Ausländer nehmen Deutschland AG ins Visier

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Finanzinvestoren
Ausländer nehmen Deutschland AG ins Visier
Deutsche Unternehmen stehen wieder oben auf den Kauflisten ausländischer Fonds. Das birgt Chancen, weil Kapital und Wissen ins Land kommen. Aber es besteht auch das Risiko eines Ausverkaufs, dem die Manager nur wenig entgegen setzen können.
Von Jörg Eigendorf und Frank Seidlitz

Frankfurt - Der Schlachtplan hatte 56 Seiten. Fein säuberlich listeten die Manager der australischen Investmentbank Macquarie im Sommer mögliche Branchen auf, in denen sie in Europa auf Einkaufstour gehen wollten: Flughäfen in Polen, Logistik in Großbritannien, Mautstraßen in Frankreich. Das größte Potenzial aber sahen die australischen Finanzinvestoren in Deutschland. Ob Gaslager, Energieversorger oder beim möglichen Verkauf ganzer Autobahnen – überall wollen die Australier mitbieten.

Es dauerte nicht lange, bis Macquarie Taten folgen ließ: Fast 1,2 Milliarden Euro bieten die Banker für den unscheinbaren Energiedienstleister Techem. Inzwischen ist sogar eine Übernahmeschlacht um den M-Dax-Konzern entbrannt: Mit BC Partners hat ein zweiter Finanzinvestor eine Milliarden-Offerte für Techem präsentiert.

Es ist ein Warnschuss, den deutsche Manager eigentlich nicht mehr bräuchten. Längst haben die Herren und wenigen Damen verstanden, dass härtere Zeiten anbrechen. „Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Dax-Konzern von ausländischen Investoren übernommen wird“, sagt Paul Achleiter, Finanzvorstand des Versicherungskonzerns Allianz. An anderer Stelle wird das weitaus drastischer formuliert: „Es wird aggressiver, es wird emotionaler, und es wird feindlicher“, sagt ein Vorstandsmitglied eines großen Dax-Konzerns.

Die Gefahr lässt sich an den Milliarden ablesen, die Private-Equity-Gesellschaften inzwischen eingesammelt haben. Allein 2006 werden es wohl mehr als 360 Milliarden Dollar sein. Da die Fonds gewöhnlich drei Viertel ihrer Investitionen über Kredite finanzieren, kommen sie auf eine Finanzkraft von rund 1,5 Billionen Dollar. Das ist fast doppelt so viel, wie alle Dax-Konzerne zusammen wert sind. „Die großen Fonds werden bald mit Hilfe der Banken 60 oder 80 Milliarden Euro für eine Transaktion zusammenbringen können“, sagt Siemens-Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer. „Damit ist jeder deutsche Konzern ein mögliches Übernahmeziel.“ Außerdem setzen in Russland und im arabischen Raum nationale Champions mit prall gefüllten Kassen zum Sprung gen Westen an. Und Unternehmen aus Indien und China haben durch Exporte und rasant wachsende Heimatmärkte ihre Kassen gefüllt.

Ob in diesem Kapitalstrom nach Deutschland mehr Gefahren oder Chancen für das Land liegen, daran scheiden sich die Geister. „Wir sind die besseren Investoren und Eigentümer“, sagt Johannes Huth, der Europa-Chef der weltweit größten Private-Equity-Gesellschaft Kohlberg Kravis Roberts & Co. (KKR) selbstbewusst. „Wir bringen Erfahrungen mit, die wir in der gleichen Branche in anderen Ländern gemacht haben.“ In der Tat kann KKR wie auch andere einst als Heuschrecken verschriene Private-Equity-Gesellschaften in Deutschland eine durchaus positive Bilanz vorweisen. Unternehmen wie Wincor Nixdorf, MTU oder Premiere gelten als Erfolgsgeschichten in der hiesigen Unternehmenslandschaft.

Von WELT.de befragte Manager sehen es hingegen als bedenklich an, wenn es zu einem Ausverkauf in der Konzernlandschaft kommen sollte: „Wir müssen aufpassen, das wir Deutschen und Europäer bei der anstehenden Konsolidierung nicht leer ausgehen“, sagt Chefaufseher von Pierer.

