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"Newsletter 36 Steinhoff International Holdings N.V. Schadensersatzklagen gegen den Vorstand nicht aussichtsreich Sehr geehrte Damen und Herren, wir möchten Ihnen mit diesem Newsletter wichtige Informationen in Sachen Stein- hoff International Holdings N.V. (Steinhoff) zukommen lassen. Wir haben mittler- weile die rechtliche Prüfung von möglichen Schadensersatzansprüchen abschließen können. Aufgrund der Komplexität des Falles, der sich über mehrere Jurisdiktionen (Deutschland, Niederlande, Südafrika) erschließt, hat dies leider einen deutlich län- geren Zeitrahmen eingenommen als erwartet. Im Ergebnis sehen wir keine hohen Erfolgsaussichten einer Klage auf Schadensersatz gegen die ehemaligen Vorstände der Steinhoff International Holdings N.V. Unsere Einschätzung wollen wir nachfol- gend erläutern: Wie bereits in vorhergehenden Newslettern erläutert, hat aus unserer Sicht der Vor- stand der Steinhoff es unterlassen, rechtzeitig per ad-hoc-Mitteilung darüber zu be- richten, dass die Gläubiger final nicht bereit sind, die Laufzeit der Verbindlichkei- ten über den 30.06.2023 hinaus zu verlängern. Gem. Art. 17 Absatz 1 Unterabsatz 1 MMVO (Marktmissbrauchsverordnung) müssen Emittenten grundsätzlich unver- züglichen Insiderinformationen, die ihn unmittelbar betreffen, veröffentlichen. Als Insiderinformationen gelten nach Art. 7 Absatz 1 a MMVO Informationen über Umstände, die hinreichend konkret sowie nicht öffentlich bekannt sind und sich eignen, den Börsenkurs eines Wertpapiers erheblich zu beeinflussen. Aus unserer Sicht liegt in der Entscheidung der Gläubiger, die Laufzeit final nicht über den 30.06.2023 hinaus zu verlängern, eine derartige Insiderinformation vor. Eine Ver- letzung der Publizitätspflicht kann grundsätzlich auch zu einer Haftung des Vor- stands führen. Aktionären, die zwischen dem 01.09.2022 und dem 14.12.2022 Ak- tien der Steinhoff International Holdings N.V. erworben haben, könnte nach deut- schem Recht ein Schadensersatzanspruch zustehen. Allerdings kann unter bestimm- ten Voraussetzungen die Offenlegung von Insiderinformationen aufgeschoben wer- den, Art. 17 Abs. 4 MMVO (Recht zur Selbstbefreiung). Für ein Klageverfahren gegen die damaligen Vorstände der Steinhoff International Holdings N.V. wäre zunächst entscheidend, welcher Rechtsrahmen maßgeblich ist. Denkbar ist hier die Anwendung deutschen Rechts (Wertpapiernotierung der Ak- tien), niederländischen Rechts (Sitz der Steinhoff International Holdings N.V.) und südafrikanischen Rechts (Sitz der Geschäftsführung in der operativen Hauptzentra- le). Diese Frage lässt sich nach den bisherigen Erkenntnissen nicht zweifelsfrei be- antworten, hat aber elementare Auswirkungen auf potentielle Ansprüche. Nach deutschem Recht kann eine Haftung des Vorstands nach bisheriger Rechtsprechung in erster Linie auf § 826 BGB (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) gestützt wer- den. Dies setzt voraus, dass der Vorstand den Aktionären in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt hat, was aus unserer Sicht durchaus beweisbar wäre. Nach niederländischem Recht hingegen ist die Haftung des Vorstands nach unseren Erkenntnissen deutlich stärker begrenzt und die uns Seite 2 von 3 unterstützenden niederländischen Rechtsanwälte einer renommierten Amsterdamer Anwaltskanzlei haben hier nur sehr geringe Erfolgsaussichten gesehen. Der Vor- stand der Steinhoff könnte sich drauf zurückziehen, dass für ihn niederländisches Recht galt, da die Gesellschaft selbst ihren Sitz in den Niederlanden hatte. Wir se- hen zwar eine überwiegende Chance, dass ein deutsches Gericht nach deutschem Recht zu dem Ergebnis käme, dass ein Schadensersatzanspruch besteht. Aber es gibt zweifelsfrei hohe Restrisiken, dass ein deutsches Gericht