Ceyoniq schafft das Kunststück, eine deutsche Softwareschmiede zu sein und dennoch in den USA Gewinn zu machen. Die vergangene Woche vorgelegte Neunmonats-Bilanz kann sich auch sonst sehen lassen. Heute bekräftigt auch noch Dresdner Kleinwort Wasserstein seine Kaufempfehlung, die Aktie legt 10 Prozent zu. wallstreet:online sprach mit Milan Stahl, dem IR-Chef und Akquisitionsverantwortlichen des Bielefelder Unternehmens.
? Herr Stahl, die ersten neun Monate des Jahres sind für Ceyoniq erfolgreich verlaufen. Wo sehen Sie die Gründe?
Stahl Wir haben eine vertikale Positionierung im Markt, die uns von vielen Wettbewerbern unterscheidet. Das bedeutet, dass wir mit Business Lines bestimmte Segmente bedienen. Wir haben eine eigene Business Line für Banken, eine für Versicherungen, eine für den Telekombereich und so weiter. Mit anderen Worten: Wir sprechen die Sprachen der Branchen. Zusätzlich haben wir uns als ehemaliger Spezialist im Archivierungsgeschäft weiterentwickelt und mit der neuen Produktserie „Ceyoniq Solutions“ konsequent in Richtung Content-Management weiterentwickelt. Das ist ein Konzept, das beim Kunden sehr gut ankommt.
? Wie sehen die Prognosen aus für das laufende Quartal und für das kommende Jahr?
Stahl Für das laufende Jahr liegen die Analystenschätzungen bei einem Umsatz von 114 bis 117 Mio. Euro, so dass wir im vierten Quartal Umsatzerlöse zwischen 25 Mio. Euro und 30 Mio. Euro erzielen müssen, um die Prognose zu erfüllen.
? Sind Sie da zuversichtlich?
Stahl Zum jetzigen Zeitpunkt liegen uns keine anderen Informationen vor. Wenn das der Fall gewesen wäre, dann hätten wir das natürlich in der Ad-hoc-Mitteilung geschrieben. Für 2002 sieht es so aus, dass Analysten Gewinne von 45 bis 47 Cent pro Aktie für unser Haus schätzen. Ich denke, das sind Größenordnungen, mit denen sich die zukünftige Geschäftsführung des Unternehmens auch anfreundet.
? Das Analystenhaus Independent Research ist natürlich nur eins von vielen. Die haben aber ihre Gewinnschätzung deutlich herunter gesetzt, und zwar für dieses Jahr von 0,21 Euro je Aktie auf 0,16 Euro und für 2002 von 0,74 Euro auf nunmehr 0,38 Euro.
Stahl Wir bilanzieren nach US-GAAP, und ich denke dass wir gute Chancen haben, die Schätzungen von Independent Research zu übertreffen.
? Ein Grund für Independent Research, die Gewinnprognosen so stark zurückzunehmen war die Tatsache, dass die Krise in den USA längerfristige Folgen habe. Sind Sie vom 11. September so stark betroffen?
Stahl Sicher sind wir von der Krise in den USA betroffen. Wir können nicht zaubern. Es hat Verschiebungen gegeben. Wir vermuten aber, dass das vierte Quartal nicht unter diesen Einflüssen stehen wird. Man muss jetzt prüfen, ob die Folgen sich komplett ins nächste Jahr ziehen. Ich denke, man darf den 11. September nicht als Entschuldigung für alles mögliche benutzen. Ich muss auch sagen, dass wir von Independent Research noch nie angerufen worden sind, ich habe mit denen noch nie ein Gespräch geführt. Von daher sage ich Ihnen ehrlich: Ich nehme lieber BNP, Dresdner oder DZ Bank, die ständig auf unseren Messen sind und sich unsere Produkte angucken und Gespräche führen, als Messlatte. ? Ab kommendem Jahr müssen Unternehmen, die steuerrelevante Dokumente elektronisch erstellen, diese in Zukunft auch elektronisch archivieren. Ceyoniq bietet da Hilfe an. Wie groß schätzen Sie das Potenzial?
Stahl Man muss hier zwei Dinge unterscheiden. Die Reform bewirkt, dass mittelfristig die Branche, die Archivierung beherrscht, einen ganz klaren Vorteil hat. Aber Sie dürfen nicht erwarten, dass alle betroffenen Unternehmen 2002 komplett umstellen. Auch hier wird es Ausnahmegenehmigungen geben. Man soll nun nicht erwarten, dass sich der Umsatz von Unternehmen im Archivierungsbereich im ersten Quartal verdoppeln wird. Mittelfristig ist es ein positiver Einfluss auf einen Bereich unserer Kernprodukte, den Archivierungsbereich. Kurzfristig sollte man vor zu großem Übermut warnen. Das muss in ein Konzept gegossen werden, das Zeit benötigt.
? Sie sind seit einer Weile auch auf dem US-Markt aktiv. Wen sehen Sie dort als Ihre Hauptkonkurrenten?
Stahl Das Bild hat sich natürlich gewandelt, weil wir die Schnittstellentechnologie in die USA gebracht haben. Da wir dort „Ceyoniq Solutions“ anbieten, können wir den Wettbewerb gegenüber Unternehmen wie Documentum oder auch IBM antreten. Der US-Anteil des Umsatzes beträgt derzeit knapp 20 Prozent. Im nächsten Jahr wird man schauen, ob der Markt dort eine Größe von mehr als 20 Prozent erzielen kann.
? Das heißt, Sie wollen den Anteil des US-Geschäfts auf alle Fälle ausbauen?
Stahl Ja. Ganz klares Ziel.
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? Der Aktienkurs von Ceyoniq verläuft nicht ganz so erfreulich. Der Titel hat sich seit dem Höchststand von rund 35 Euro auf weniger als 5 Euro verbilligt. Gelingt es Ihnen nicht, den Anlegern das Erfolgmodell der Firma zu vermitteln?
Stahl Nein. Das Problem liegt eher in der Vergangenheit. Wir haben in den USA eine Übernahme getätigt und am 23. Januar 6,65 Mio. Aktien ausgegeben für eine US-amerikanische Einheit, die von vielen skeptisch beäugt wurde. Das Unternehmen passte technologisch und regional sehr gut zu uns und besitzt eine sehr gute Infrastruktur. Es hat allerdings eine defizitäre Vergangenheit Da sind Zweifel aufgekommen, ob wir denn den Turnaround schaffen. Außerdem sind 6,65 Mio. Aktie ausgegeben worden zu einem Zeitpunkt, als sich gerade die Märkte im Technologie-Sektor schlecht entwickelten. Außerdem haben uns Flow-Back-Szenarien getroffen. Wir glauben aber, dass die Rückflüsse aus den USA jetzt vorbei sind. Dazu kommt, dass Wettbewerber von uns mit ihren Zahlen enttäuscht haben.
? Wo sehen Sie die Aktie fair bewertet?
Stahl Viele Analysten bewerten die Aktie mit „kaufen“ und schreiben uns ein Kursziel von 9 bis 15 Euro zu. Aber da spielt auch die Psychologie eine große Rolle. Wenn wir die 45 bis 47 Cent Gewinn pro Aktie schaffen, dann haben wir 2002 ein KGV von 10, was doch sehr attraktiv ist.
Autor: Thorsten Sauter (© wallstreet:online AG),18:34 26.11.2001
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