FTD heute:
Öl bleibt ein Luxus für jedermann - noch von André Kühnlenz (Berlin) Nach dem drastischen Anstieg der Ölpreise am Jahresanfang erwarten Volkswirte schon bald eine Entspannung. Dafür, dass die Preise bald deutlich sinken werden, nenen sie mehrere Gründe
Am Mittwoch war der Preis für ein Barrel der US-Sorte WTI erstmals auf 100 $ gestiegen, und auch einen Tag später notierte es kurzzeitig leicht über dieser Marke. Andere Sorten hatten ebenfalls deutlich angezogen. "Wir sehen momentan ein fundamental gerechtfertigtes Niveau von 75 $", sagte Dora Borbély, Rohstoffexpertin bei der Deka-Bank.
Rohöl Rohöl
In den nächsten Monaten sei damit zu rechnen, dass die derzeitigen Übertreibungen nachlassen. "Die sich abzeichnende Konjunkturdelle in den großen Industrieländern sollte sich auf die Ölpreise auswirken", sagte sie. Bei der Allianz-Gruppe erwarten die Experten einen Rückgang bis zur Jahresmitte auf gut 80 $. Die Commerzbank-Volkswirte sehen den Ölpreis im Jahresschnitt noch unter diese Marke fallen.
Sollten die Erwartungen tatsächlich eintreten, könnte sich das Öl in den nächsten Monaten als weniger belastend herausstellen als 2007. Besonders in der zweiten Jahreshälfte hatte der rasante Ölpreisanstieg neben der Mehrwertsteuererhöhung auf der Kauflaune der Konsumenten in Deutschland gelastet.
Nur ein Kontrakt zum Preis für 100 $ Viele Ökonomen zeigten sich zunächst überrascht von dem starken Anstieg zum Jahresbeginn um rund 4 $ innerhalb eines Handelstags. Teilweise führten sie dies auf das geringe Handelsvolumen zurück. So sei nur ein Kontrakt zu einem Preis von 100 $ gehandelt worden, sagte Eugen Weinberg von der Commerzbank. "Bereits in den Vorwochen wollten die Märkte die 100 $ sehen", sagte Borbély. Spekulative Käufe oder die geopolitischen Risiken durch die Unsicherheiten in Kenia oder Pakistan könnten diesen kräftigen Preissprung allein nicht erklären.
Bis in die letzten Tage des Vorjahrs hatte sich der Ölpreis bis an die Marke von 96 $ herangekämpft. Davor hatte sich Anfang Dezember der Preisauftrieb des Öls zwischenzeitlich wieder etwas beruhigt, nachdem es besonders seit dem Ausbruch der Finanzkrise im Sommer rasant teurer wurde.
Für Rolf Schneider, Volkswirt bei der Allianz-Gruppe, spielte dabei auch die seit dem Sommer verstärkte Abwertung des Dollar eine Rolle. Dies könne damit erklärt werden, dass die Kaufkraft der Öl exportierenden Länder mit der Dollar-Abwertung abnimmt. "Da diese Länder überwiegend aus dem Euro-Raum importieren, versuchten sie, den Kaufkraftverlust durch höhere Ölpreise auszugleichen", sagte er. Daneben zögen viele Investoren wegen der Abschwächung des US-Wachstums Anlagen vom US-Finanzmarkt ab. Diese Gelder fließen in den Euro-Raum, aber seit Längerem auch in Rohstoffe. Dies habe bei einem angespannten Ölmarkt das Fass zum Überlaufen gebracht. "Viele Fonds investieren verstärkt in Rohstoffe, um ihre Portfolios zu diversifizieren", sagte auch Weinberg.
Rein spekulative Käufe in der Hoffnung auf steigende Preise hätten zuletzt aber wieder abgenommen, hat Borbély beobachtet. Nach den jüngsten verfügbaren Daten machten diese Geschäfte gerade mal ein Drittel aller Kontrakte und des Umsatzes aus. "Viele Investoren sehen derzeit das Öl als sicheren Hafen an", sagte Borbély. Doch lange werde es sich nicht als sichere Anlage halten können, besonders wenn sich die erwartete Abkühlung des Wachstums im ersten Halbjahr bestätigen sollte. "Bei Industriemetallen ist die globale Konjunkturdelle bereits sichtbar", sagte Borbély. Dort hätten die Preise im Dezember schon kräftig nachgegeben.
Die Nachfrage nach Öl wird laut Deka-Bank in den nächsten Monaten sinken, womit auch ein Rückgang der Preise zu erwarten sei. Daher seien die sinkenden Lagerbestände in den USA weniger problematisch. Erst vor Kurzem waren sie unter den Fünfjahresdurchschnitt gesunken. "Das ist historisch, aber noch immer ein hohes Niveau", sagte Borbély.
Wie das US-Energieministerium am Donnerstag mitteilte, gingen die Vorräte an Rohöl in der vergangenen Woche um vier Millionen Barrel zurück. Laut Borbély sind die Lager in den OECD-Ländern noch überdurchschnittlich gefüllt. Commerzbank-Experte Weinberg sieht ebenfalls die Korrektur bei den Ölpreisen schnell herankommen, sobald sich die geopolitischen Gefahren wie unter anderem in Nigeria oder Pakistan legen. Ein Risiko sei, wenn sich der Ölpreis für längere Zeit bei mehr als 100 $ festsetze und damit wieder verstärkt Spekulanten auf den Plan rufe.
Seit Anfang 2007 hat sich der Wert des Öls fast verdoppelt. Zusammen mit dem teureren Gas haben in Deutschland etwas weniger als die Hälfte der entstandenen Mehrkosten die Verbraucher getroffen, wie die IKB in einer Analyse schreibt. Sie mussten mehr für Heizung und Benzin ausgeben als noch ein Jahr zuvor. In der Wirtschaft traf es vor allem die Kunststoffverarbeiter sowie Spezialunternehmen der chemischen Industrie negativ. Auch die Verkehrsunternehmen dürften die höheren Kosten kaum an die Abnehmer weitergegeben haben.
Die Allianz-Gruppe sieht zudem deutliche negative Effekte in der Forstwirtschaft und Fischerei sowie bei den Herstellern von Roheisen und Stahl. "Wäre der Ölpreis 2007 zwischen 50 und 60 $ geblieben, hätte die Wirtschaftsleistung gut mit drei Prozent wachsen können statt mit zweieinhalb", sagte Allianz-Experte Schneider. http://www.ftd.de/boersen_maerkte/marktberichte/...0Luxus/299052.html
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