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Nach den Kursturbulenzen deutet sich ein Ende der Talfahrt an
Von ULF SOMMER
An den Wachstumsbörsen hat sich der Einbruch zu einer ausgeprägten Baisse ausgeweitet. Viele Einzelwerte verloren zwischen 50 und 95 Prozent. In wenigen Wochen wurde bei den Schwergewichten Microsoft, Cisco, Nokia, Dell und Intel über eine Billion DM Anlegergeld vernichtet. Doch der seit März andauernde Abschwung kam zu Recht. In der Superhausse des vergangenen Jahrzehnts legte die Weltleitbörse für Hochtechnologieaktien Nasdaq bis zu 1 450 Prozent zu. Das ist beispiellos in der Börsengeschichte. Die Bewertungen vieler Unternehmen erreichten Niveaus, die noch lange Zeit eine jährliche Steigerung des Wachstums um 100 Prozent erfordert hätte. Während des „Salami-Crashs“ brachen die Aktien aus den Branchen Internet, Telekom, Netzausrüster und Glasfaser nacheinander ein. Zuletzt traf es die Felsen in der Brandung, obwohl sie keine Umsatz- oder Gewinneinbußen in Aussicht stellten. Nur das hohe Bewertungsniveau war Anlass, Technologiewerten den Rücken zu kehren. Zeitweise machte sich panikartige Stimmung breit, in der ohne Kurslimit auch Aktien niedrig bewerteter Firmen mit guten Wachstumsaussichten abgestoßen wurden. Die Abwärtsrotation verschonte keine Branche.
Das Fallen der letzten Bastionen war stets ein Zeichen dafür, dass der Abschwung vor dem Ende steht. Darauf deutet auch das Anlegerverhalten in den letzten Wochen hin: Mehrfach gab es beim Nasdaq-Index Anläufe nach unten in Richtung 3 000 Punkte. Stets war jedoch der Abschwung schwächer als der vorangegangene.
Die meisten Aktien haben inzwischen eine Bewertung erreicht, die eine Fortsetzung des Absturzes nicht mehr rechtfertigt. Beim amerikanischen S&P-500-Index, der am besten das gesamte Spektrum der Industrie- und Technologieunternehmen spiegelt, ist das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf 24 und damit auf den niedrigsten Stand seit 1998 gefallen. An der Nasdaq verringerte sich das KGV von 75 auf 40. Die immer noch hohen Bewertungen werden hier durch stärkere Umsatz- und Ergebniszuwächse gerechtfertigt.
Lichtblicke für ein Ende der Korrektur gibt es auch abseits der Börsenkennzahlen. Anleger vertrauen den Fonds derzeit genauso viel Geld an wie in den Boom-Monaten bis März. Da die Fondsmanager seit März mehr Aktien ver- als gekauft haben, steigt deren Liquidität. Auch im weiten Börsenumfeld weisen die Signale nach oben: Der US-Wirtschaft scheint eine sanfte Landung zu gelingen: Die Konjunktur schwächt sich ab, ohne in eine Rezession zu münden. Im Jahr 2001 wird die US-Notenbank die Zinsen eher senken als weiter anheben. Eher zurückgehen dürften auch die hohen Ölpreise. Schließlich wird sich die Weltwirtschaft allenfalls leicht abschwächen, so dass Sorgen vor starken Gewinn- und Umsatzeinbußen bei den Unternehmen übertrieben sind.
Die Voraussetzungen für einen von Liquidität getragenen Börsenaufschwung sind gegeben. Dennoch werden die Aktienkurse vieler High-Tech- Firmen am Boden bleiben, weil ihre Zukunft nicht so rosig ist wie einst von Vorständen und Analysten prophezeit. Unternehmen, die jährlich fünf Prozent beim Gewinn zulegen, haben keine Bewertungen mit dem 50-fachen des Gewinns verdient. Und wer in Top-Wachstumsbranchen tätig ist, aber in Boomphasen schrumpfende Umsatzzahlen präsentiert, muss einen noch geringeren Aktienwert hinnehmen. HANDELSBLATT, Donnerstag, 02. November 2000
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