Alstom lässt in Mannheim länger arbeiten Konzern will künftig zusätzliche Auszubildende übernehmen, um Personalbedarf zu decken
Von unserem Redaktionsmitglied Daniel Albrecht Mannheim. Von einer Auftragsflaute kann bei Alstom in Mannheim keine Rede mehr sein. Seit Monaten wird in den riesigen Werkshallen gearbeitet, was Mensch und Maschine hergeben. In drei Schichten rund um die Uhr, sechs Tage in der Woche. Doch selbst damit lässt sich die Auftragsflut bei dem Turbinenbauer nicht bewältigen. Um die Arbeit überhaupt noch fristgerecht erledigen zu können, einigten sich Geschäftsführung und Betriebsrat jetzt auf eine kräftige Erhöhung der Mehrarbeit an allen deutschen Standorten der Kraftwerkssparte. Ab sofort sind 40 bezahlte Überstunden in einem einzelnen Monat ohne spezielle Genehmigung des Betriebsrats möglich. Die Vereinbarung gilt zunächst zwölf Monate, kann aber bis 2011 verlängert werden. "Das ist heftig", sagt etwas überrascht Eugen Spitznagel vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Im bundesweiten Durchschnitt leiste jeder Arbeitnehmer nur vier Überstunden pro Monat. Selbst die Regelung, nach der auch bei Alstom pro Halbjahr unter dem Strich monatlich nicht mehr als sechzehn Überstunden stehen dürfen, sieht der Arbeitmarkt-Experte kritisch. "Das ist immer noch relativ viel." Fragen müsse man sich daher, ob dies zu Lasten von Neueinstellungen geht. "Nein", tritt Udo Belz, Chef des Alstom-Betriebsrats in Mannheim, solchen Bedenken entgegen. "Das Problem ist, dass am Arbeitsmarkt nicht die eigentlich dringend benötigten Arbeitskräfte zu finden sind", verteidigt er die Vereinbarung, die er nach langwierigen Verhandlungen mit der Geschäftsführung unterzeichnet hat. Allein in Mannheim gebe es derzeit rund 100 offene Stellen, 60 Mitarbeiter seien seit Beginn des Jahres neu eingestellt worden. Um den Personalbedarf in Zukunft decken zu können, will Alstom in Mannheim zudem ab 2008 mehr Auszubildende einstellen - und übernehmen. Pro Jahrgang werden dann 45 statt 35 junge Menschen in dem Werk im Mannheimer Stadtteil Käfertal einen Beruf lernen. Mindestens drei von vier Absolventen der Ausbildungsjahrgänge 2006 bis 2011 will das Unternehmen einen unbefristeter Vertrag anbieten. Für die Alstom-Mitarbeiter sei die Vereinbarung somit ein "Erfolg", findet Peter Toussaint von der IG Metall Mannheim, die den Kompromiss mit ausgehandelt hat. Positiv am Ergebnis sei vor allem, dass eine drohende Verlagerung von Produktionsaufträgen an ausländische Konzernstandorte damit vom Tisch sei. "Zum Wohle des Standorts Deutschland war eine konstruktive Einigung dringend nötig", bestätigt Alstom-Sprecher Immo von Fallois. Da der Konzern nicht um Mehrarbeit und Überstunden herum komme, sei die Geschäftsführung im Gegenzug bei der Einführung des neuen Entgeltrahmentarifvertrags, kurz ERA, zu Zugeständnissen bereit gewesen: Hier soll keiner der Alstom-Beschäftigten Abstriche beim Einkommen hinnehmen müssen. Auch sollen alle Mitarbeiter von künftigen Tariferhöhungen profitieren.
Mannheimer Morgen 24. Juli 2007
|