Linken-Obmann Fabio De Masi - "Marsalek muss endlich eingelocht werden"
10.08.2020 20:14 Uhr Versteckt sich Jan Marsalek, die Schlüsselfigur des Wirecard-Skandals, in Russland? Außenminister Maas soll Moskau um Hilfe bitten, fordert der Linken-Politiker Fabio De Masi.
ZDFheute: Herr De Masi, verschiedene Medien berichten, dass sich der geflohene Wirecard-Manager Jan Marsalek in Russland verstecken soll. Was erwarten Sie von Außenminister Heiko Maas, wenn er am Dienstag zu seinem Amtskollegen nach Moskau reist?
Fabio De Masi: Wir haben immer noch keine gesicherten Erkenntnisse. Es gibt viele Gerüchte, die bis dahin reichen, dass Herr Marsalek zum Beispiel mit westlichen und mit russischen Geheimdiensten zusammengearbeitet haben soll. Das muss auf jeden Fall aufgeklärt werden. Die Bundesregierung hat uns gesagt, das Bundeskriminalamt habe bei den russischen Behörden eine Anfrage zur Einreise Marsaleks gestellt, die bisher nicht beantwortet sei. Herr Maas sollte die Russen bitten, hier Abhilfe zu leisten und eine Antwort zu erteilen.
ZDFheute: Warum ist Marsalek für die Aufklärung des Wirecard-Skandals so wichtig?
De Masi: Marsalek war eine Schlüsselfigur, um die ganzen Bilanzmanipulationen durchzuführen. Er war es auch, der immer die Kohlen aus dem Feuer geholt hat, wenn die Sache drohte aufzufliegen. Und deswegen kann das ganze Wirecard-Puzzle nur gelöst werden, wenn wir ihn hier in Deutschland haben und er verhört werden kann. Marsalek muss endlich eingelocht werden, um das in aller Klarheit zu sagen.
Der Finanzdienstleister Wirecard galt einst als große Hoffnung der deutschen Wirtschaft. Doch durch jahrelang unbemerkten Betrug kam das Unternehmen zu Fall.
ZDFheute: Marsalek konnte am 18. Juni offenbar ungehindert ausreisen. Hätten die Behörden da schon ahnen können, dass eine Verwicklung in kriminelle Machenschaften im Raum steht?
De Masi: Absolut. Herr Marsalek war von Anfang an eine dubiose Figur. Ich frage mich, warum der Haftbefehl nicht früher ausgestellt wurde. Es gab zum Beispiel nach meiner Kenntnis schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt eine Geldwäscheverdachtsmeldung der Unicredit-Bank gegen Herrn Marsalek. Ich frage mich: Was ist damit eigentlich passiert? Und warum haben die Behörden nicht schneller reagiert?
ZDFheute: Müssten nicht auch Marsaleks Hobbys deutsche Ermittler alarmieren?
De Masi: Marsalek ist ein sehr unangenehmer Typ. Es gibt alle möglichen Gerüchte über die Zusammenarbeit mit Geheimdiensten, dass er Sushi von nackten Frauenkörpern aß, dass er Kontakte zu rechtsextremen Kreisen in Österreich unterhielt. Er hat sich um den Aufbau einer Söldner-Armee in Libyen bemüht, um Flüchtlinge abzuwehren. Er soll geprahlt haben, dass er im Besitz einer Formel für Giftgas sei. Da sind doch Dinge dabei, die auch unsere Sicherheitsbehörden interessieren sollten.
Chronik des Wirecard-Skandals Mitte Juni: Wirecard räumt vor seinem Insolvenzantrag ein, dass 1,9 Milliarden Euro nicht auffindbar sind, die auf philippinischen Treuhandkonten verbucht sein sollten. Ende Juni: Der Börsenkurs der Aktie stürzt über 90 Prozent ab. Wirecard stellt einen Insolvenzantrag. Anfang Juli: Ex-Vorstand Jan Marsalek ist untergetaucht. Mitte Juli: Die Finanzaufsicht Bafin weist jegliche Schuld von sich. Doch Bundesfinanzminister Olaf Scholz gibt zu, seit Februar 2019 über Unstimmigkeiten Bescheid zu wissen. Mitte Juli: Der Chef der Wirecard-Tocher CardSystems Middle East stellt sich in München den Ermittlern und wirft als Kronzeuge der ehemaligen Wirecard-Führungsriege offenbar gewerbsmäßigen Bandenbetrug vor. Ende Juli: Neue Haftbefehle gegen drei Vorstände werden erlassen, darunter auch Ex-Chef Markus Braun. Das Interview führte Andreas Kynast, Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio.
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