Die Erwartungen an den Chartverlauf von Pfizer nach dem Absturz (Posting 492) haben sich bislang nicht bestätigt. Typischerweise fallen Aktien nach solchem Gap-Down um 15 % nach kurzer technischer Aufwärtskorrektur weiter, wie Füx das in seiner Grafik veranschaulicht hat. Pfizer hingegen läuft seitdem fast schnurgerade wie an der Schnur gezogen zwischen 21 und 21,25 USD (siehe Chart unten). Grund ist meines Erachtens Pfizers Rückkauf-Aktion: Bis Ende des Jahres sollen 1,4 Mrd. USD für Aktienrückkäufe ausgegeben werden. Sinnvollerweise geschieht dies, wie jetzt, am vermuteten Tief (de facto: 8-Jahres-Tief).
Praktisch sieht das so aus. Die Pfizer-Geschäftsführung beauftragt einen Broker, zum Beispiel Goldman Sachs, damit, konditional Pfizer-Aktien zu kaufen, wenn der Kurs unter 21,05 fällt. GS erhält dafür eine Kriegskasse mit 1,4 Mrd. Dollar. Versuchen nun Short-Seller (Hedgefonds) ihre beliebte Strategie, das "Bid komplett wegzuhauen", um den Kurs in immer tiefere Regionen zu treiben, so kommen sie damit nicht weiter. Denn es gibt auf der anderen Seite jemanden - in diesem Fall Pfizers Broker - , der das Bid immer wieder neu auffüllt. Folge: Der Kurs hält sich in einer engen Spanne. Das "Plunge Protection Team" (PPT) stabilisiert ihn. (Es gibt gerüchteweise seit dem Crash von 1987 ein im US-Staatsauftrag handelndes PPT, das solche Abstürze der US-Indizes in Zukunft vermeiden soll).
Diese Rückkaufaktion ist zugegeben ein Sonderfall. Normalerweise haben Firmen, deren Aktien um 15 % einbrechen, irgendwelche gravierenden finanziellen Probleme. Besonders schlimm ist die Lage, wenn sie dazu noch hoch verschuldet sind (wie z. B. General Motors), weil dann eben KEIN Geld für Rückkäufe zur Verfügung steht. Dann - und nur dann - ergibt sich der typische, in P. 492 erwartete Chart.
Wenn jedoch PPT-Stützungskäufe stattfinden, greifen die üblichen Erwartungen der Charttechnik nicht. (Sie lassen sich mit Charttechnik ebensowenig vorhersagen wie der Ausgang des Lipitor-Prozesses.) Letztlich kann Pfizers Broker den Kurs mit den "Stützungs-Milliarden" beliebig manipulieren - auch nach oben, indem er (in umgekehrter Strategie der Hedgefonds) ständig das "Ask komplett weghaut" und damit einen Short-Squeeze schürt. Daran scheint PFE vor dem Lipitor-Urteil aber nicht gelegen zu sein. Wenn die Aktie nahe dem 8-Jahres-Tief mäandert, drückt das effektiver auf etwaige Tränendrüsen der Gerichtsbarkeit.
Ich bleibe bei meiner These: Pfizer hat sich in diesem Quartal bewusst armselig dargestellt. Dazu passt, dass CEO McKinnell Fragesteller auf dem Conference Call Fragesteller geradezu planmäßig frustriert hat (u. a. mit gesenkter Guidance) und die "Katastrophe" (angebliche Gewinnhalbierung, in Wahrheit nur Bilanzierung von Firmenkäufen im 3. Quartal) in keinster Weise beschönigt hat. Im Gegenteil hat McKinnell die Fragesteller bzw. die Öffentlichkeit - ein Schelm ist, wer Böses dabei denkt - bewusst in die Irre geführt, indem er den Gewinnrückgang mit Verkaufsrückgängen aufgrund von generischer Konkurrenz begründete. Zwar wird es tatsächlich im 4. Quartal Patentabläufe (Neurotonin) geben. Im 3. Quartal aber ging der Umsatz (über alle Produkte) nur um 4 % zurück (von 12,8 auf 12,3 Mrd.). Das KANN logischerweise nicht die Ursache für 50 % Gewinnminderung (22 cents nach 44 im Vorjahr) gewesen sein. Der Kurs hat auf diese "Hiobsbotschaft" jedoch mit dem jüngsten Einbruch reagiert. Die Lemminge haben geschmissen. Entsprechend hoch ist das Erholungspotenzial - wenn PFE nicht im 4. Quartal WIEDER eine Firma aufkauft und dies sofort vom Gewinn abzieht.
AUSBLICK
Ungeachtet dessen sind US-Pharmaaktien zurzeit ein "House of pain". Bristol-Myers, die ich zum Glück verkauft habe, um meine Pfizer-Nachkäufe zu tätigen, kündigte gestern nach Börsenschluss an, dass das in Kooperation mit Merck entwickelte experimentelle Diabetes-Medikament Pargluva - das als Ersatz für andere Blockbuster, die demnächst Patentschutz verlieren, dienen sollte - , nun doch von der US-Gesundheitsbehörde quasi abgelehnt worden ist. Es werden neue Herzinfarkt-Verträglichkeitstest verlangt, die sich über 5 Jahre hinziehen könnten. In der Folge gab der Kurs von BMY gestern nachbörslich um 5,6 % auf 20,51 USD nach. Merck fielen nachbörslich um 1,5 % auf 26,50 USD. Pfizer hingegen hielten sich bei 21,05...
US-Pharmaaktien sind zurzeit in dreierlei Weise in die Zange genommen:
1. Patente laufen aus 2. Die Gesundheitsbehörde (FDA) ist nach Vioxx kritischer bei Neuzulassungen 3. Das US-Schadensersatzrecht setzt Firmen wie Merck nach dem Vioxx-Skandal mit Milliardenklagen zu.
Pfizer steht im Vergleich noch am Besten da. Die FDA hat kürzlich fünf neue Medikamente zugelassen (darunter Exubera - ein inhalierbares Präparat für Diabetiker), so dass die durch Patentabläufe geschmälerte Pipeline wieder gut gefüllt ist. Es sind 50 Mrd. Cash in der Kasse, davon 37 Mrd. aus repatriierten Gewinnen, so dass auch durch Firmenaufkäufe die Pipeline gestärkt werden kann. Es gibt ein radikales Sparprogramm (4 Mrd. in 2007), das als Sicherheitspolster dient, falls die neuen Medikamente nicht so viel einbringen sollten wie die auslaufenden. Es stehen keine Milliarden-schweren Schadensersatzprozesse an wie bei Merck. Last not least ist die Pfizer-Aktie mit einem 2007-KGV von 9,5 geradezu sensationell günstig bewertet (typische Big-Pharma-KGVs liegen zwischen 20 und 35).
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Angehängte Grafik:
PFE_10-tage.gif (verkleinert auf 88%)