Dass Bertelsmann an die Börse geht, ist für mich das Signal, der Börse den Rücken zu kehren. Bei Bertelsmann sind die Boom-Jahre passé. Dem Konzern geht es organisch nicht besonders gut: Die Firmenbereiche - Printmedien (Gruner + Jahr), Druck, Bücher/Buch-Clubs, DVDs und CDs (Fusion der BMG mit Sony Music) und Fernsehen (RTL) - erwirtschaften in der Summe ein dünnes Plus. Umsatz und Gewinn stagnieren seit Jahren (siehe Bilanz unten).
Der Printbereich leidet seit Jahren unter Einnahmerückgängen, da die begrenzten Anzeigen-Budgets der Firmen von Internet-Werbung (Google, Yahoo u. a.) kannibalisiert werden. Der Printbereich lebt aber von den Anzeigen, die Verkaufserlöse der Magazine/Zeitungen sind kleiner als die Werbeeinnahmen. Die FTD, ein Gemeinschaftunternehmen mit der brit. Pearson Group, schreibt seit ihrem Bestehen rote Zahlen. Der Druckbereich ist o.k., Bücher so la la, der CD-Bereich ist eine Katastrophe: Durch Raubkopien sinken die Erträge seit Jahren. Mega-Fusionen wie BMG + Sony sollen durch Synergieeffekte die Verluste kompensieren, doch gelang das nicht. RTL ist einer der wenigen Gewinnbringer.
FAZIT: Bertelsmann ist in großen Bereichen ein Medien-Konzern "alten Zuschnitts" - und leidet an Kannibalisierungseffekten neuer Medien (Internet) und neuer Techniken (CD-Raubkopien).
Dass Bertelsmann ausgerechnet JETZT an die Börse will, wundert mich gar nicht. Vor einigen Jahren wurde das schon einmal erwogen, wegen des Börsen-Absturzes aber wieder verworfen. Bertelsmann weiß, dass die derzeitige Euphoriephase nicht ewig weitergehen wird. Deshalb werden die Aktien halt jetzt platziert.
Wie gut Bertelsmann im "Market-Timing" ist, zeigte sich 2000, als Ex-Vorstand Middelhoff (heute CEO von Karstadt) zum Höhepunkt der Internet-Blase die Bertelsmann-Beteilung an AOL ("AOL Europe") für 6,75 Mrd. Dollar an den US-Mutterkonzern AOL verkaufte, der zuvor Time Warner aufgekauft hatte. Middelhoff hatte AOL Europe einige Jahre zuvor für nur 75 Mio. gekauft. Dieser Geniestreich brachte Bertelsmann die Milliarden, mit denen sich der Konzern halbwegs über die Krise von 2000 bis heute retten konnte. Sonst stünde Bertelsmann heute schlechter da. Diese Finanzspritze ist aber nun erschöpft, die systemische Belastung (Internet-Konkurrenz/Raubkopien) bleibt.
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