Die Anlagestrategen der Banken blicken beinahe einheitlich ins gerade begonnene Jahr 2004 und erwarten ein deutlich auflebendes Wirtschaftswachstum und moderat steigende Kurse an den Börsen. Einer der Hauptgründe für diese Entwicklung sei das anhaltend starke Wirtschaftswachstum in China mit entsprechend positiven Impulsen für den Rest der Welt, ist allerorten zu lesen.
Bei diesem Punkt gießt allerdings eine detaillierte Studie von Credit Suisse First Boston etwas Wasser ins Feuer der Erwartungen. Denn die Analysten gehen davon aus, daß es zu einer politisch beabsichtigten Verlangsamung der Investitionsausgaben kommen wird. Nicht nur mit globalen makroökonomischen Konsequenzen, sondern auch für einzelne Länder, Branchen und Unternehmen.
Sorge über Überhitzungserscheinungen bei Investitionen
Hauptgrund für diese Annahmen sind exzessive Investitionen in der Vergangenheit, eine stark steigende Geldmenge und ein hoher Anteil nicht einbringlicher Kredite. Die Bemühungen, den Wechselkurs des Remninbi zum Dollar stabil zu halten, hätten diese Probleme in jüngster Zeit sogar noch verschärft. Im Unterschied zu früheren Zyklen sei die Inflation bisher allerdings noch nicht angesprungen. Das lasse eine graduelle und zielgerichtete Politik zur Eindämmung der wirtschaftlichen Überhitzung zu und könne zu einem „Soft Landing“ führen. Besonders im Brennpunkt dürften dabei der Hausbau, die Eisen-, Stahl-, Aluminium- und Zementproduktion, aber auch Expansionsprojekte im Automobilbereich stehen.
Es gibt eine Reihe von Anzeichen, die darauf hindeuten, daß die Sorge vor einer wirtschaftlichen Überhitzung zunimmt. Dazu gehört die Erhöhung der Mindestreservesätze, die Beschränkung der Hypothekenvergabe auf noch nicht beendete Projekte und auch die teilweise Einschränkung der Exportförderung. Sie könnten der Anfang von weiteren Maßnahmen sein, die wohl die Wiederholung der Schwierigkeiten in den 90er-Jahren mit massiven Überkapazitäten in vielen Branchen Südost-Asiens vermeiden sollen.
Die jüngste Führungsgeneration scheint auch zunehmend Wert auf die Bekämpfung der ländlichen Armut, den Umweltschutz und die Reform und Stabilisierung des Finanzsystems zu legen. Das lasse eine temporäre Verlangsamung des Wirtschaftswachstum akzeptabel erscheinen, ohne das langfristige Ziel, das Sozialprodukt bis ins Jahr 2020 zu vervierfachen, zu gefährden.
Nullwachstum bei Investitionsausgaben im Jahr 2005
Auf dieser Basis gehen die Experten der CSFB davon aus, daß die chinesische Zentralbank den Leitzins über einen Zeitraum von 18 Monaten um mindestens 200 Basis- oder zwei Prozentpunkte anheben und damit indirekt Kredit- und Guthabenzinsen nach oben bringen wird. Bis Ende des Jahres könnte ein Sparprogramm installiert werden wie unter Zhu Rongji im Jahr 1995. Das würde dazu führen, daß das Wachstum der Investitionsausgaben von derzeit jährlichen 22,6 Prozent bis Ende des Jahres 2005 auf Null fallen könnte. Direktinvestitionen aus dem Ausland - sie sind lediglich für vier Prozent des Sozialprodukts verantwortlich - und der Konsum dürften darunter relativ wenig zu leiden haben.
In der ersten Hälfte des laufenden Jahres dürften Exporte und Importe noch stark wachsen. Ab der zweiten Jahreshälfte könnte allerdings das Wachstum abnehmen. Insgesamt dürfte das Wachstum in China laut den CSFB-Prognosen von derzeit offiziellen neun Prozent auf sieben oder leicht weniger im Jahr 2005 zurückgehen. Beim Konsum sollte es zu einer „weichen“, im Investitionsbereich dagegen zu einer „harten Landung“ kommen.
Diese Entwicklung hat Konsequenzen für Länder, Branchen (siehe Tabelle) und Unternehmen. Auf Unternehmensseite könnten Rio Tinto, BASF, Bayer, Linde, Degussa, BOC, Johnson Matthey, ASML, Infineon, Komatsu und Ericsson negativ berührt werden. Positive Impulse seien dagegen bei General Electric, Wal-Mart, SAB Miller, Pernod Ricard, Cocal-Cola, Archer Daniels, Tyson, Nokia und Motorola denkbar.
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