Computerwurm "Sasser"
Für die Nachbarn ist er ein Genie © Joerg Sarbach/AP Saftige Wiesen, blühende Kastanien: das Dorf Waffensen/Wümme bei Rotenburg Stolze Gehöfte, gepflegte Einfamilienhäuser, saftige Wiesen, blühende Kastanien: Waffensen an der Bundesstraße 75 ist ein Bilderbuchdorf im niedersächsischen Flachland mit nicht einmal 1.000 Einwohnern. Die sind nun überrascht, dass in ihrer Mitte ein Hacker mit erheblicher Durchschlagskraft leben soll: Am Freitagabend wurde ein 18 Jahre alter Schüler nach einer Hausdurchsuchung als Urheber des Computerwurms "Sasser" festgenommen. Viele wissen zwar von dessen Interesse an Informatik, doch dass er Millionen Computer lahm legen kann, das hätte ihm keiner zugetraut.
"Wenn ich geahnt hätte, dass da so ein Genie lebt, hätte ich ihn selbst mal was gefragt", sagt etwa ein Nachbar, der wie die meisten anderen seinen Namen nicht nennen will, und es klingt bewundernd. Viel wissen die Anwohner nicht über den Jungen, und das scheint an ihm selbst zu liegen. Der 18-Jährige habe nach seinem Realschulabschluss nun das Abitur machen und dann Mathematik studieren wollen, heißt es. Er habe sich sehr für Computer interessiert und habe darum auch viele Bewerbungen geschrieben, um "etwas mit PC zu machen". Das habe aber nicht geklappt. Die Mutter des 18-Jährigen betreibt einen PC-Service-Dienst.
"Ganz ruhiger" Schüler Insgesamt habe der Schüler zurückgezogen gelebt, sei ein ganz Ruhiger gewesen, heißt es häufiger über ihn, nur eine Familie beschreibt ihn als aggressiv. "Schüchtern" sei er, findet auch Christian Müller, Juniorchef der Gaststätte "Eichenhof". Alle 14 Tage sei der 18-Jährige beim wöchentlichen Fußballtreff vorbeigekommen, erzählt der 22-Jährige. "Nur wenn das Gespräch auf Computer kam, hat er sich gleich eingemischt. Über etwas anderes habe ich ihn nie reden hören. Von daher wundert's mich nicht so."
Vor den meisten Fenstern des Einfamilienhauses waren am Samstag die Rollläden herunter gelassen. Der Jugendliche lebt hier Nachbarn zufolge mit seiner Mutter, deren Lebensgefährten und vier seiner sechs Geschwister. Anzutreffen war am Tag nach Svens Festnahme nur der Jüngste, der von der ganzen Aufregung unbeeindruckt vor dem Haus mit seinem Kinderfahrrad fuhr.
Nach internationalen Ermittlungen war der 18-Jährige am Freitagabend nach einer Hausdurchsuchung festgenommen worden. Die Fahndung lief auf Hochtouren, selbst das FBI und das CIA waren hinter ihm her. Zuletzt verfolgten die Fahnder angeblich Spuren, die möglicherweise nach Russland führen sollten. Wie die Fahnder auf seine Spur gekommen waren, ist bislang noch unklar. "Es kann gut sein, dass er verraten worden ist", schätzt der Karlsruher Virenexperte Christoph Fischer. Oder er habe sich durch Unvorsichtigkeit selbst verraten.
"Die Szene ist relativ jung" Altersmäßig passt der Junge aus Niedersachsen in die Szene der Viren-Schreiber. "Die Szene ist relativ jung, es gibt nur wenige ältere dabei", sagt Fischer. Manche seien Einzelgänger, manche arbeiteten aber auch in Gruppen zusammen. Auch der ebenfalls am Wochenende in Baden-Württemberg festgenommene mutmaßliche Programmierer von "Phatbot" war gerade einmal 21 Jahre alt. Als Urheber von Varianten des gefährlichen Blaster-Wurms, auch "Lovesan" genannt, hatten US-Behörden zuletzt im vergangenen Herbst einen 19- Jährigen sowie einen weiteren Teenager festgenommen. Ein 24-jähriger Student aus Rumänien soll ebenfalls eine Variante des bösartigen Schädlings programmiert haben.
