Integration
Lehrer sollen Türkisch sprechen
Deutschlands Grundschulen sind auf die gesellschaftliche Realität der Kinder nicht eingestellt. Vor allem gelingt es den Schulen nicht, Kinder aus sozial schwachen Familien sowie Migrantenkinder so zu fördern. Das sagt FU-Wissenschaftler Jörg Ramseger. Er fordert: Lehrer müssen in ihrer Ausbildung die Sprachen ihrer Schüler erlernen.
Deutschlands Grundschulen sind auf die gesellschaftliche Realität der Kinder nicht eingestellt. Vor allem gelingt es den Schulen nicht, Kinder aus sozial schwachen Familien sowie Migrantenkinder so zu fördern, dass sie ähnliche Bildungserfolge haben wie die anderen Schüler, sagt Erziehungswissenschaftler Jörg Ramseger von der Freien Universität Berlin. Nicht nur Pisa habe gezeigt, wie groß die Chancenungleichheit bereits in der Grundschule ist. Es gebe zwar viele gute Projekte. Wie die aber flächendeckend umgesetzt werden können, darüber herrsche große Ratlosigkeit. Weiterführende links
Wie bringt man Kindern Deutsch bei? Nach Ansicht des Wissenschaftlers muss die Grundschule sich endlich darauf einstellen, dass es immer mehr Kinder gibt, die unter extrem schwierigen Bedingungen aufwachsen. Dazu gehöre auch, dass die Schule den Kindern mit Migrationshintergrund anders begegnet. „Ein Lehrer, der die Sprache seiner Schüler nicht spricht, ist ein inkompetenter Lehrer“, sagt Ramseger. Grundschullehrer müssten die Kinder dort abholen, wo sie herkommen, fordert er. „Die Lehrer müssen ihre Schüler in die Weite der Gesellschaft führen, sie mit Kultur und Wissenschaft vertraut machen. Um das zu leisten, müssen sie die Kinder und deren Denken verstehen können.“ Das sei nur möglich, wenn sie deren Sprache kennen. Der Erziehungswissenschaftler fordert deshalb, an jeder Grundschule möglichst viele Lehrer einzusetzen, die neben Deutsch wenigstens eine andere Sprache wie Türkisch, Arabisch oder Russisch sprechen.
Lehrer mit Sprachkenntnissen fehlen
In Berlin habe man bislang vor allem auf Förderprogramme wie Deutsch als Zweitsprache (DAZ) gesetzt, betont Ramseger. Das sei zwar richtig, reiche aber bei Weitem nicht aus. „Wir müssen auf mehreren Ebenen gleichzeitig arbeiten.“ Dazu gehörten Lehrer, die die Sprache der Kinder sprechen. Dazu gehöre auch ein Bewusstseinswandel an den Grundschulen. „Schule muss ein Kundenbewusstsein entwickeln. Schließlich ist sie verpflichtet, Kinder zum Erfolg zu führen“, so Ramseger. Bislang gibt es nur einen verschwindend geringen Anteil von Lehrern mit Migrationshintergrund oder solchen, die eine Migrantensprache sprechen. In Berlin sind das mit höchstens fünf Prozent sogar noch etwas mehr als im deutschen Durchschnitt.
Migrantenkinder Jörg Ramseger Integration Spracherwerb Türkisch Lehrer Doch wo sollen die Lehrer herkommen, die die Sprache ihrer Schüler kennen? Jörg Ramseger fordert eine massive Werbekampagne unter den Migranten. Außerdem sei es völlig unverständlich, dass Grundschullehrer während ihrer Ausbildung keine Migrantensprache lernen, betont er. Der Wissenschaftler plädiert deshalb dafür, die Ausbildungszeit für Grundschullehrer, die in Berlin 2003 um ein Jahr verkürzt worden ist, wieder um dieses Jahr zu verlängern: „In dieser Zeit können die Studierenden eine weitere Sprache lernen. Am besten in dem jeweiligen Land, wo sie dann gleich auch die Lebensbedingungen der Menschen kennenlernen.“ Das alles koste zwar zusätzlich Geld, bringe aber unendlich viel.
http://www.welt.de/berlin/article1207597/...n_Tuerkisch_sprechen.html