DIGITAL-TV
ARD verschlüsseln, GEZ abschaffen?
Premiere verschlüsselt sein Programm, RTL will es tun, MTV auch. Wer zuschauen will, muss zahlen. Das ist bei ARD und ZDF schon immer so. Doch dort sperrt man sich vehement gegen eine Verschlüsselung - aus gutem Grund: Sie wäre das Aus für die GEZ.
Die heutige Presse für RTL und MTV ist schlecht. Wenig überraschend, hatte der Satellitenbetreiber SES Astra doch gestern verkündet, dass die beiden Anbieter ihre Sender ab Mitte 2007 nur noch verschlüsselt ausstrahlen wollen. Besitzer von Satellitenschüsseln brauchen dann einen neuen Receiver nebst Smartcard, die monatlich bis zu 3,50 Euro kosten soll.
"Die zweite GEZ" nannte die "Süddeutsche Zeitung" das Vorhaben und zitierte den Mainzer Staatskanzleichef Martin Stadelmeier, der von "Pay-TV light" sprach. Die "Frankfurter Allgemeine" schrieb: "Der Kölner Privatfernsehkonzern RTL macht sich unbeliebt", die "Badische Zeitung" orakelte, womöglich werde vielen klar, "dass man auch ohne RTL gut durch den Tag kommt".
Womöglich überlegt man sich die Sache ja noch einmal bei RTL, zumal es auch Überlegungen gibt, das digitale terrestrische Fernsehen DVB- T zu verschlüsseln, die für zusätzlichen Ärger sorgen. Zwar bekommt die RTL-Gruppe von Astra Geld dafür, dass die Sender kodiert über die neue Plattform ausgestrahlt werden. Doch wenn gleichzeitig die Reichweite sinkt und die Werbeerlöse einbrechen, könnte die Sache nach hinten losgehen.
Dass fast alle deutschen Fernsehsender ihre Inhalte ungeschützt via Astra in ganz Europa und teilweise bis nach Nordafrika ausstrahlen, ist im Vergleich zu anderen Ländern ungewöhnlich. Nur in Italien wird ebenfalls kaum kodiert. In fast allen anderen Ländern, ob Spanien, Frankreich, Schweden oder Österreich, funktioniert Satellitenempfang nur mit einer Smartcard.
Kleiner ORF - großes Deutschland
Dafür gibt es gute Gründe: Senderechte für Filme oder Serien kosten umso mehr, je mehr Zuschauer sie sehen können. Logisch, dass beispielsweise der ORF sein Programm via Astra verschlüsselt, denn sonst könnten neben den acht Millionen Österreichern auch noch 82 Millionen Deutsche mitgucken, eine Satellitenschüssel vorausgesetzt. Die Rechte wären viel teurer, der vergleichweise kleine ORF könnte sie kaum bezahlen.
"Im digitalen Zeitalter haben Rechteinhaber ein Interesse, dass der Empfang geografisch abgegrenzt ist", sagt Markus Payer, Sprecher SES Astra, SPIEGEL ONLINE. Er hält die Verschlüsselung für den besten Weg, den Empfang einzugrenzen.
Genau darum geht es auch RTL. Mit der Verschlüsselung können Übertragungsrechte für bestimmte Programme geografisch abgrenzt werden, sagte RTL-Deutschland-Chefin Anke Schäferkordt. Zudem gehe es auch um "den effektiven Schutz unserer Programme", also um das Verhindern von Piraterie.
Dass über kurz oder lang auch ARD und ZDF über eine Verschlüsselung nachdenken müssen, zeigte sich zuletzt bei der diesjährigen Fußballweltmeisterschaft. Die Öffentlich-Rechtlichen durften die WM-Spiele nicht wie geplant über den Satelliten Eutelsat digital ausstrahlen, nicht einmal Spielausschnitte in der "Tagesschau" waren erlaubt. Hintergrund waren Rechteprobleme in Ländern, in denen lokale Pay-Anbieter Millionen für die WM-Bilder bezahlt hatten. Fußball gratis im deutschen Fernsehen hätte ihr Geschäft bedroht.
Rechtekonflikte programmiert
Bei der WM 2002 war ARD und ZDF sogar die digitale Ausstrahlung über den viel populäreren Satelliten Astra untersagt worden. Der damalige spanische Rechteinhaber Via Digital sah seine spanischen Exklusivrechte gefährdet - Schüsselbesitzer bekamen so statt Fußball nur Spielfilme zu sehen.
Derartige Rechtekonflikte wird es zumindest bei großen Sportereignissen immer wieder geben. Eine Verschlüsselung, wie sie RTL und MTV planen, würde das Problem auf einfache Weise lösen. Doch davon wollen die Öffentlich-Rechtlichen nichts wissen.
Nicht nur, dass wohl die Intendanten die Entrüstung der Zuschauer fürchten, die sich neue Empfangsgeräte mit Smartcard-Einschub kaufen müssten. Vor allem würde eine Verschlüsselung die Finanzierungsgrundlage von ARD und ZDF in Frage stellen.
Das Ende der GEZ?
Bislang gilt: Wer einen Fernseher hat, oder ab 2007 einen PC mit Internetanschluss oder ein TV- fähiges Handy, muss GEZ-Gebühren zahlen. Ob tatsächlich ein öffentlich-rechtliches Programm geschaut wird, ist dabei egal.
Mit einer Smartcard für ARD und ZDF wäre die Situation anders. Ohne die Karte könnte man die Programme nicht schauen - müsste also folgerichtig auch keine GEZ-Gebühren zahlen. Wären die öffentlich-rechtlichen Sender sowohl über Kabel, Satellit oder DVB-T kodiert, könnte man die GEZ gleich ganz abschaffen. Wer die Sportschau, den Tatort und Maybritt Illner sehen wollte, müsste sich eine Smartcard kaufen. Die Datenkrake GEZ, die Millionen Deutscher in ihrer Datenbank erfasst und immer wieder von Datenschützern kritisiert wird, wäre überflüssig.
Die Smartcard würde soviel kosten, wie die GEZ heute. Aber nur theoretisch. Denn womöglich würde ein Teil der Fernsehzuschauer auf ARD und ZDF verzichten. Sei es, weil sie ohnehin nur RTL gucken oder ausschließlich DVDs oder weil sie allein die Spielkonsole an den Fernseher anschließen. Klar, dass die Öffentlich-Rechtlichen die Verschlüsselung für keine so gute Idee halten.
ZDF-Intendant Markus Schächter hatte dies zuletzt am 30. Juni vor dem ZDF-Fernsehrat in Saarbrücken deutlich gemacht. Eine Grundverschlüsselung über Kabel oder Satellit lehnte er ab. ARD und ZDF wollten sicherstellen, dass ihre Programme auch in Zukunft unverschlüsselt und reibungslos zu empfangen seien. Die Anstalten gehen genau den entgegengesetzten Weg der Verschlüsselung: Sie vertreiben ihre Programme auf immer mehr Wegen - und zwar unverschlüsselt: Zu Kabel, Satellit und DVB-T kommen bald auch Handys und das Internet.
So wird uns die GEZ wohl auch weiterhin erhalten bleiben.
Quelle: spiegel.de
Euer
Einsamer Samariter
|