Seit 2003 bin ich im Verbraucherschutz tätig. Ich habe ungefähr 50 oder 60 Strafanzeigen gestellt, vielleicht waren es auch 100. Es gab Strafanzeigen, da habe ich die Ermittlungen quasi schon mitgeschickt, fertig verpackt. Belege, Beschuldigte, Hintergründe, alles. Die meisten wurden trotzdem eingestellt. Leider habe ich die Dokumentation dazu irgendwann weggeschmissen, denn oft waren die Begründungen köstlich.
Eine meiner Lieblingsgeschichten: Einen dänischen Betrüger hatte ich jahrelang im Visier. Irgendwann dachte ich, "jetzt habe ich Dich!". Ich ermittelte in einem Fall, hatte alles beisammen. Ich war mir aber nicht sicher, denn als ich den Fall mit einem LKA-Mann diskutierte, sagte dieser, dass bei Ermittlungen ein italienischer Ausweis auf den Namen aufgetaucht ist - mein Betrüger war aber definitiv Däne. Ich wusste so ziemlich alles über ihn...
In meiner Verzweiflung recherchierte ich zu dem Italiener und fand heraus, dass er kurz zuvor eine italienische Firma gegründet hat. Im Register stand sein Geburtsort - es war dieselbe dänische Kleinstadt. Leider ein Allerweltsname, es gab drei davon in dieser Stadt. Über das dänische Handelsregister fand ich die Wohnadresse des Dänen und mehrere dazugehörige Telefonnummern. Ich rief dort an und landete bei einer Person, die mir erzählte, dass der Däne jetzt in Italien lebt. Er gab mir eine italienische Telefonnummer, die war tot. Dann besorgte ich mir die italienische Telefonnummer zu dem Namen des Dänen und bei einer ging er ran! Er gab zu, der richtige Mann zu sein, stritt aber ab, dass es sich um Betrug handelt.
Mit dem ganzen Zeug ging ich zur Staatsanwaltschaft, die stellten das Verfahren ein. Begründung: "Bei dem dem LKA vorliegenden Dokument handelt es sich um eine Fotokopie eines italienischen Personalausweises. Erfahrungsgemäß werden in solchen Fällen gefälschte Ausweise verwendet. Eine Ermittlung ist daher nicht zielführend".
Ich habe mit dem Staatsanwalt telefoniert und irgendwann ins Telefon gebrüllt: "Aber ich habe mit ihm telefoniert!!!!!". Keine Chance... Der Däne arbeitet heute im Bereich Krypto, manchmal google ich ihn zum Spaß...
Laut Wikipedia ist ein Querulant "ein Mensch, der trotz geringer Erfolgsaussicht besonders unbeirrbar und zäh einen Rechtskampf führte. Dabei steht ein geringfügiger oder vermeintlicher Anlass kaum noch in einem angemessenen Verhältnis zum rechthaberischen, misstrauischen, fanatischen und unbelehrbaren Vorgehen der so bezeichneten Menschen."
Ich sehe mich nicht als Querulant...
Kurz bevor ich den ersten längeren Text zur Wirecard schrieb, Anfang 2004, bombardierte ich die zuständige Behörde mit Beschwerden. Mehrere am Tag... Die Behörde schrieb irgendwann entnervt zurück, dass sie nichts machen kann. Ich meinte dann: "Doch! Wenn ich Ihnen jeden Tag mehrere völlig berechtigte und formal korrekte Beschwerden schicke mit immer demselben Sachverhalt zu immer derselben Firma, dann gehen Sie doch einfach komplett gegen die Firma vor!".
Und siehe da... https://www.teltarif.de/arch/2004/kw16/s13445.html
2006 meinte dieselbe Behörde dann gegenüber der Justizministerin, dass es zu einem bestimmten Sachverhalt nur wenige Beschwerden gäbe. Daraufhin ließ ich mir ein Programm schreiben, mit dem ich die Beschwerdemaske der Behörde automatisch ausfüllen konnte. Ich suchte jeden Fall und schickte jedes mal eine Beschwerde. Die arme Behörde schrieb irgendwann, dass ich doch bitte aufhören soll, weil die komplette Beschwerdeabteilung mit meinen Anfragen beschäftigt sei. 75% aller Beschwerden in ganz Deutschland kamen von mir. Ich erinnerte die Behörde an ihre Aussage, dass es doch nur wenige Beschwerden gäbe...
Und siehe da: https://www.tagesspiegel.de/politik/...fur-telefonwerber-1492156.html
In einem anderen Fall kooperierte ich mit Ermittlern seit 2003, bis der Betrugsfall (ca. 13 Mio € Schaden) dann endgültig juristisch abgearbeitet wurde - mit dem letzten Urteil im September 2015! https://verbraucherschutzforum.berlin/2015-09-14/urteil-69-173941/
Ich betreibe einen irrsinnigen Aufwand, aber nie ohne ein klares Ziel. Irgendwann kannten mich die Behörden und reagierten teilweise wirklich schnell. Das war der Lohn langjähriger Nerverei...
In einem Fall begannen Betrüger am Tag vor Weihnachten mit einer riesigen Telefonbetrugsaktion mit Hunderttausenden Opfern. Ich schrieb am Morgen des ersten Arbeitstages danach eine Mail an die Behörde und sie sperrten alle Abbuchungen bei allen Telefonbetreibern und schalteten die Staatsanwaltschaft ein. Die Betrüger wurden verurteilt.
Nur bei Wirecard hat mir nie jemand geglaubt :(
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