AUSLÄNDISCHE INVESTOREN
Deutschlands Großkonzerne auf der Einkaufsliste
Ein Blick in die Bilanzen der 110 größten hiesigen Börsenunternehmen macht deutlich: Viele sind eine leichte Beute für Investoren. Kaum ein Konzernlenker kann sich in Sicherheit wiegen.
Von Karsten Seibel und Holger Zschäpitz
Vielen Unternehmenslenkern muss zu Wochenbeginn unwohl geworden sein. "Blackstone kauft US-Immobilienkonzern für 36 Milliarden Dollar", titelten die Zeitungen. 36 Milliarden Dollar, umgerechnet 28 Milliarden Euro: Nur elf börsennotierte Konzerne in Deutschland sind mehr wert. Spätestens seitdem ist klar: Größe allein schützt nicht mehr vor Übernahmen.
Kaum ein Konzernchef in Deutschland kann sich zurücklehnen. "Nur wer 25 Prozent seiner Aktien in sicheren Händen weiß, hat einen gewissen Schutz gegen Übernahmen", sagt Paul Lerbinger, Chef des Investmentbankings der Citigroup in Deutschland. Der 25-Prozent-Abwehrriegel hat einen Grund: Finanzinvestoren, aber auch strategische Interessenten, brauchen nach deutschem Recht mindestens 75 Prozent, um bei der Neuerwerbung nach Belieben schalten und walten zu können. Seit die Deutschlang AG entflochten ist, gibt es kaum noch einen solchen Schutz durch Großaktionäre. "In den nächsten sechs bis zwölf Monaten wird es eine Übernahme eines Dax-Konzerns durch einen Finanzinvestor geben", kündigte kürzlich Hermann Prelle an, Chef des UBS-Investmentbankings in Deutschland. Neben der Aktionärsstruktur müssen weitere Kriterien erfüllt sein, damit ein Unternehmen in das Beuteschema eines Investors passt.
Bei Unternehmenshochzeiten ist die industrielle Logik eines Zusammenschlusses in Form von Einsparungen und Marktanteilsgewinnen entscheidend. Geschäftbereiche, die nicht in das künftige Portfolio passen, sollten leicht herauszulösen sein, ein Abnehmer für diese Teile möglichst schon bereitstehen. Finanzinvestoren schauen dagegen nur auf die Rendite. Ein hoher Gewinn lässt sich oft allein schon durch Finanzakrobatik erzielen. Dem übernommenen Unternehmen wird ein Teil des Kaufpreises als Schulden aufgebürdet. So können Investoren mit geringem Kapitaleinsatz an hohen Gewinnen teilhaben. Dies funktioniert aber nur, wenn das übernommene Unternehmen zur Begleichung der Schulden stabile Einnahmen hat, also einen hohen Cashflow.
Mehr Aufwand ist notwendig, wenn die Finanzinvestoren durch Restrukturierung den Wert ihres Investments steigern wollen. Dazu ist ein klares Konzept erforderlich, wie das aufgekaufte Unternehmen durch Zerschlagung, Neuausrichtung oder Zusammenlegung mit anderen Firmen eine höhere Rendite erzielen kann.
Auf den Radarschirm für restrukturierungsfreudige Investoren kommen Unternehmen allein schon dann, wenn sie weniger profitabel als die Konkurrenz sind, was oft mit einer niedrigen Bewertung einhergeht. Daher interessieren sich die Firmenjäger besonders für Konglomerate, spekulieren sie doch darauf, dass die Summe der Einzelteile mehr wert als das Gesamte ist. WELT.de zeigt, welche der 110 größten börsennotierten deutschen Unternehmen besonders im Blickfeld stehen.
TUI
Seit 1994 werkelt Vorstandschef Michael Frenzel nun schon an dem einst unter "Preussag" firmierenden Mischkonzern herum. Zuerst wollte er einen reinen Touristikkonzern hochziehen. Nach dem gescheiterten Börsengang der Containerschifffahrtstochter Hapag-Lloyd änderte er die Strategie. Es sollte ein Konzern mit den Säulen Reise und Logistik entstehen. Angesichts der schlechten Geschäftszahlen und der bescheidenen Aktienkursentwicklung wird der Unmut unter den Investoren immer größer. Viele fordern eine Zerschlagung des Konzerns. Sollte Frenzel sich dem entgegenstellen, könnten von Finanzinvestoren eingesetzte Manager seinen Job übernehmen. Ungefähr 90 Prozent der TUI-Aktien sind in Streubesitz.
http://www.welt.de/data/2006/11/26/1124664.html