Liebe Leser,
aufgrund der zahlreichen Anfragen zum chinesischen Betreiber von Holzplantagen, Sino Forest (WKN 899033), haben wir ein kurzes Update für Sie. Schließlich haben wir Ihnen versprochen, dass wir neben den CompanyMaker-Storys auch die meistdiskutierten Werte behandeln. Auch wir sind - wie viele unserer Leser - von der Aktie schockiert und fasziniert zugleich. In der ansonsten recht ereignislosen Marktphase kann man zumindest feststellen: Hier bewegt sich was! Wie beim Roulette schaufeln die Spieler ihre Einsätze auf den Tisch - nur dass es hier um höhere Einsätze als in allen Casinos zusammen geht.
Allein gestern wurden 60 Millionen Aktien in Kanada gehandelt - von der Eröffnung bei 2,35 CAD wurde der Kurs bis auf 1,29 CAD im Tief durchgereicht und erholte sich zum Handelsschluss auf 1,96 CAD. Noch im April wurde der Wert mit 25 Dollar gehandelt - seitdem wurden rund sechs Milliarden Dollar Börsenwert vernichtet.
Die "100-Millionen-Dollar-Frage" lautet: Ist Sino Forest der größte Börsenbetrug seit Jahrzehnten oder das unschuldige Opfer dubioser Shortseller.
Begonnen hat der Skandal schon Anfang Juni. Die auf Shortselling spezialisierte Gruppe MuddyWatersResearch.com (übersetzt "schmutzige Gewässer"), beschuldigte Sino Forest, bei den in der Bilanz ausgewiesenen Besitzwerten maßlos übertrieben zu haben. Ordentlich nachgetreten hat die Zeitung Globe & Mail am Wochenende. Dieser liegen angeblich Statements lokaler Behörden und Geschäftspartner vor, wonach die erworbenen Waldflächen deutlich niedriger sind, als in der Bilanz ausgewiesen. Nachdem gestern auch noch bekannt wurde, dass der zuvor dick investierte Fondsmanager John Paulson seine 43 Millionen Aktien zu Tiefstkursen auf den Markt warf, verloren die letzten verbleibenden Aktionäre die Nerven.
Unsere Meinung zu Sino Forest: Die Shortseller haben ganze Arbeit geleistet. Welche Rolle John Paulson dabei genau spielte, scheint zweifelhaft. Wer aber ein Portfolio aus faulen Hypothekenkrediten zusammenstellt, diese mit Hilfe von Goldman Sachs an Kunden weiterverkauft und gleichzeitig auf deren Niedergang wettet, dem trauen wir alles zu...
Sino Forest bestreitet die Vorwürfe vehement und hat Pricewaterhouse beauftragt, die Zahlen neu aufzubereiten. Das Problem: Dieser Vorgang nimmt rund drei Monate in Anspruch - so lange bleibt die Aktie Spielball der Spekulanten. Wir haben sämtliche Argumente beider Seiten abgewogen, kommen aber zu keinem Ergebnis. Es gibt auf der anderen Seite auch Analysten wie Richard Kelertas von Dundee Capital, der den Report von MuddyWaters als "Haufen Mist" bezeichnet. In der Bilanz per 31.März wurde ein Cashbestand von einer Milliarde Dollar ausgewiesen. Sollte zumindest diese Zahl der Wahrheit entsprechen, wäre Sino Forest aktuell 50 Prozent unter Cash bewertet. Für Sino Forest spricht auch, dass der Konzern schon seit 1994 ein Forstimperium aufbaut. Aber wie auch immer: Ein fader Beigeschmack bleibt.
Markttechnisch betrachtet ist die Sino Forest-Aktie massiv überverkauft. Nur noch hartgesottene Zocker trauen sich - entgegen der Panik - in den Wert. Schon geringste Hinweise darauf, dass die Anschuldigungen von MuddyWaters falsch sind, könnten zu massiven Shorteindeckungen führen. Wer die Aktie tradet, hat zumindest jede Menge Adrenalinkicks - aber genau wie im Casino sollte am besten nur Spielgeld eingesetzt werden!
Quelle:
www.companymaker.de