Die Motiviation sei in aller Regel einfach nur Selbstbestätigung. "Die haben ja meist keinen weiteren Vorteil vom Schreiben eines Wurms", sagt Fischer. Eine große "Leistung" steckt allerdings nur bei wenigen Schädlingen dahinter. Im Internet gibt es haufenweise Programm-Code-Rohlinge und entsprechendes Know-how, mit dem ein Virenschreiber arbeiten kann. "Das ist wie bei einem Modellbaukasten, bei dem der Schiffsrumpf schon fertig ist", sagt Fischer. "Den muss man dann nur noch lackieren." Bei dem Computerwurm "Sasser" habe es sich um relativ bekannte Technologie gehandelt.
Eitelkeit wird oft zur Falle Ihre eigene Eitelkeit wird vielen Virenschreibern aber schnell zur Falle. Untereinander brüsten sich nicht wenige mit ihren Taten nach dem Motto "mein Wurm ist aber viel besser als deiner". Auch der rumänische Student und Blaster-Programmierer hatte es selbst verschuldet, dass er geschnappt wurde. Er soll den Dateinamen des ursprünglichen Wurms durch seinen eigenen Spitznamen ersetzt und in einem Textanhang in abschätziger Weise den Namen eines seiner Lehrer genannt haben.
Möglicherweise habe der nun gefasste Schüler für die schnelle Verbreitung seines Schädlings aber auch ein so genanntes Bot-Netz genutzt, sagt Fischer. Wenn jemand dort unvorsichtig ist, könne man ihn schnell erwischen. Auch der Wurm "Netsky" sei über ein solches Netz verteilt worden. Bot leitet sich von dem Wort Robot ab und stellt ein virtuelles Netz dar, bei dem bis zu 14 000 "gekaperte" Rechner miteinander verbunden werden. "Es gibt sogar Hacker, die solche Netzwerke vermieten", sagt Fischer.
Deutliche Zeitvorteile von Netzwerken Über ein solches Netzwerk kann ein Virenprogrammierer beim Aussenden seines Schädlings einen deutlichen Zeitvorteil gegenüber den Herstellern von Anti-Virensoftware erzielen. Die Abstände zwischen dem Bekanntwerden einer Sicherheitslücke und dem ersten Schädling, der diese ausnützt, wurde in der Vergangenheit ohnehin immer kürzer. Ermittler sind allerdings in jüngster Zeit immer mehr dazu übergegangen, diese Art von Internetdienst zu beobachten, da über Bot-Netze zunehmend Spam-Mails oder illegale Software vertrieben werden.
Unterdessen ist der niedersächsische Junge nach seiner Vernehmung wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Er habe ein Geständnis abgelegt, sagte ein Sprecher der niedersächsischen Polizei. Auch Experten der Software-Firma Microsoft hätten bestätigt, dass der junge Mann das Programm für den Computer-Wurm geschrieben habe.
Bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe für Computersabotage Bei einer strafrechtlichen Verfolgung dürfte er verhältnismäßig glimpflich davon kommen. Bei einer Verurteilung wegen Computersabotage drohen ihm zwar nach Angaben des LKA bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe. Bislang wurden die Täter jedoch in Europa und den USA meist zu Bewährungsstrafen oder Sozialdiensten verurteilt. "Wenn er aber zivilrechtlich belangt wird, kann er einpacken", schätzt Fischer. Immerhin waren von "Sasser" weltweit mehr als eine Million Rechner betroffen, darunter auch 300 000 Computer der Deutschen Post sowie 19 Stationen der britischen Küstenwache.
Renate Grimming/DPA
Q: http://www.stern.de/computer-technik/internet/...3755&nv=hp_rt_al
Gr. luki2
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