BP hat seit dem Macondo-Unglück am 20. April 2010 rund 75 Milliarden Dollar an Börsenwert verloren und weitere 20 Milliarden Dollar an die US Regierung überwiesen. Wenn man davon ausgeht, dass bereits über eine Million Barrel Rohöl aus dem Unglücksbohrloch ausgeflossen sind, hat BP für jedes Ölfass schon 75.000 Dollar Buße bezahlt – also das Tausendfache des Produkts, das BP verkauft. Und das ist erst der Anfang. Eine gewaltige Armada an Rechtsanwälten hat begonnen, sich für den Generalangriff gegen BP zu formieren und das Geschäft des Jahrhunderts zu machen. Man kann sich jetzt schon vorstellen, wie dagegen das kleine Häufchen an beschuldigten Ingenieuren aussehen wird.
Rentabilität. Angesichts solcher Wert- und Imageverluste fragt man sich, ob das potenzielle Risiko von Offshore-Bohrungen wirtschaftlich überhaupt noch tragbar ist. Die Antwort der Branche ist ein ganz klares und unmissverständliches Ja. Die US-Firma Halliburton, die mit der Zementabdichtung des BP-Bohrlochs beauftragt war, geht mit dem offiziellen Statement voran: „Die Vorfälle im Golf von Mexiko haben unsere Begeisterung für vermehrte Tiefsee-Aktivitäten in den kommenden Jahren nicht gedämpft“, sagte Konzernchef Dave Lesar. Auch das österreichisch-australische Explorationsunternehmen ADX Energy hat an den Börsen Sydney und Frankfurt kürzlich zugelegt, als mitten in der BP-Katastrophe der Beginn der 20 Millionen € teuren Tiefwasserbohrung „Lambouka“ im Mittelmeer bekannt gegeben wurde. Brancheninsider sind sich einig, dass der Unfall nicht passieren hätte müssen, wenn BP die tausendfach erprobten Technologien und Sicherheitsmaßnahmen richtig und gewissenhaft eingesetzt hätte. Die Branche ist davon überzeugt, dass sie die vorhandenen Technologien hat, um „Blowouts“ wie bei BP zu verhindern: das Risiko geht gegen null.
Tourismus. Ohne Offshore-Exploration ist es unmöglich, die künftige Öl-Versorgung sicherzustellen. Die größten noch nicht gefundenen Felder liegen im Offshore-Tiefwasser oder in seichteren Offshore-Bereichen, die bisher aus Tourismus- oder Umweltschutzgründen versperrt waren. Die wenigen Onshore- Erdölfelder sind in der Hand der OPEC oder von Staaten wie Nigeria, Russland, Irak und Iran, in denen ein Zugang für private Firmen riskant oder unmöglich ist. Das zentrale Problem der Industrie ist aber nicht die Technologie oder die Wirtschaftlichkeit von Offshore-Bohrungen, sondern der kompetente Einsatz der erprobten Technologien durch den „Produktionsfaktor“ Mensch. Die Zahl der
mit Klagsvorbereitungen beschäftigten Anwälte in Texas und Louisiana übersteigt bereits heute die Zahl der Ingenieure, die nach Lösungen suchen, um ein Hundertfaches. Jungen Talenten, die vor der Studienwahl stehen, wird klar vor Augen geführt, dass in Umverteilungsberufen wie Anwalt oder Banker viel mehr Geld mit viel weniger Verantwortung und Gefahr zu verdienen ist.
Kluge Köpfe. Nur wenn der akute Mangel an guten Ingenieuren und Technikern in der Erdölindustrie behoben wird, können wir beruhigt in die Zukunft blicken.
http://www.wirtschaftsblatt.at/home/meinung/...indern-431400/index.do