www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,761172,00.html "Totalversager", "Kursvernichter": So beschimpfen manche Aktionäre Commerzbank-Chef Martin Blessing. An den Plänen des Managers ändert das nichts. Auf der Hauptversammlung wurde eine Mega-Kapitalerhöhung bewilligt - zum Nachteil der Kleinanleger.
Urban Bömmel war in seinem Leben schon auf vielen Aktionärstreffen, deshalb wusste er genau, was in Frankfurt auf ihn zukam. "Bei den Hauptversammlungen der Commerzbank herrscht eine ganz giftige Stimmung", sagt der 74-jährige Aktionär der Bank. "Da wird es richtig persönlich." Er sollte Recht behalten.
Die Commerzbank hatte ihre Aktionäre in die Jahrhunderthalle in Frankfurt am Main eingeladen, dort wo auch Musik- und Theatergruppen, Kabarettisten und Comedians die Zuschauer unterhalten. Dieses Mal aber sitzen Commerzbank-Chef Martin Blessing und sein Vorstand auf der Bühne, auf den Rängen vor ihnen die Aktionäre.
Blessing trägt emotionslos den Geschäftsbericht vor, schaut dabei mal auf den linken, mal auf den rechten Teleprompter. Dabei ist der Inhalt eigentlich ein Grund zur Freude: Mit einem operativen Ergebnis von 1,1 Milliarden Euro im ersten Quartal 2011 sei man gut ins Jahr gestartet. Für das Jahr 2012 erwarte man sogar ein Ergebnis von vier Milliarden Euro.
Die Wut der Aktionäre
Dann aber kommen die Aktionäre an die Reihe und machen ihrem Unmut Luft: "Totalversager", "Kursvernichter", "Hütchenspieler", "notorische Faktenverdreher" - dies waren nur einige der Beleidigungen, die auf den Vorstand einprasselten. Die Commerzbank sei "keine Bank, sondern ein Saftladen", im Management herrsche "unerschütterlicher Dilettantismus". Für den Ärger der Aktionäre gibt es eine Reihe von Gründen.
Da wäre einmal der dramatische Kursabfall, den die Commerzbank in den vergangenen Jahren verzeichnet hat: Der Wert je Aktie ist von 36 Euro im Jahr 2007 auf heute rund 4,25 Euro gefallen. Eine der Ursachen: Das Institut hatte sich 2009 beim Kauf der Dresdner Bank verhoben und musste von der Bundesregierung gerettet werden. Der Bund hält über den Bankenrettungsfonds Soffin daher bis heute eine Sperrminorität von 25 Prozent plus eine Aktie und verfügt zudem über stille Einlagen, ursprünglich in Höhe von 16,4 Milliarden Euro.
Genau das will die Commerzbank nun ändern: Auf der Hauptversammlung wurde mit den Stimmen der großen Anteilseigner eine Mega-Kapitalerhöhung von elf Milliarden Euro beschlossen. Das allerdings geht vor allem zu Lasten der Kleinaktionäre: Mit der Kapitalerhöhung werden neue Aktien ausgeschüttet, die auf dem Markt verkauft werden. So erhält die Bank zwar frisches Kapital, mit dem sie sich vom Bund freikaufen kann. Gleichzeitig aber verwässert sie damit die Anteile, die bereits in Besitz der Aktionäre sind.
Wahl zwischen Pest und Cholera
Klaus Nieding, Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz #DSW#, sieht aber auch keinen anderen Ausweg: "Wir haben die Wahl zwischen Pest und Cholera", sagt er auf der Versammlung. "Da entscheiden wir uns für die Cholera, die ist immerhin noch medizinisch heilbar."
Ganz andere Worte findet Karl-Walter Freitag: Er bezeichnet die Verwässerung der Aktien als "Blessings Resterampe" und poltert: "So ein Vorstand gehört nicht entlastet, sondern entlassen." Er stellt einen Antrag auf Vertrauensentzug - der aber nicht durchkommt.
Der Soffin hat jetzt 1,4 Milliarden Euro seiner stillen Einlagen in Aktien umgewandelt, um seine Sperrminorität zu behalten. Institutionelle Investoren kauften ebenfalls Anleihen, so kam die Commerzbank im ersten Schritt auf 5,7 Milliarden Euro. Noch mehr Kapital soll von weiteren Investoren kommen. Dabei fühlt sich das Institut auf der sicheren Seite: Ein internationales Bankkonsortium - darunter die Deutsche Bank - hat laut Blessing den Kauf der neuen Aktien bereits zugesichert. Durch die Maßnahme sollen die stillen Einlagen des Bundes auf 1,9 Milliarden Euro sinken.
ANZEIGEDie restlichen 1,9 Milliarden Euro Staatshilfen will die Commerzbank mit Eigenkapital begleichen. Pikant daran: Gemäß einem Beschluss des Aufsichtsrats könnte die Gehaltsdeckelung für die Mitglieder des Vorstands dann entfallen. Bisher dürfen sich die Institutschefs nur 500.000 Euro pro Jahr ohne Boni auszahlen. "Ein Schelm, wer Böses dabei denkt", sagt DSW-Geschäftsführer Nieding.
Dividende von zehn Cent
Doch auch die Aktionäre profitieren davon, wenn sich die Commerzbank von den Einlagen befreit - zumindest ein kleines bisschen. Das Institut zahlt bislang jedes Jahr neun Prozent Zinsen auf die Finanzhilfen. Fallen diese weg, können mehr Gewinne ausgeschüttet werden. Da sich durch die Kapitalerhöhung die Aktienzahl ungefähr verdreifacht, fällt die Dividende aber wohl nicht sonderlich hoch aus: Es wird von fünf oder zehn Cent pro Aktie gesprochen.
Kleinaktionär Urban Bömmel muss nun einen langen Atem haben: Er hatte sich vor einigen Jahren 200 Aktien zu je 24 Euro gekauft. Dass der Kurs in absehbarer Zeit wieder auf diesen Wert klettert, ist kaum abzusehen. "Ich bin froh, wenn der Kurs irgendwann über 14 Euro steigt, dann verkaufe ich", sagt der 74-Jährige. "Denn wahrscheinlich lebe ich gar nicht lange genug, bis die Aktie wieder Gewinn abwirft."
----------- Wer sich über mich ärgert,der hat kein Problem mit mir, sondern mit sich selbst
|