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Globales Dorf der Wissenschaft Von Norbert Lossau 8. Februar 2009, 01:52 Uhr
Der Schweizer Hochgebirgsort Davos ist nicht nur ein Thinktank für Wirtschaftsexperten und Politiker, sondern auch für Naturwissenschaftler
Krebs, Nanotechnik, Fortschritte der Stammzelltherapie, Fragen zur gesunden Ernährung, die Gefahr globaler Seuchen, das Wachstum des Internets, die Zukunft der Energieversorgung und der Raumfahrt, Strategien gegen den Klimawandel oder auch neue Erkenntnisse der Neuroforschung - diese Themen standen allesamt auf der Agenda des Weltwirtschaftsgipfels von Davos. Zwar dominieren auf dem jährlichen Treffen des World Economic Forum naturgemäß wirtschaftliche und politische Fragen, doch auch Kultur und Wissenschaft nehmen stets großen Raum auf der Tagung ein. Namhafte Wissenschaftler stehen bereit, um über ihre Arbeiten zu berichten und mit den Tagungsteilnehmern wichtige Zukunftsthemen zu diskutieren.
Die sogenannten Neuro-Ökonomen, die wirtschaftliche Prozesse mithilfe von Erkenntnissen der Hirnforschung besser verstehen wollen, machten als Verursacher der aktuellen Finanzkrise ganz eindeutig das menschliche Gehirn aus. "Wir sind noch weit davon entfernt, die Prozesse der Entscheidungsfindung zu verstehen, die sich in unseren Köpfen abspielen", sagte in Davos der Präsident des Kieler Weltwirtschaftsinstituts, Dennis J. Snower. Doch in einem Punkt waren sich die Neuro-Experten einig: Die Gehirne der Menschen und deren Entscheidungen werden sehr viel stärker von Emotionen geleitet als von rationalen Erwägungen. Auch wenn dies viele Philosophen anders sehen, so sei der Mensch doch von dem Ideal "Cogito ergo sum" (Ich denke, also bin ich) ziemlich weit entfernt. "Logik ist das Letzte, was das Gehirn tut", kommentiert Baroness Susan Greenfield, die Direktorin des Royal Institute of Great Britain, "das Gehirn rechnet nicht, es strebt vielmehr den Zustand an, in dem es sich wohlfühlt."
Die Begrenzungen der Hardware Gehirn und dessen Irrationalitäten hätten demnach eine entscheidende Rolle beim Entstehen der Finanzkrise gespielt. Brauchen wir also mehr Hirnforschung, um die nächste Finanzkrise zu vermeiden? Es wäre schon viel gewonnen, wenn die bisherigen Erkenntnisse der Neurowissenschaften konsequent genutzt würden. Die Währung des Gehirns sei der Botenstoff Dopamin, behauptet der amerikanische Neuro-Ökonom Professor Gregory Berns von der Emory University. Das Dopamin schenke den Menschen jene positiven Gefühle, die dann letztlich zu bestimmten Entscheidungen verleiten - zum Beispiel zum Essen von einem kalorienreichen Eis oder zum Kauf eines Finanzderivates, das außerordentlich hohe Renditen verspricht.
Beim Thema Krebs gibt es gute und schlechte Nachrichten. Zum einen nimmt die Zahl der Krebserkrankungen beständig zu, sodass die Experten davon ausgehen, dass bereits ab dem Jahr 2010 weltweit mehr Menschen an Krebs als an Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben werden. Diese führen bislang noch die Liste der häufigsten Todesursachen an.
Bereits heute müssen 41 Prozent aller US-Bürger damit rechnen, irgendwann im Laufe ihres Lebens von einer Krebserkrankung betroffen zu sein. Andererseits gehen bei bestimmten Krebserkrankungen die Todesraten leicht zurück, was zweifelsohne dem medizinischen Fortschritt zu verdanken ist. Manche Experten gehen davon aus, dass bereits heute 40 Prozent aller Todesfälle durch Krebserkrankungen vermieden werden könnten, wenn nur das bereits verfügbare medizinische Wissen auch konsequent angewendet würde.
Große Fortschritte bei der Heilung von Krebs erhoffen sich die Wissenschaftler von der Nanotechnologie. Ziel ist es, Nanopartikel herzustellen, die im Körper des Patienten Krebszellen gezielt aufspüren und diese dann vernichten. Dieser Ansatz wird beispielsweise von Wissenschaftlern an der amerikanischen Rice University verfolgt. Sie haben winzige Hohlkugeln aus Gold hergestellt, vergleichbar mit Christbaumkugeln, nur eben mit einem Durchmesser von weniger als 20 Nanometern, also 20 Milliardstel Metern. An die Oberfläche dieser Hohlkugeln heften die Forscher Antikörper, die sich nach einer Injektion in den Körper an den betreffenden Krebszellen andocken.
Sobald sich die Nanopartikel im Tumorgewebe angereichert haben - was sich von außen mithilfe der Magnetresonanz-Tomografie (MRT) beobachten lässt -, wird die betreffende Körperregion mit Infrarotlicht einer ganz bestimmten Wellenlänge bestrahlt. Dieses Licht dringt problemlos durch das gesunde Gewebe, ohne es zu beschädigen, und wird praktisch nur von den metallischen Goldkügelchen absorbiert. Diese erhitzen sich dadurch auf rund 60 Grad Celsius und zerstören dann mit dieser Hitze das umgebende Tumorgewebe.
Einziger Schönheitsfehler dieser sehr zielgenauen Therapie: Die Metallkügelchen verbleiben nach der Behandlung im Körper. Allerdings spricht vieles dafür, dass von dem chemisch sehr inerten Gold auch langfristig keine Gefahr ausgeht. Doch bewiesen ist das noch nicht.
Jahr für Jahr werden auf dem World Economic Forum innovative Technologie-Unternehmen als "Technology Pioneers" ausgezeichnet. Unter den 34 jetzt gekürten Firmen befinden sich zwei deutsche: MorphoSys aus München und Gameforge aus Karlsruhe. Die 1992 gegründete MorphoSys produziert menschliche Antikörper nach Maß - aus einer Bank mit mehr als zwölf Milliarden verschiedenen Antikörpern. Diese werden in Forschung und Medizin benötigt, um etwa neue Medikamente oder spezifische Therapien zu entwickeln. Bei der Krebstherapie mit den Nano-Goldkugeln werden ja eben auch Antikörper benötigt, die sich gezielt an Tumorzellen anlagern.
Die 2003 gegründete Softwarefirma Gameforge ermöglicht attraktive Online-Spiele mit vielen Teilnehmern. Weltweit haben sich bereits 65 Millionen Menschen mit 50 verschiedenen Muttersprachen bei Gameforge eingeschrieben - täglich kommen 250 000 hinzu. In der globalisierten Welt gibt es einen Trend zu spielerischer Interaktion.
Susan Greenfield bezeichnet dies als Leben in einer zweidimensionalen Welt, auf der Fläche des Monitors eben. Auf diese Weise kann zwar das Gehirn risikolos Dopamin ausschütten und glücklich sein. Doch die Fähigkeit zum Leben in einer dreidimensionalen Welt mit Körperkontakt und realen Risiken drohe bei vielen zu verkümmern. -----------
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