anders, nämlich nach- teilig für die Aktionäre entscheidet. Entscheidend für die geringen Erfolgsaussichten ist jedoch der Umstand, dass selbst wenn deutsches Recht Anwendung finden würde und vor einem deutschen Gericht ein entsprechendes positives Urteil erstritten werden könnte, dieses in Südafrika nur schwer vollstreckt werden könnte. Da sich die Vorstände der Steinhoff (und damit wohl auch deren wesentlichen Vermögenswerte) unserer Kenntnis nach aber in Südafrika aufhalten, wäre eine Vollstreckung wohl nur mit sehr großem Aufwand möglich. Denn völkerrechtliche Verträge, welche die gegenseitige Anerkennung von Vollstreckungstiteln zum Gegenstand haben, hat Südafrika nicht abgeschlos- sen. Die Vollstreckung ausländischer Titel wird in Südafrika nach gegenwärtiger Rechtslage von den Regeln des Common Law, welche durch den “Enforcement of Foreign Civil Judgements Act 32 of 1988” und den “Protection of Businesses Act 99 of 1978” ergänzt wird, geregelt. Demnach sind folgende Voraussetzungen für eine Vollstreckung eines in Deutschland erstrittenen Titels nötig (Grundsatzent- scheidung Jones v. Krok 1995 (1) SA 677 (A)): dem ausländischen Gericht muss eine internationale Zuständigkeit im Sinne des südafrikanischen Rechts zugekommen sein; das Urteil muss endgültiger Natur sein; die Vollstreckung des Urteils darf weder der öffentlichen Ordnung noch dem Recht der Natur widersprechen; das Urteil darf nicht durch Betrug erstritten worden sein; das Urteil darf weder die Vollstreckung eines Strafausspruchs noch einer Steuerschuld umfassen und die Durchsetzung des Titels darf nicht dem Pro- tection of Businesses Act 99 of 1978 widersprechen. Zwar ist es nach Auskunft südafrikanischer Rechtsanwälte nicht ausgeschlossen, dass ein deutscher Titel in Südafrika vollstreckt werden könnte. Aufgrund der Komplexität des Themas und des Umstandes, dass die Gesellschaft in den Nieder- landen, und nicht in Deutschland ihren Sitz hatte, seien aber hohe Risiken damit verbunden und es sei zu erwarten, dass einer Anerkennung ein mehrjähriger Rechts- streit vorausgehen dürfte, so die südafrikanischen Rechtsanwälte. Im Zweifel hätten erfolgreich klagende Aktionäre am Ende also einen Titel in der Hand, der nicht (zeitnah) vollstreckt werden kann. Somit wären neben einer langen Verfahrensdauer auch hohe Kosten für Verfahren in Deutschland und zusätzlich in Südafrika zu er- warten, welche von den Klägern zunächst verauslagt werden müssten und dann nur bei erfolgreichem Ausgang von der Gegenseite zurückgeholt werden könnten. Seite 3 von 3 Grundsätzlich müsste jeder Aktionär eine eigene Klage gegen den Vorstand einrei- chen und seinen individuellen Schaden geltend machen. Angesichts der rechtlichen Komplexität hatte daher die SdK an die Initiierung eines Musterverfahrens gedacht, in dem dann die wesentlichen Rechtsfragen geklärt werden. Je nach Ausgang des Musterverfahrens wären dann die jeweiligen Einzelklagen zu erheben. Da ein Schadensersatz aber auch nur denjenigen Aktionären zustände, die zeitlich nahe vor dem 15.12.2022 (frühestens Mitte Juli 2022), dem Tag der Ad-hoc Mel- dung zur geplanten „Restrukturierung“ lag, ihren Aktien erworben haben, hätte nach unserer Einschätzung eine Musterklage keinen Mehrwert für die übrigen Akti- onäre. Denn bis diese Klage entschieden wäre, würden alle Ansprüche der anderen Aktionäre bereits verjährt sein. Angesichts des erheblichen Missverhältnisses zwi- schen Chance und Risiko und des nicht vorhandenen Nutzens für die Mitglieder hat die SdK daher entschieden, kein Musterverfahren zu initiieren. Für Rückfragen stehen wir unseren Mitgliedern unter 089 / 2020846-0 oder unter info@sdk.org gerne zur Verfügung. München, den 04.09.2024 SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V."
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