Kraftstoffe aus Erdöl
06. März 2008, 19:36 Uhr
ABSATZ-STUDIE
Das sind die Automärkte der Zukunft
Von Tom Grünweg
In Deutschland stöhnen die Autohersteller über die Kaufzurückhaltung, doch international sind die Aussichten der Branche glänzend: Eine Studie prognostiziert bis 2020 ein gigantisches Wachstum - allein in China um 740 Prozent. Die weltweiten Gewichte verschieben sich.
Genf - Auf den Straßen rund um den Globus wird es immer voller: Die Zahl der Neuzulassungen von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen steigt und steigt. In diesem Jahr wird sie erstmals die Marke von 70 Millionen durchbrechen - und bis 2020 auf mehr als 90 Millionen klettern. Das hat das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen R. L. Polk in Essen ermittelt. Bezogen auf das Basisjahr 2000 wäre das ein Wachstum von mehr als 60 Prozent.
Für die Autohersteller ist diese Prognose ein Segen, rückt sie doch die Absatzprobleme in Ländern wie Deutschland oder den USA in ein ganz anderes Licht. Die Autohändler in diesen alten Märkten allerdings werden stöhnen: Denn das Wachstum erfolgt der Polk-Prognose zufolge nicht auf den etablierten Märkten, sondern in den Entwicklungs- und Schwellenländern.
Die automobile Weltkarte wird deshalb in den nächsten Jahren bunter, und die Rangfolge der größten Autonationen dürfte sich entscheidend verändern, lässt die Prognose erwarten.
Den stärksten Beitrag zu dieser gewaltigen Motorisierungswelle leistet Asien. Dort erwarten die Analysten ein Wachstum von 160 Prozent. Damit wird der Ferne Osten bereits 2010 das Zulassungsniveau Europas erreicht haben. Im Jahr 2015 werden die Asiaten dann auch Nordamerika überholen und als absatzstärkster Kontinent die Auto-Welt beherrschen.
"Die Dynamik bezieht Asien nicht aus den Ländern Japan und Südkorea, die diese Region noch vor einigen Jahren dominierten", sagt Polk-Chefanalyst Ulrich Winzen. Der Motor des Wachstums sei nun China, wo Winzen auf Basis der Zahlen von 2000 bis zum Jahr 2020 mit einem Plus von 740 Prozent rechnet.
"Aber auch die anderen Länder dieser Region zeigen eine explosionsartige Erhöhung der automobilen Nachfrage", sagt Winzen: Nicht nur Indien werde dazu mit einem Wachstum von mehr als 400 Prozent beitragen. Sondern auch für Staaten wie Thailand, Malaysia, Indonesien und die Philippinen sieht der Experte dreistellige Wachstumsraten.
Dass der Automobilmarkt auch in Europa weiter wächst und von 19 Millionen Neuzulassungen im Jahr 2000 um 38 Prozent auf 26 Millionen im Jahr 2020 zulegt, schreibt Winzen vor allem dem Osten zu. "Während das 'alte' Westeuropa gerade mal ein Plus von acht Prozent erreicht", werde die Autonachfrage in den Ländern Osteuropas - getrieben vom immensen Mobilitätsbedürfnis in Russland - um insgesamt 235 Prozent steigen.
Die neuen großen Autonationen
Ein ähnliches Bild zeichnet die Polk-Prognose auch für den amerikanischen Kontinent. Die NAFTA-Region mit USA, Kanada und Mexiko werde ihr Absatzvolumen lediglich um drei Prozent steigern. Winzen: "Für das Gesamtwachstum von 23 Prozent sind aber die Länder Zentral- und Südamerikas verantwortlich. Dort werden 184 Prozent mehr Neuzulassungen erwartet." Parallel dazu werden auch die Märkte im Nahen Osten und in Afrika wachsen und ihr Nachfragevolumen verdoppeln. Weil das allerdings auf kleinem Niveau geschieht, machen sie auch 2020 voraussichtlich nur acht Prozent der Weltnachfrage aus.
Mit den Verschiebungen der Nachfrage ändert sich auch die Rangfolge der größten Autonationen. Im Jahr 2000 wurden die meisten Autos noch in den USA, Japan und Deutschland verkauft. Bereits 2003 hat China jedoch Deutschland überholt und mittlerweile auch Japan vom Treppchen verdrängt. Die USA werde China bis 2020 zwar noch nicht einholen, schreibt Polk-Analyst Winzen. Allerdings werde die Volksrepublik "mit über 15 Millionen verkauften Fahrzeugen 17 Prozent der weltweiten Neuzulassungen pro Jahr stellen".
Und weitere Aufsteiger sind bereits in Sicht: Spätestens 2010 sollen in Russland mehr Neuwagen verkauft werden als in Deutschland. Und gegen Ende des nächsten Jahrzehnts soll Indien diesem Beispiel folgen und voraussichtlich das deutsche Neuzulassungsniveau von derzeit etwa 3,2 Millionen Fahrzeugen pro Jahr überschreiten. Dann dürften die Neuzulassungs-Weltrangliste folgendermaßen aussehen: An erster Stelle rangieren weiterhin die USA, gefolgt von China, Japan, Russland, Indien und Deutschland. Zusammen machen diese sechs Riesen 55 Prozent des weltweiten Automobilmarktes aus.
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