Mit einer gewaltigen Silvesterparty feiert sich in Las Vegas das Kasino "The Cosmopolitan". Auch die Deutsche Bank feiert – ihr gehört der Milliardenbau.
In einer Stadt, in der Gigantomanie der Normalfall ist, muss man Superlative schaffen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Und so haben die Verantwortlichen der Deutschen Bank für ihre Party ganz oben angefangen: Stars wie der Musik-Magnat Jay Z und die britische Band Coldplay sollen für den nötigen Rahmen sorgen, wenn die Bank in der Silvesternacht in das kürzlich eröffnete Kasinohotel "The Cosmopolitan of Las Vegas" lädt. Ein bisschen wirkt diese Party wie ein großes "Trotzdem", nach all der Negativpresse, die auf die Bank herab prasselte, seit sie Milliarden in ein eigenes Kasino gesteckt hat. Anzeige
Dass im Kasinogeschäft nun ausgerechnet eine Bank mitspielt, noch dazu das größte deutsche Kreditinstitut, ist das Ergebnis vieler verschiedener Zutaten, die typisch sind für diese Stadt.
"Las Vegas gehörte in den letzten zwanzig, dreißig Jahren zu den stärksten Wirtschaftsräumen des Landes", sagt Jeremy Aguero, Analyst bei Applied Analysis und Experte für die Glücksspielindustrie. Mit dem Ende der Rezession Anfang der Nuller Jahre habe die US-Wirtschaft ein enormes Wachstum erlebt - und nirgendwo war es stärker als im Süden Nevadas. Die Häuserpreise waren niedrig wie nie, eine unternehmerfreundliche Besteuerung heizte den Mut der Investoren weiter an. "Während des Aufschwungs war der Markt enorm liquide. Das Geld wartete geradezu darauf, investiert zu werden", sagt Aguero. Die Zahl der verfügbaren Betten stieg zweistellig, trotzdem lag die Belegungsquote im Boom-Jahr 2007 bei 90 Prozent. Kosten spielten keine Rolle, überall wurden Luxus-Restaurants und Hotels aus dem Boden gestampft.
Auch die Deutsche Bank war mutig: 2004 gab sie einen Baukredit über 60 Millionen Dollar für ein neues Kasino in der Stadt. 2200 Wohneinheiten, 800 Hotelzimmer, 83 Spieltische und fast 1500 Spielautomaten. Das "The Cosmopolitan of Las Vegas" sollte der hellste Stern am Firmament der Glitzerwelt von Las Vegas werden.
Dann kam das Krisenjahr 2008 – und Las Vegas wurde eiskalt getroffen. So rasant wie der Aufstieg war, so rasant kam der Absturz. Viele sprachen vom "Ground Zero" der Wirtschaftskrise. Im Süden Nevadas waren mehr Immobilien gehandelt worden als irgendwo sonst in den USA. "Weil wir mehr Hypotheken hatten, haben wir nun mehr Zwangsräumungen. Weil wir mehr Jobs geschaffen hatten, haben wir jetzt mehr mit der Arbeitslosigkeit zu kämpfen", sagt Aguero. Auf rund 15 Prozent schnellte die Arbeitslosigkeit in dem Bundesstaat nach oben. Die Wirtschaftsregion Las Vegas, die so sehr auf den Vorwärtsgang geimpft war, stagnierte irgendwo zwischen Leerlauf und Rückwärtsgang. Die Hotels drückten die Übernachtungspreise, um die entmutigten Amerikaner wieder in die Stadt zu locken.
Zu diesem Zeitpunkt hatte die Deutsche Bank bereits weitere 760 Millionen Dollar an Krediten in das Bauprojekt gesteckt. Plötzlich wurde der Bauherr zahlungsunfähig und konnte die Raten für den Kredit nicht mehr aufbringen. Das Projekt wurde zwangsversteigert – und die Deutsche Bank zum Eigentümer. Sie entschied sich, den Bau in Eigenregie fertig zu stellen: Vier Milliarden Dollar investierte sie in den Folgejahren in das "Cosmopolitan". "Es ergibt Sinn für die Bank, dass sie den Bau fertigstellt – wenn man bedenkt, wie viel Geld sie bereits investiert hatte", sagt David Schwartz vom Center of Gaming Research der Universität von Las Vegas. Die Hoffnung der Bank sei nun, den Umsatz anzukurbeln und das Resort so für mögliche neue Käufer interessant zu machen. Dafür nahm sie zahlreiche Rückschläge und Gerichtsverfahren mit Mietern in Kauf, die wegen der Bauverzögerungen geklagt hatten.
Dass das auch schief gehen kann, zeigt sich an zahlreichen Orten der Stadt. Das drei Milliarden Dollar schwere Ferienresort Fontainebleau etwa wird derzeit zwangsversteigert – auch hier hatte die Deutsche Bank Kredite bereitgestellt. Bei dem Hotelkomplex Echelon sind sieben Stockwerke fertig gestellt, doch seit August 2008 herrscht Baustopp. Auch der Octavius Tower, ein 650-Betten-Bau des Caesars Palace, der von außen imposant wirkt, dessen Innenausbau jedoch mangels Nachfrage auf unbestimmte Zeit verschoben wurde, steht für den Niedergang der Spielermetropole.
Trotzdem ist Jeremy Aguero optimistisch. "Las Vegas war schon immer gut darin, sich selbst neu zu erfinden, wenn die äußeren Bedingungen es verlangten." Als Baumogul Stephen Wynn 1989 das Mirage baute, hätten Beobachter dem Projekt einen schnellen Tod prophezeit. Ein Hotel, das eine Million Dollar am Tag verschlinge, könne nicht funktionieren, unkten sie. Doch das Mirage steht noch immer und schreibt schwarze Zahlen. 1993 wurde das MGM Grand gebaut, das bis dahin größte Hotel der Welt. Ein Hotel, indem man aufgrund der schieren Größe die Suppe nicht schnell genug aus der Küche an den Platz des Gastes tragen könne, damit sie dort heiß ankomme, sei zum Scheitern verurteilt, hieß es. Heute gehört das MGM Grand zu den großen Erfolgsgeschichten der Stadt.
Und selbst mitten im Abschwung 2009 kamen noch immer mehr als 36 Millionen Besucher nach Las Vegas und ließen 22 Milliarden Dollar da. "Es ist vermutlich auf lange Sicht nicht so schlimm, wie es auf den ersten Blick scheint", meint Aguero. Belegungsraten, Besucherzahlen, Umsatz, Verkehrsaufkommen am Flughafen – alle Zahlen seien im Vergleich zum Vorjahr gestiegen.
Doch ob das der richtige Zeitpunkt ist, ein neues Hotel mit 3000 Betten zu eröffnen? Aguero ist skeptisch. "Auf den ersten Blick ist es keine gute Idee, noch mehr Hotelbetten zu schaffen, wo die vorhandenen ohnehin weit davon entfernt sind, ausgebucht zu sein." Dabei seien die Chancen des "Cosmopolitan", einen Teil des Marktes in der schnelllebigen Stadt abzugreifen, besser als die vieler bestehender Hotels und Kasinos, die in die Jahre gekommen sind.
Doch selbst dann wird es wohl Jahre dauern, bis die Bank die Milliarden-Investitionen wett gemacht hat. In der Silvesternacht will man daran keinen Gedanken verschwenden.
http://www.zeit.de/wirtschaft/2010-12/deutsche-bank-las-vegas
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