Endgültiger Rausschmiss
Werden Aktionäre aus Unternehmen gedrängt, gibt es keine Abwehrmöglichkeiten. Lediglich die gebotene Abfindungshöhe kann überprüft werden.
von Jürgen Kurz Endgültiger Rausschmiss
Ausgespielt: Großaktionäre nutzen gerne die Möglichkeit des „Squeeze-out“, um unbequeme Anteils-eigner schachmatt zu setzen.
Hohe Kosten für Hauptversammlung und Börsenpräsenz, eingeschränkte Entscheidungsfreiheit, geplante Zerschlagung der Unternehmens – die Gründe, freie Aktionäre nicht mehr im Unternehmen haben zu wollen, sind vielfältig. Seit dem 1. Januar 2002 gibt es für Großaktionäre die Möglichkeit, dem Elend ein Ende zu setzen. „Squeeze-out“, was auf deutsch soviel wie „herauspressen“ bedeutet, heißt die Lösung. Voraussetzung: Der Großaktionär muss 95 Prozent oder mehr des Unternehmens besitzen.
Dann ist er verpflichtet, den restlichen Anteilseignern ein Abfindungsangebot zu machen. Die freien Aktionäre können die Höhe des Angebotes mit einem Spruchverfahren gerichtlich überprüfen lassen, ablehnen können sie es nicht. „Spruchverfahren sind bei Squeeze-out die Regel. Schließlich sind die Großaktionäre daran interessiert, möglichst wenig zu zahlen“, so DSW-Hauptgeschäftsführer Ulrich Hocker.
Betroffen sind meist erfolgreiche mittelständische Aktiengesellschaften, wie der Verpackungsspezialist Gerresheimer Glas. Das Unternehmen hat auf der letzten Hauptversammlung (HV) diesen Jahres ein sehr gutes Ergebnis für 2002 vorgelegt. Operativ konnte die AG um 24 Prozent zulegen, so Vorstandsvorsitzender Axel Herberg. Auch für das laufende Jahr ist die Geschäftsführung optimistisch. Herberg erwartet eine weitere Ergebnissteigerung. „Wir werden den Ausbau unserer Geschäftsfelder für pharmazeutische und kosmetische Verpackungen konsequent vorantreiben“, so der Gerresheimer-Glas-Vorstand.
Schade, dass Aktionäre von dieser positiven Entwicklung nicht mehr profitieren werden. Auf der HV wurde nicht nur die rosige Zukunft beschrieben, sondern auch das Squeeze-out beschlossen. Die Hauptaktionärin, die Gerresheimer Holding GmbH&Co. KG, die 98,56 Prozent der Verpackungs-AG besitzt, wirft die noch verbliebenen freien Aktionäre raus. Versüßt wird dies mit einer Barabfindung von 16,12 Euro je Aktie. Ob das reicht, wird jetzt im Spruchverfahren gerichtlich überprüft. Gerresheimer Glas ist kein Einzelfall. Kamps, Stinnes, Kiekert, Stollwerck, Aditron, die Liste ist lang. Manchmal stehen hinter solchen Entscheidungen strategische Überlegungen. So wird die Kamps AG komplettin das Imperium des italienischen Pastakonzern Barilla integriert. Gleiches gilt für das Logistikunternehmen Stinnes, das jetzt zu 100 Prozent der Deutschen Bahn gehört, oder die Dortmunder Actienbrauerei, die von dem Bierkonzern Radeberger geschluckt wurde.
Zunehmend geraten deutsche Mittelständler aber auch ins Visier amerikanischer Kapitalgesellschaften, die die Übernahmen in erster Linie als Geldquelle sehen. So geschehen auch bei Gerresheimer Glas. Hinter der Holding-Gesellschaft, die bald 100 Prozent besitzen wird, stehen mit Investcorp und J.P. Morgan Partners zwei Private Equity Firmen aus den USA. Über den großen Teich gelockt werden die Amerikaner durch die historisch niedrigen Unternehmensbewertungen in Deutschland. Zu Zeiten des Dotcom-Booms waren Schnäppchen Mangelware. Jetzt sind Firmenjäger wie KKR (Kohlberg Kravis Roberts), die Carlyle Group aber auch etliche kleinere Investorengruppen in Deutschland auf Beutezug. Kein Wunder, schwimmen die Investoren nach langer Durststrecke im Geld.
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