Die Rente ist unsicher
Die Generation der 40-Jährigen muss sich jetzt Gedanken machen, wie sie ihr Leben im Alter finanzieren will. Faustformel: Sechs Prozent des Gehalts zurücklegen. Aber wie?
von Dorothea Siems
Bundessozialministerin Ulla Schmidt ist mit Prognosen vorsichtig. Gefragt nach dem Rentenniveau im Jahre 2030 legt sich nicht fest: "Wenn wir ein hohes Wohlstandsniveau haben, wird es viel sein. Geht es nicht so gut, dann ist es wenig." Wer heute 40 Jahre alt ist, weiß allerdings ohnehin, dass er nicht nur auf die gesetzliche Rente setzen sollte, wenn er im Alter seinen Lebensstandard halten will.
81 Prozent der Bevölkerung über 16 Jahre glauben nicht daran, dass die Rente sicher ist. Nachdem der Bundeskanzler die Kürzung der Renten im nächsten Jahr verkündet hat, werden sich noch mehr Versicherte fragen, wovon sie denn im Ruhestand leben sollen. CSU-Sozialexperte Horst Seehofer fordert, den Menschen, die 45 Jahre alt und jünger sind, ehrlich zu sagen, dass ihre spätere Rente "nur noch eine Existenzsicherung sein wird". Im Klartext: Trotz jahrzehntelanger Beitragszahlung kann das Gros der Versicherten nur eine Rente erwarten, die knapp über Sozialhilfeniveau liegen wird.
Das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) in Köln warnt schon seit Jahren, dass die "Versorgungslücken" viel größer sind, als die Bürger bislang meinen. Etwa die Hälfte der Arbeitnehmer schätze ihre Rentenansprüche zu hoch ein, heißt es in einer DIA-Studie. Je jünger der Versicherte sei, desto größer sei der Abstand zwischen letztem Nettoeinkommen und der ersten Rentenzahlung. Ein 40jähriger, der mit 2050 Euro im Monat durchschnittlich viel verdient, wird im Alter weniger als 45 Prozent seines letzten Nettoeinkommens als Rente zur Verfügung haben. Dabei sind alle künftigen Rentenreformen noch nicht mit einkalkuliert.
"Was tun", fragen sich viele Arbeitnehmer. Das Rätselraten ist groß. Wie soll man sparen? Und vor allem: In welcher Form? Grundsätzlich gilt, dass jede Sparform ihre Vor- und Nachteile hat. Deshalb kommt es auf die individuellen Vorlieben an. Aktien sind eher etwas für risikobereite Anleger, die auf eine hohe Rendite spekulieren. Nachteil: Wenn das Kapital einmal nötig gebraucht wird, muss unter Umständen zu ungünstigen Kursen verkauft werden. Experten empfehlen deshalb, in jungen Jahren mehr in Aktien zu investieren, aber ab 50 Jahren dann umzuschichten in Anlagen, die weniger Schwankungen unterworfen sind.
Bevorzugte Sparform der Deutschen ist die Lebensversicherung, die jedoch im Zuge des geplanten Wegfalls der steuerlichen Bevorzugung künftig an Boden verlieren könnte. Das Wohnen im eigenen Heim ist ebenfalls weit verbreitet. Der Vorteil: Wer im Alter keine Miete zu zahlen hat, braucht weniger Geld zum Leben. Wer allerdings vermietete Immobilien als Altersvorsorge erwirbt, sollte bedenken, dass die Schrumpfung der Bevölkerung langfristig die Rendite schmälern dürfte. Allerdings rechnen Fachleute erst ab 2025 mit negativen Auswirkungen der Demographie auf den Immobilienmarkt. Auch wird es bei Häusern und Wohnungen stets auf die Lage ankommen.
Trotz der seit Jahren laufenden Debatte über die unsichere Zukunft des Rentensystems blieb der notwendige Boom bei der privaten Altersvorsorge aus. "Die Menschen sind noch nicht von der Erkenntnis zum Handeln gekommen", meint DIA-Sprecher Bernd Katzenstein. Dies zeige die Stagnation bei der staatlich geförderten Riester-Rente. Kaum eine Bank biete entsprechende Sparpläne an, und auch die Versicherer hätten mittlerweile resigniert. Ob die jetzt angekündigte Vereinfachung der Vorschriften das Interesse beleben wird, bleibt abzuwarten. Eine erfreuliche Entwicklung gibt es hingegen bei den Betriebsrenten, die in der Vergangenheit nur eine geringe Bedeutung hatten. Sie machen bisher nur fünf Prozent der Alterseinkünfte aus; in den Niederlanden sind es 40 Prozent, in der Schweiz 32 Prozent. Immerhin verfügten in Deutschland im Frühjahr 42 Prozent der Arbeitnehmer über eine solche Zusatzversorgung. Ende 2001 waren es nur 35 Prozent gewesen. Für die meisten Arbeitnehmer rentiert sich die oft staatlich geförderte Betriebsrente mehr als die private Riester-Rente. Gibt es entsprechende Tarifvereinbarungen kann der Einzelne bis zu vier Prozent seines Bruttoeinkommens steuer- und sozialabgabenfrei ansparen. Der Betrieb zahlt dann nur eine geringe Pauschalsteuer. Kein Wunder, dass Gewerkschaften mit den Arbeitgebern Tarifverträge zur Altersvorsorge geschlossen haben.
Dennoch sind die Summen bisher in der Regel viel zu gering, um einen gesicherten Ruhestand zu gewährleisten. Um die Versorgungslücke zu schließen, sollte ein 40jähriger Durchschnittsverdiener nach Berechnungen des Instituts für Altersvorsorge regelmäßig fünf bis sechs Prozent seines Bruttoeinkommens sparen. Bei Besserverdienenden liege der Anteil noch höher. Die bei der Riester-Rente vorgesehenen vier Prozent reichen nur bei den Jüngeren aus. Denn bei ihnen wirkt sich aufgrund der langen Laufzeit der Effekt von Zins- und Zinseszins voll aus. Besser dran sind die Spätgeborenen dennoch nicht. Denn ihre Rendite im gesetzlichen System ist negativ: Sie zahlen mehr an Beiträgen ein, als sie an Rente herausbekommen.
Artikel erschienen am 21. Okt 2003
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