Die letzte Chance Die WTO-Tagung in Cancun ist gescheitert. Der Westen hat es damit geschafft, die letzte Chance beim Schopf zu ergreifen, um seine Agrarsubventionen und Schutzzölle zur Abwehr der Güter aus den armen Ländern abzuwehren. Es gibt Untersuchungen, dass eine Einführung der Marktwirtschaft in den reichen OECD-Ländern Steuergelder in Höhe von 300 Milliarden Dollar einsparen und gleichzeitig bis zum Jahr 2015 etwa 144 Millionen Menschen weltweit aus der schlimmsten Armut herausholen würde.
Natürlich würden wir uns dabei auch heftige Probleme im Inneren schaffen, weswegen die Lobbygruppen zwar stets von Marktwirtschaft reden, sie jedoch fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Wie hat unsere Gesundheitsministerin das gestern in anderem Zusammenhang gesagt: "Sie kleben wie Pattex daran, dass sich nichts ändert."
Von freier Marktwirtschaft wird also weiterhin mehr geredet als gehandelt. Und für uns in den reichen Industrieländern ist das auch gut so. Denn was würde passieren, wenn plötzlich unsere Grenzen offen wären für Zucker aus Mauritius, für Rindfleisch aus Argentinien, für sonstige Agrarprodukte aus Afrika? Es gäbe eine riesige Krise überall innerhalb der EG: Da ist es doch rationaler, sich weiterhin nach außen abzuschotten, gigantische Exportüberschüsse aufzubauen, jedoch keine Defizite einzufahren, wie sie sich in einem freien Welthandel zwangsläufig für die Hochlohnländer ergeben würden. Und mit den dabei erzielten Wohlfahrtsgewinnen in mehrstelliger Milliardenhöhe kann man dann trefflich ein paar Millionen an Entwicklungshilfe geben.
Wie so etwas an einem ganz einfachen Beispiel funktioniert, erläutert Jim Rogers in seinem neuen Buch "Adventure Capitalist". In den USA gibt es in der Fest-Saison Sammelaktionen von Bekleidung für die notleidenden Menschen in Afrika. Dies hat folgende Effekte. Erstens kommen die Kleidungsstücke nicht bei der Bevölkerung an, sondern lassen sich (von Rogers) wunderbar auf dem Schwarzmarkt wiederfinden. Zweitens wird dadurch die heimische afrikanische Textilindustrie kaputt gemacht, weil ein derartiger Qualitätsstandard dort nicht produziert werden kann. Und drittens wird damit der US-Wirtschaft geholfen, denn wer alte Sachen weg gibt, ist in der Regel anfälliger für eine Neuanschaffung. Ein teuflisches System, das die Reichen reicher und die Armen ärmer macht.
Europa und die USA sind aus diesen Gründen also weiterhin ein Kauf. Nicht weil sie auf den freien Markt setzen, sondern genau umgekehrt: Weil sie nicht auf den freien Markt setzen. Und Emerging Markets sind aus den selben Gründen auch weiterhin deutlich mit Vorsicht zu betrachten. Das ist zwar zynisch, aber es spiegelt die Realität wider. So sieht unsere Welt aus.
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