Advanced Medien: wie ein Ballon unter Wasser
von Engelbert Hoermannsdorfer, Chefredakteur 'BetaFaktor.de'
Vorletzte Woche habe ich die Hauptversammlung der Advanced Medien AG (DE0001262186) besucht. Fundamental gefaellt mir der Wert, und an dem Tag hatte ich gerade keine anderen Ter- mine. Man hatte mich zwar vorgewarnt, dass es eine sehr zeit- intensive Angelegenheit werden koennte. Und ich kann Ihnen sagen: Was ich erlebt habe, hat mich fast vom Stuhl gehauen. Ich habe in meinem Leben deutlich mehr als 100 HVs besucht, aber was hier der Oppositionsaktionaer Franz Enderle aufzog, ist schon starker Tobak. Trotz eines erfolgreich eingeleite- ten Turnarounds in den letzten Jahren bombardierte er das Management mit einem Fragenmarathon. Parallel ficht Enderle seit zwei Jahren praktisch alle HV-Beschluesse an und noetigt die Gesellschaft in kostenintensive Gerichtsverfahren.
Das ergibt kuriose Effekte. Auf der einen Seite muss ich konstatieren, dass fuer einen Advanced-Medien-Aktionaer, der die HV besucht, seine Gesellschaft aufgrund des intensiven Frage-und-Antwort-Spiels fuer ihn wie ein offenes Buch da- liegt. So erfuhr ich z.B. erstmals, dass es fuer die Beteili- gung Telcast, die in den Buechern mit 2,3 Mio. EUR steht, ein Wertgutachten mit einem Ausweis in Hoehe von 6,25 Mio. EUR gibt. Die Telcast-Strategie wird ja bekanntermassen nicht mehr weiter verfolgt, dementsprechend steht die Beteiligung zum Verkauf. Das heisst fuer Aktionaere: Sollte der Deal mit einem Betrag in der Naehe dieser Summe zustande kommen, winkt ein netter ao Ertrag in Millionenhoehe.
Auf der anderen Seite wurde durch das intensive Fragen aufge- deckt, wie hoch alleine die Gerichtskosten durch die Juriste- rei von Enderle, der 200 Aktien (!) im aktuellen Wert von knapp 600 EUR besitzt, im letzten Jahr waren: Ein gutes Stueck ueber 100.000 EUR habe ich grob zusammengerechnet. Mit den Gerichtskosten im Vorjahr – die HV bezog sich ja nur auf das Geschaeftsjahr 2006 – plus den im ersten Halbjahr ange- fallenen Gerichtskosten duerfte Enderle die Gesellschaft bis- lang mehr als eine Viertel Mio. EUR gekostet haben. Bei die- sen horrenden Summen ist es eigentlich ein Wunder, warum noch kein Institutioneller Enderle wegen grob vorsaetzlicher Ge- schaeftsschaedigung verklagte...
Interessant dabei auch: Die Gerichtskosten scheinen im ersten Halbjahr 2007 deutlicher zurueckzugehen. Das heisst fuer den Aktionaer: Das Kerngeschaeft waechst und gedeiht – und paral- lel sinken vor allem die ao Kosten. Denn auch Vorstand Otto Dauer hat dazugelernt: Bei vielen von Enderle angefochtenen Beschluessen geht er parallel den Weg des so genannten Frei- gabeverfahrens. Er laesst also von einem Gericht pruefen, ob der Beschluss im Prinzip gut fuer die Gesellschaft ist. Wenn dies das Gericht bejaht, kann Dauer trotzdem mit der Umset- zung beginnen und die Gesellschaft voranbringen, waehrend er sonst durch die Enderle-Juristerei blockiert waere. Freigabe- verfahren sind sogar juristisch sicherer als HV-Beschluesse.
Alles in allem gefaellt mir Advanced Medien sehr gut. Langsam verstehe ich auch, warum sich offensichtlich Instis hier mittlerweile die Klinke in die Hand geben. Die EPS-Guideline des Managements liegt fuer 2007 bei 25 bis 28 Cent. Eigent- lich muesste ich von mindestens 30 Cent ausgehen, was aktuell ein KGV von unter 10 ergibt. Naechstes Jahr reden wir von einem 8er KGV.
Meine Meinung: Die Enderle-Justizerei haelt den Aktienkurs wie einen Ballon noch kuenstlich unter Wasser. Aber das Mana- gement laesst sich davon nicht beirren und geht erfreulich beharrlich seinen Weg. Der Sprung ueber die 3-EUR-Grenze ist jetzt eher eine Frage von Wochen denn von Monaten. In den Halbjahreszahlen (sie kommen voraussichtlich im August) duerfte wegen der fundamentalen Fortschritte eine Ueberra- schung schlummern. (Schlusskurs in Frankfurt am Freitag, den 13. Juli 2007: 2,87 EUR)
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