SPIEGEL ONLINE - 23. Mai 2002, 14:13 URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,197387,00.html
Bush-Rede im Bundestag "Wir verteidigen die Zivilisation per se"
George W. Bush beschwor in seiner 30-minütigen Rede im Deutschen Bundestag die gemeinsamen Ziele der Amerikaner und der Europäer. Er sagte, die Nato sei im internationalen Kampf gegen den Terrorismus wichtiger denn je. Und es sei nötig, Russland in diesen Kampf stärker einzubinden.
Berlin - Bush war von den stehenden Abgeordneten mit Applaus empfangen worden. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse begrüßte den amerikanischen Präsidenten am 53. Jahrestag des Inkrafttretens des Grundgesetzes im Deutschen Bundestag und unterstrich die Bedeutung der USA für die Entwicklung der Demokratie in Deutschland. Thierse mahnte Koalitionen gegen die Armut auf der Welt an, sprach sich für eine gerechte Gestaltung der Globalisierung aus und äußerte den Wunsch, das Umweltprotokoll von Kyoto gemeinsam zu erfüllen.
Bush betonte die gemeinsamen Ziele der Europäer und der Amerikaner. "Wir stehen vor einer todbringenden aggressiven Kraft", sagte Bush. Gegen die Feinde der Freiheit müsse man gemeinsam und entschieden vorgehen. Europa und USA hätten die moralische und wirtschaftliche Stärke, um die Freiheit und den Frieden zu schützen.
Ströbele verlässt demonstrativ den Plenarsaal
Kurz nachdem Bush mit seiner Rede begonnen hatte, verließ der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele die Sondersitzung des Parlaments. Er halte es nicht für richtig, "für diese Politik begeistert zu klatschen", sagte Ströbele, der ein Gegner der amerikanischen Anti-Terrorpolitik ist. Er habe zunächst die Bundestagsverwaltung gefragt, ob er Zwischenfragen stellen dürfe. "Dies ist nicht erlaubt worden, obwohl die Geschäftsordnung des Parlaments auch bei dieser Sitzung gilt."
Zu einem weiteren Störmanöver kam es, als mehrere Personen versuchten, im Plenarsaal ein Transparent mit einer roten Aufschrift zu entrollen. Saaldiener verhinderten dies aber und schoben die Beteiligten aus dem Plenum.
Bush unterbrach durch den Zwischenfall seine Rede kurz. Dann fuhr er fort, das europäisch-amerikanische Verhältnis zu skizzieren. Er begrüßte ein vereinigtes Europa. Wenn sich dessen Einheit festige, dann wüchsen auch Europa und die Vereinigten Staaten zusammen. Amerika begrüße den Erfolg der Europäer, weil dies die Sicherheit auf der Welt erhöhe. Die Mission bestehe auch darin, das russische Volk nach Europa einzubinden und so Amerika näher zu bringen. Russland bewege sich in Richtung Freiheit, sagte Bush. Bush würdigte die Russen, die den globalen Krieg gegen den Terror unterstützten. Das Transatlantische Bündnis werde verstärkt mit Russland zusammenarbeiten. Russland würde nicht mehr als Feind gesehen.
So lange Nationen dem Terrorismus ausgeliefert seien, gebe es keine Sicherheit für sie, sagte Bush. Daher sei die Nato wichtiger denn je. Die Terroristen vom 11. September und ihre Hintermänner hassten Frauen, Juden und Christen. Sie töteten Menschen im Namen einer rassistischen Ideologie. "In diesem Krieg verteidigen wir die Zivilisation per se", sagte Bush. Bush sprach erneut von der "Achse des Bösen". Sollte diese Bedrohung ignoriert werden, gefährdeten die Regierungen der westlichen Welt die Sicherheit ihrer Bürger.
Die militärische Kraft des Bündnisses müsste eingesetzt werden. Noch wisse man nicht, wie die neuen Bedrohungen gegen die westliche Gemeinschaft aussähen. Es müsse alles getan werden, um eine sicherere und bessere Welt zu erreichen. Die Ausdehnung des Handels diene diesem Ziel. "Wir haben die Pflicht, unseren Wohlstand großzügig und klug zu teilen", sagte Bush. Vor allem den Nationen gelte es zu helfen, die zu internen Reformen bereit seien. Bush wies darauf hin, dass die USA für die nächsten drei Jahre ihre Entwicklungshilfe erhöht hätten.
Er ging auch auf den Nahost-Konflikt ein und sprach sich für die Unterstützung Israels im Kampf gegen den Terror aus. Erneut forderte der Präsident einen unabhängigen Staat für die Palästinenser.
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