Alfred Roth will die Mobilfunkfirma Wapme profitabel machen. Und fängt damit bei sich selbst anvon Frank Wilmes Wapme what? Der Name hört sich nach Techno-Musik an, aber nicht nach Softwarelösungen für Handys. Genau das aber ist die Spezialität der Wapme Systems AG in Düsseldorf. Sie setzt anspruchsvolle Ideen um, damit Unternehmen den Mobilfunk gezielt zur Kundenbindung einsetzen können. So nutzen zum Beispiel Fernsehsender wie Super RTL oder das Deutsche Sportfernsehen dieses Wissen, um Zuschauer zur Teilnahme an Quizsendungen oder Abstimmungen aufzurufen, oder die Sex-Kanone Dolly Buster verschickt per SMS erotische Bilder an Abo-Kunden.
So glatt und schön, wie die bunte Medienwelt aussieht, liefen die vergangenen Jahre aber nicht. Das Unternehmen ist in einem pubertären Zustand, voller Widersprüche, aber mit dem Drang, künftig geschickter mit eigenen Talenten umzugehen. Wie ist es möglich, daß das Unternehmen bei einem Pro-Kopf-Umsatz von zwei Millionen Euro rote Zahlen schreibt? Wieso muß es seine Belegschaft radikal von 120 auf 40 abbauen, obwohl es weltweit zu den 20 besten Anwendungsentwicklern im Mobilfunkmarkt gehört?
"Diese Widersprüche sind ein Wahnsinn", sagt Vorstandschef Alfred Roth, der erst Ende Mai 2004 vom Aufsichtsrat in das Management wechselte, um den widerborstigen Sprößling zu erziehen. Anfang des Jahres prognostizierte Roths Vorgänger noch einen Umsatz in Höhe von 140 Millionen Euro, nun läuft es auf knapp 80 Millionen Euro hinaus. Und die Ebitda, das Betriebsergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, dürfte statt eines Plus von zwei Millionen Euro auf etwas mehr als eine Million Euro minus dahinschmelzen.
Wapme, erst 1996 gegründet und bereits im Sommer 2000 am Neuen Markt gelistet, hat im Zeitraffer schon alles erlebt, wofür andere Unternehmen Jahrzehnte brauchen. Gründung, Aufbruch, Krise, Konsolidierung und Neuausrichtung - alles in wenigen Jahren. "Wir mußten mit harten Bandagen kämpfen, um die Wende zu schaffen. Das war heftig", sagt der Vorstandsvorsitzende.
Aber er hat es geschafft - und offenbar ist auch der Ärger mit dem Finanzamt bald ausgestanden. Die Beamten verweigerten bisher die Auszahlung von 5,5 Millionen Euro Umsatzsteuer, weil sie Wapme unterstellen, es hätte über Scheinfirmen Umsatzsteuer hinterzogen. Damit entzogen sie dem Unternehmen dringend benötigtes "Working Capital" für Vorfinanzierungen und Investitionen.
Um seine Unschuld zu beweisen, investierte das Management über 1440 Stunden in eine lückenlose Dokumentation. Das sind 180 Arbeitstage zum Nulltarif für das Finanzamt. Wie es aussieht, überweist die Behörde Ende 2004 - nach 18 Monaten - endlich das Geld. Reichlich spät, denn zwischenzeitlich mußte das Unternehmen massiv Arbeitsplätze abbauen, um den Liquiditätsengpaß zu meistern.
Ohne die Eingriffe des Finanzamtes wären vielleicht die Folgen von eigenen Managementfehlern weniger drastisch verlaufen: Statt die vorhandene Kundschaft zu pflegen, tanzte das Unternehmen im Hochgefühl des Börsenbooms auf zu vielen Hochzeiten, zerfranste seine Aktivitäten und verlor das Kerngeschäft aus den Augen. Außerdem belasteten hohe Fixkosten und ein völlig mißratener Markteintritt in der Türkei das Ergebnis. Die Mentalitätsunterschiede waren einfach zu groß.
Wie Roth sich wohl an seinem ersten Arbeitstag fühlen mußte - zwischen maroder Bilanz und falscher Ausrichtung? Er kam und fackelte nicht lange. Seine erste Aktion: Er wirbt von der Konkurrenz Vertriebsleute ab, baut den Vertrieb aus und stellt ihn von der Umsatzsteuerung auf Deckungsbeitrag um. Dann drückt er im Eiltempo zahlreiche Maßnahmen durch. Sie reichen von einer veränderten Lohnstruktur über Outsourcing unrentabler Dienstleistungen bis hin zu einer Barkapitalerhöhung.
Der entscheidende Punkt: Er richtet das Unternehmen neu aus, indem er den Umsatzanteil mit dem Handyhandel bis 2010 von derzeit 80 Prozent auf dann 35 Prozent abbaut und zugleich das profitable Geschäft mit dem "Mobile Entertainment" ausbaut, das heißt Wapme entwickelt die Software für Spiele, Quiz, erotische Bilder oder Sportinformationen via Handy und stellt den technischen Service bereit.
Die Aktionäre können wieder frohlocken. Bisher brauchten sie Geduld, Nerven und ein stabiles Vertrauen in die Geschicke des Managements. Vom Jahreshoch 4,43 Euro sauste der Kurs auf 1,31 in die Tiefe und steht nun bei 1,67 Euro. Börsenachterbahnfahren findet Florian Homm offenbar spannend. Der Investor, durch sein Engagement bei der maroden Borussia aus Dortmund bekannt, stieg bereits im August 2003 mit 17 Prozent bei Wapme ein und spielt nun für andere Aktionäre den Lockvogel. Motto: Wo Homm ist, wird gut verdient. Roth über Homm: "Ein geradliniger Mann, brutal offen." Roth selbst bezeichnet sich als einen "unbequemen Typen", bei dem es unbedingt immer vorangehen müsse. Ein interessantes Gespann.
Roths Machart gefällt Homm. Der gelernte Tischler und studierte Wirtschaftsingenieur spielt nicht nur den harten Sanierer bei anderen, sondern fängt bei sich selbst an: Er kürzt die Vorstandsgehälter, veröffentlicht sie im Geschäftsbericht und verzichtet auf den eigentlich üblichen Fünf-Jahres-Vertrag. Zwei Jahre seien genug. So verfährt Roth auch mit Vorständen, denen er als Aufsichtsratsvorsitzender gegenübersteht. "Wenn ein Vorstand die Erwartungen nicht erfüllt, muß sich das Unternehmen ohne großen finanziellen Schmerz von ihm trennen können. Erfüllt ein Vorstand die Erwartungen, hat er auch nichts zu befürchten."
Roth fühlt sich bei Wapme auf der sicheren Seite.
Artikel erschienen am 31. Oktober 2004
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