen Mainz - gegen keinen anderen Klub verlor van Gaal so oft.“
Der ‚Sportinformationsdienst' weist auf die Größenunterschiede hin: „Der kleine FSV Mainz 05 hat den großen FC Bayern München in die Krise gestürzt“, so die Agentur. „Der deutsche Meister unterlag im Topspiel dem Überraschungs-Tabellenführer und geht ganz schweren Zeiten entgegen. Die Mannschaft von Trainer Louis van Gaal hat nach sechs Spielen nun bereits zehn Zähler Rückstand auf Mainz, das mit nunmehr sechs Siegen in Folge sogar den Startrekord der Münchner aus der Saison 1995/96 jagt.“
Sieben Siege gelangen den Münchnern seinerzeit am Stück, ehe sie am ersten Oktober-Sonntag 1995 die erste Niederlage kassierten. Damals übrigens im Dortmunder Westfalenstadion, wo sie am kommenden Sonntag gastieren. Nicht nur BVB-Fans würden sich freuen, wenn die Bayern auch im Jahre 2010 die Heimreise ohne Punkte antreten würden…
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