Dass auch große deutsche Traditionshäuser in Hände ausländischer Finanzinvestoren fallen könnten, will niemand mehr gänzlich ausschließen. „Deutschland ist insgesamt unterbewertet. Deshalb ist die Gefahr real“, sagt Dietrich Becker vom Wallstreet-Haus Perella Weinberg Partners. Das macht sich auch in der Statistik bemerkbar. Bei der Zahl der Übernahmen steuert Deutschland auf ein Rekordjahr zu. In diesem Jahr haben bislang 674 Unternehmen mit einem Gesamtwert von 67 Milliarden Euro den Besitzer gewechselt.

Erst kürzlich hat ein Konsortium unter der Führung des Private-Equity-Hauses Bain Capital dem Vorstand des Reifenherstellers Continental ein milliardenschweres Übernahmeangebot gemacht. Doch die Conti-Manager lehnten die Offerte ab. Einen feindlichen Übernahmeversuch wollten die Investoren dann doch nicht wagen – noch nicht. Für die Manager deutscher Unternehmen stellt sich die Frage, wie sie auf die Übernahmegefahr reagieren sollen. Es scheint, als müssten sie nun dafür büßen, in den vergangenen Jahren konsequent ihre Hausaufgaben gemacht zu haben. Die meisten Konzerne haben nicht nur Schulden zurückgezahlt und den Umbau vorangetrieben, sondern auch ihre gegenseitigen Kapitalverflechtungen abgebaut, die so aus der Mode gekommene „Deutschland AG“.

Damit fehlen verlässliche Aktionäre, was die Unternehmen wiederum für Übernahmen anfällig macht. Fast sehnsüchtig blickt da so mancher Manager nach Düsseldorf, wo sich der Stahlkonzern ThyssenKrupp mit seiner Haus-Stiftung als starkem Anteilseigner gegen Übernahmen gewappnet hat. „Wenn wir einen Ausverkauf verhindern wollen, brauchen wir verlässliche Eigentümer“, sagt Matthias Graf von Krockow, Sprecher der Geschäftsführung des Bankhauses Sal. Oppenheim. „Da können auch Kapitalverflechtungen unter deutschen oder europäischen Konzernen sinnvoll sein.“

Konsens ist das allerdings nicht. Allzu präsent ist noch der Nachkriegs-Kuschelkapitalismus mit seinen Folgen: kritiklose Aufsichtsräte, Managerbünde, in denen einer dem anderen nichts Böses tat. Überkreuzbeteiligungen seien kein Ausweg, meint deshalb Allianz-Vorstand Achleitner, der die Anteile seiner Versicherung an heimischen Konzernen drastisch reduziert hat: „Wir würden uns gegenseitig schützen, aber international immer weiter zurückfallen.“ Eine Alternative sei es, Aktienprogramme für Mitarbeiter auszuweiten. „Das motiviert und sorgt gleichzeitig für verlässlichere Eigentümer.“ Wobei eines immer noch die beste Abwehrstrategie ist: wenn man zu teuer ist, um übernommen zu werden. „Es gibt keinen besseren Schutz als eine langfristig den Wert maximierende Geschäftspolitik“, sagt der Stahlunternehmer Jürgen Großmann, der als Eigentümer der Georgsmarienhütte feindliche Angreifer nicht fürchten muss.

Beim Kampf um einen höheren Börsenwert haben die Deutschen allerdings einen Nachteil. Ernst Faßbender, Deutschland-Chef der Investmentbank Lazard, bringt es auf den Punkt. Die Firmen könnten nicht „schnell und nachhaltig genug restrukturieren“. Dafür fehle die gesellschaftliche Akzeptanz. Das hat Siemens-Aufsichtsratschef von Pierer nach eigenem Bekunden immer wieder zu spüren bekommen. Noch hielten derartige Schwierigkeiten auch Private-Equity-Gesellschaften und internationale Konkurrenten fern. Doch wie lange noch? „Wenn wir es nicht machen, werden es irgendwann ausländische Investoren tun.“

Artikel erschienen am 25.11.2006


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