30. Juli 2008, 12:52 Uhr
GEKIPPTES RAUCHVERBOT
Kneipenwirte bejubeln Karlsruher Richterspruch
Erfolg für Deutschlands Eckkneipen-Wirte: Das Bundesverfassungsgericht hat das Rauchverbot gekippt. Bis 2010 müssen die Länder neue Regelungen finden. Die Entscheidung könnte dann allerdings auch dazu führen, dass das Rauchen künftig in Gaststätten komplett verboten wird.
Hamburg/Karlsruhe - Das Bundesverfassungsgericht hat die Rauchverbote in Einraumkneipen, wie sie in den meisten Bundesländern gelten, gekippt und Nachbesserungen gefordert. In dem mit Spannung erwarteten Grundsatzurteil erklärte das oberste deutsche Gericht am Mittwoch zwar strikte und absolute Rauchverbote in allen Gaststätten für verfassungsgemäß. Wenn aber Ausnahmen für größere Kneipen zugelassen würden, müssten sich auch Einraumkneipen als Raucherlokale kennzeichnen dürfen. Eine Neufassung der Gesetze muss bis zum 31. Dezember 2009 erfolgen.
Bis dahin gilt eine Übergangsreglung: Einraumkneipen unter 75 Quadratmetern können sich nun als Raucherkneipen deklarieren. Der Eintritt für Jugendliche unter 18 Jahren muss dort allerdings untersagt werden, und es darf auch kein selbst zubereitetes Essen angeboten werden. Auch Discotheken dürfen einen abgeschlossenen Raucherraum anbieten, wenn dort nur Erwachsene Zutritt haben. Nach der erlassenen Übergangsregelung dürfen sich in den Raucherräumen von Discos aber keine Tanzflächen befinden.
Die beiden Beschwerdeführer reagierten erleichtert auf das Urteil: "Ich sehe wieder Licht am Ende des Tunnels", sagte der Tübinger "Pfauen"-Wirt Uli Neu in Karlsruhe. "Meine Existenz ist gerettet." Er hoffe nun auf eine rasche Neuregelung. Die Berliner Wirtin Sylvia Thimm zeigte sich erfreut, dass ihre Gäste vor Beginn der kühleren Saison wieder in der Kneipe rauchen dürften.
Das Karlsruher Urteil erging mit sechs zu zwei Stimmen. Mit der Grundsatzentscheidung haben die Verfassungsrichter die Rauchverbote in Baden-Württemberg und Berlin für verfassungswidrig erklärt. Da die meisten anderen Bundesländer aber vergleichbare Regelungen haben, müssen die Rauchverbote in Gaststätten auch dort überarbeitet werden. Mit dem Urteil des Ersten Senats unter Vorsitz des Gerichtspräsidenten Hans-Jürgen Papier hatten die Verfassungsbeschwerden zweier Wirte aus Berlin und Tübingen und den Gesellschaftern einer Großdiscothek in Heilbronn Erfolg.
Aus dem Urteil des Ersten Senats folgt, dass gegenwärtig nur die Gesetze Bayerns und des Saarlands der Verfassung entsprechen. Denn in Bayern gilt in Gaststätten und Bierzelten bisher ein absolutes Rauchverbot. Im Saarland ist hingegen das Rauchen sowohl in inhabergeführten Eckkneipen als auch in abgetrennten Raucherzimmern von Mehrraumgaststätten erlaubt. Die übrigen Bundesländer erlauben hingegen Lokalen mit mehreren Räumen die Einrichtung eines Raucherzimmers, in Einraumkneipen gilt dagegen ein absolutes Rauchverbot.
Diese Länderparlamente haben jetzt bis Ende 2009 die Wahl, entweder ein striktes Rauchverbot in allen Gaststätten nach dem Vorbild Bayerns zu beschließen oder Ausnahmen zuzulassen. Dann müssen sie aber auch Eckkneipen in das Ausnahmekonzept einbeziehen. Der Erste Senat begründet das damit, dass das jetzige Konzept mit existenziellen Einkommenseinbußen für Einraumkneipen verbunden sei. Es verletzte das Grundrecht der Berufsfreiheit, wenn Kleingastronomen keine Raucherkneipe anbieten dürften, Mehrraumkneipen aber Raucherzimmer anbieten dürften. Denn rauchende Stammgäste wanderten dann aus den Eckkneipen ab. Das bedeute aber einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit der Eckkneipen-Wirte.
Verfassungsgemäß wäre dagegen ein absolutes Rauchverbot in allen Gaststätten. Der Erste Senat begründet das mit den schweren Schäden, die das Passivrauchen auslösen kann. Die Verfassungsrichter zitieren im Urteil unter anderem die Studien des Deutschen Krebsforschungszentrums. Auch wenn es andere wissenschaftliche Aussagen zur Gefahr des Passivrauchens gebe, habe der Gesetzgeber von schweren Gesundheitsgefahren ausgehen dürfen.
Der Schutz der Bevölkerung vor dem Passivrauchen sei ein "überragend wichtiges Gemeinwohlziel", so die Richter. Deshalb sei ein absolutes Rauchverbot in allen öffentlichen Gaststätten verfassungsgemäß. Die dann für alle Wirte geltende Einschränkung der Berufsfreiheit wäre dann verhältnismäßig.
In den betroffenen Ländern und bei den Klägern wurde das Urteil positiv aufgenommen. Unklarheit besteht jedoch über das weitere Vorgehen. "Wir fühlen uns bestätigt, müssen aber nacharbeiten", sagte die baden-württembergische Sozialministerin Monika Stolz (CDU) in Karlsruhe. Die Ministerin machte deutlich, dass sie einer klaren Verbotslösung den Vorzug geben würde: "Je mehr Ausnahmen man macht, desto unklarer und bürokratischer wird ein Gesetz." Allerdings müsse die politische Diskussion der nächsten Monate zeigen, ob im Südwesten ein Gesetz mit den von Karlsruhe angemahnten Ausnahmeregelungen auch für Eckkneipen geschaffen werde.
Die Drogenbeauftragte des Bundes, Sabine Bätzing, appellierte an die Länder, nun strikte Rauchverbote zu erlassen. "Es ist ein Urteil für den Nichtraucherschutz und gegen Ausnahmeregelungen", sagte sie in Karlsruhe. Das Gericht habe deutlich betont, dass ein absolutes Rauchverbot der richtige Weg wäre, um den Gesundheitsschutz zu gewährleisten. Nun gelte es, die bestehenden Ausnahmen aus den Landesgesetzen zu streichen.
Auch der Berliner Gesundheitsstaatssekretär Benjamin-Immanuel Hoff zeigte sich "sehr zufrieden" mit dem Urteil. Ob es in Berlin weiter Ausnahmen vom Rauchverbot geben werde, müsse die politische Diskussion zeigen.
flo/AP/dpa
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