Charttechniker sehen noch keine Bodenbildung für deutsche Aktien Frankfurt, 13. Mär (Reuters) - Eine Ende der Talfahrt an den deutschen Aktienmärkte ist nach Einschätzung von Chartanalysten noch nicht in Sicht. Sowohl für Standardtitel als auch für die Wachstumswerte am Neuen Markt seien die technischen Indikatoren extrem schlecht, sagte Stefan Schilbe, Analyst bei HSBC Trinkaus & Burkhardt. "Kurzfristig ist die Entwicklung sehr schwer zu prognostizieren, mittelfristig befindet sich der Deutsche Aktienindex (Dax) in einem intakten Abwärtstrendkanal" - also charttechnisch gesehen weiter auf dem Weg nach unten. Der Index liege weiter deutlich unter seinen durchschnittlichen Ständen der vergangenen 30, 100 und 200 Tage, was ein klares Signal dafür sei, dass der Markt immer weiter fallen werde. Auch für Sandra Schiller, technische Analystin bei der Commerzbank, kann von einer Bodenbildung - also dem Ende eines Negativ-Trends - derzeit keine Rede sein. "Das ist eine Sache von mehreren Monaten. Die neuen Verkaufssignale, die wir gestern erhalten haben, sind bestimmt nicht der Einstieg zu einer Bodenbildung." Den US-Börsen auf dem Weg nach unten folgend, fiel der Dax am Dienstag kurz nach Handelsbeginn auf 5953 Zähler und damit zum ersten Mal seit Dezember 1999 unter die Marke von 6000 Punkten. Der Blue-Chip-Index für die Wachstumswerte am Neuen Markt, Nemax50, markierte nach wenigen Minuten Handel ein neues Allzeittief bei 1717 Zählern. Börsianer führten die Marktschwäche auf die massiven Kursverluste an den US-Märkten vom Vortag zurück. Dort verbuchte der Standardwerte-Index Dow Jones den fünftgrößten Punkteverlust in seiner Geschichte. Der technologielastige Nasdaq-Index schloss auf dem tiefsten Stand seit November 1998. Für die kommenden Wochen prognostizierte Chartexperte Schilbe für die Entwicklung deutscher Aktien höchstens technische Gegenreaktionen in einem fallenden Markt, so genannte "Bear Market Rallys". Trotz des anhaltend schwachen Trends sei die Stimmung jedoch offensichtlich noch nicht allzu pessimistisch. Erst wenn sich am Markt eine "Weltuntergangsstimmung" breit gemacht habe, sei die Voraussetzung geschaffen, dass sich wieder ein Nährboden für eine Trendwende herausbilde, sagte Schilbe. Die charttechnischen Indikatoren zeigten jedoch an, dass der Markt noch nicht überverkauft sei. "Beim Dax wären wir in einem Bereich um die 5700/5600 Punkte so weit, bis man sagen kann, hier muss auf Grund einer überverkauften Situation wieder etwas nach oben passieren." Auch für Commerzbank-Expertin Schiller liegt die nächste tragfähige Unterstützung beim Dax um die Marke von 5750 Punkten. Zudem führt sie an, dass der bevorstehende Verfallstag am kommenden Freitag für Optionen und Futures an der Terminbörse Eurex den derzeitigen Abwärtstrend verlängern wird. Ein pessimistisches Bild zeichnete Schilbe ebenfalls für den amerikanischen Standardwerteindex Dow Jones. "Gestern sind wir erstmals aus der viermonatigen Handelsspanne zwischen 10.300 und 11.000 Punkten nach unten ausgebrochen, wodurch sich der Trend nach unten verstärken könnte." Eine nächste Unterstützung befinde sich bei 9.600 Punkten, Schiller sieht schon einen Halt um die psychologisch wichtige Marke von 10.000 Zählern. Eine weitere Abwärtsbewegung mache ebenso unter fundamentalen Gesichtspunkten Sinn, da auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den USA keine Argumente für eine Trendwende lieferten, sagte Schilbe. Bei der Technologiebörse Nasdaq sei schon "Hopfen und Malz verloren", fügte Schilbe hinzu. Vergangenen Freitag habe sich mit dem Verlassen des Aufwärtstrends von 1990 Punkten nach unten eine signifikante Situation ergeben. "Wenn sich dort nicht eine nachhaltige Bewegung nach oben durchsetzt, geht der Markt weiter runter." Zudem habe der Markt ein sehr aufgestautes Angebot an Aktien, was sich des öfteren durch Handelseröffnungen weit unter dem Vortagesniveau - so genannte "Gaps" - gezeigt habe. Dies deute daraufhin, dass die Abwärtsdynamik sehr stark sei. "Wenn die Nasdaq das momentane Niveau um 1800/1920 Punkte nicht halten kann, könnten wir in Richtung 1760/1770 gehen. Wenn man sich den langfristigen Trendkanal anschaut, ist Abwärtspotenzial bis unter die Marke von 1600 Punkten drin". Commerzbank-Analystin Schiller führt hingegen an, dass sich die Gaps geschlossen hätten, wodurch Hoffnung bestehe, dass sich die Lage an der Nasdaq etwas stabilisiere. "Allerdings nicht in dem momentanen Umfeld", fügte sie hinzu. Für die Wachstumswerte am Neuen Markt sieht Schilbe kein Signal für einen Boden. "Beim Nemax-All-Share liegt die nächste Unterstützung, die vom Oktober 1998 resultiert, bei 1635 Punkten. Sollte die durchbrochen werden, kann er auf 1000 Punkte fallen." Kurzfristige Stabilisierungen könnten durch technische Reaktionen sowie positive Unternehmensmeldungen ausgelöst werden. "Momentan kann man nicht dazu raten, in die Märkte zu investieren", empfahl Schilbe. Das wäre wie der Griff in das fallende Messer. ken/pew
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